
Kommentar von Dr. Gerd Dunkhase
Über das Irrenhaus Kassenarzt-System
Zum Beitrag "Schlaflabor steht vor dem Aus" ein Kommentar von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey:
Seit 18 Monaten befinde ich mich im Ruhestand. Ich genieße nicht nur meine freie Zeit, sondern ganz besonders den Zustand, dem Irrenhaus „Kassenarzt-System“ entronnen zu sein. Der Fall des Kollegen Wiemann mit dem drohenden Ruin seiner Praxis und dem Aus des von ihm betriebenen Schlaflabors beleuchtet exemplarisch die zynische Widersprüchlichkeit dieses Gesundheits-Systems.
In Deutschland sind etwa 800.000 Menschen vom Schlaf-Apnoe-Syndrom (SAS) betroffen. Das sind Atemaussetzer während des Schlafes, die zu einem deutlichen Sauerstoff-Abfall im Blut führen. Als Folge eines unbehandelten Schlaf-Apnoe-Syndroms können weitere chronische Gesundheitsstörungen auftreten: Herz-Kreislauferkrankungen wie Bluthochdruck, Rechtsherzschwäche, Herzinfarkte, plötzlicher Herztod. Einer Studie zufolge ist das SAS stark mit dem Auftreten von Herzkrankheiten, die einen Herzschrittmacher erforderlich machen, assoziiert. Auch Schlaganfälle können durch das SAS ausgelöst werden. Beschrieben werden Depressionen, Migräne, Hirnschäden und das gehäufte Auftreten von Stress-Erkrankungen wie Tinnitus und Hörsturz. Selbst auf den Diabetes mellitus Typ 2 hat das Schlaf-Apnoe-Syndrom Einfluss. Der Blutzucker ist umso höher, je mehr Atempausen pro Stunde Schlaf auftreten.
Es handelt sich hier also nicht um medizinische Spielerei, sondern um ein durchaus häufiges und ernst zu nehmendes Krankheitsbild mit massiven gesundheitlichen Folgen, wenn es denn nicht behandelt wird.
Dummerweise liegt bei weitem nicht jedem der oben beschriebenen Krankheiten ein Schlaf-Apnoe-Syndrom zugrunde. Nur kann man das den Patienten nicht an der Nasenspitze ansehen. Ein SAS ist nur im Schlaflabor zu diagnostizieren.
Auch pflegt der Lungenfacharzt nicht, die Patienten für das Schlaflabor auf der Strasse einzufangen, sondern sie werden vom Hausarzt, Kardiologen, Neurologen oder HNO-Arzt überwiesen. Er hat also kaum Einfluss auf die Nachfrage.
Eine Wartezeit auf einen Untersuchungstermin von etwa 4–5 Monaten zeigt, dass der Bedarf ganz offensichtlich mit den vorhandenen Ressourcen nicht zu decken ist, denn auch die Schlaflabore in der näheren und weiteren Umgebung leiden nicht an Arbeitsmangel. Der "Fehler" des Kollegen Wiemann bestand darin, dieser Nachfrage zu folgen und seine Investition am tatsächlichen Bedarf auszurichten.
Er hat offensichtlich nicht bedacht, dass die Entscheidungsträger in den Zulassungs- und Prüfungsausschüssen nicht mit Einsicht in den Bedarf an Leistungen gesegnet sind, sondern nur eine Verknappung zum Zwecke der Kostenminimierung im Auge haben - auch wenn dadurch die Gesundheit Bedürftiger gefährdet ist.
Die derzeitigen Aktivitäten zur Wartezeitverkürzung bei Facharztterminen muten da als zynisch-populistischer Aktionismus an, um von eigenem eklatantem Versagen abzulenken. Einerseits erpresst man die Ärzte, ihre Arbeit gegebenenfalls auch unbezahlt zu leisten. Wenn dann bei dem unvermeidlichen Leistungsvolumen lange Arbeitszeiten die Folge sind, droht man ihnen eine Strafverfolgung wegen des Verdachts an, die Leistungen gar nicht erbracht zu haben. Nichts anderes bedeutet nämlich im Falle des Kollegen Wiemann eine Plausibilitäts-Prüfung bei angeblich "auffälligem Leistungsverhalten".
Glauben Sie bitte nicht, es handele sich hier um einen exotischen Einzelfall. Seien Sie sicher, es gibt Tausende derartiger Fälle. Nicht immer führen sie gleich zur Unführbarkeit der Praxis. Das System ist jedoch von permanenter bürokratischer Schikane der Ärzte beherrscht. Nur so lässt sich das Mengenproblem dieses Gesundheitssystems beeinflussen.
Da ruiniert man dann schon mal eine wichtige und hoch qualifizierte Facharztpraxis, wenn man auf diese Weise ein paar Tausend Untersuchungen mit entsprechenden Folgekosten aus dem Markt nehmen kann. Die sich zwangsläufig verlängernden Wartezeiten kann man dann praktischerweise wieder den übrig bleibenden Ärzten anlasten. Für den Bürger/Patienten ist das System mittlerweile so undurchsichtig geworden, dass der sowieso nicht versteht, wie er verarscht wird.
Will man schon nicht den Kunden, also den Patienten, in die Pflicht nehmen, weil das Auswirkungen auf die Marketingsituation (Krankenkasse) oder Wahlergebnisse (Politik) haben könnte, ist es praktisch, die Ärzte zu beschimpfen und zu schikanieren. Die sind zu wenige, um Wahlen zu beeinflussen. Für in der Folge auftretende Versorgungs-Engpässe hat man dann auch gleich wieder die Schuldigen parat und so ein probates Mittel, um vom eigenen Versagen abzulenken.
Eines muss man wissen: Ein guter Versicherter ist der, der brav seine Beiträge zahlt und keine Leistungen in Anspruch nimmt.