
Heute: Grundschule Jügens Hof
Aktion 'Sicherer Schulweg'
Großer Bahnhof am frühen Freitagmorgen (30.11.2018) an der Grundschule Jürgens Hof. Es ist 7:15 Uhr: In einem Klassenraum versammeln sich um Schulleiterin Kirsten Midik Vertreter der Verkehrswacht, der Polizei, des Rates, Fachbereich (FB) Schule und Verkehr, der HCR, Vertreter des Kinder- und Jugendbereichs und des Kommunalen Ordnungsdienstes. Ihre Mission an diesem Morgen: Sie wollen Eltern für ihre Aktion - Sicher und selbstständig zur Schule - sensibilisieren. Kurz vor der Aktion werden alle Beteiligten von Barbara Kruse (Dezernat für Schule und Weiterbildung) motiviert: „Gehen Sie freundlich, aber bestimmt vor und machen Sie die Eltern auf die Aktion aufmerksam.“

Ausgerüstet mit gelben Warnwesten für die Kinder, die alle Beteiligten auch selber übergezogen haben, Handzetteln und einer Mobilitätsfibel des Verkehrsverbund Rhein-Ruhr, stehen sie kurze Zeit später am Straßenrand vor der Schule und sprechen die Eltern der Grundschüler an. Rund 240 hat die Schule am Jürgens Hof, und die werden zum großen Teil von ihren Eltern zur Schule begleitet - zu Fuß oder mit dem Elterntaxi. Für fast jedes Elterntaxi ist es gang und gäbe, ihre Kinder direkt bis vor das Schultor zu fahren.

Dadurch kommt es immer wieder zu gefährlichen Situationen auf der ohnehin schon engen Straße. Das scheinen viele Eltern billigend in Kauf zu nehmen. Es sind Situationen, die oftmals erst durch ihr Elterntaxi entstehen. Marc Beitzenkroll, Mitarbeiter der HCR, berichtet von einer der letzten Sensibilisierungs-Aktion, wo „haarsträubende Zustände herrschten. Autos hinter- und nebeneinander, Autos die über Bürgersteige fuhren und Kinder, die zur Straßenseite hin ausstiegen. Mit sicherem Schulweg“, entrüstet sich Beitzenkroll noch heute, „hat das nun gar nichts mehr zu tun.“

Kirsten Midik ist seit über zwei Jahren Schulleiterin an der Schule: „Schon bevor ich an die Schule kam, gab es das Problem 'Chaos vor der Schule'. Seit 3-4 Jahren versuchen Eltern in Gremien Lösungen zu finden. Es fehlten die durchschlagenden Möglichkeiten definitiv etwas zu ändern.“ Allerdings sei die Einsicht bei den Eltern, die ihr Kind zur Schule fahren „leider nicht sehr hoch. Es gibt aber auch die Eltern, die sich sehr wünschen, dass das endlich geregelt wird. Aber leider eben auch die Eltern, die wenig einsichtig sind und uns weiterhin beschimpfen."

Seit einiger Zeit ist die gegenüberliegende Straßenseite der Schule zur Halteverbotszone erklärt worden. Das hat die morgendliche Situation etwas entschärft. Allerdings halten sich daran noch längst nicht alle Eltern und die Ausreden sind mannigfaltig: „Es ist ja nur ganz kurz." „Oh, die Schilder habe ich nicht gesehen." oder: „Ja, ich weiß, aber ich habe es (gerade heute) ganz eilig.“ oder: „Ja, ich weiß, aber ich muss heute einen Kiste Wasser in die Schule bringen.“ oder: „Mein Kind hat den Fuß gebrochen." oder: „Der Tornister ist so schwer.“ oder: „Heute ist Eislaufen." (Ja, und???) Oder, Volker Himme, der heute ausnahmsweise den Sohn seiner Lebensgefährtin zur Schule fährt und auf die Frage, warum er im Gefahrenbereich und Halteverbotszone das Kind aussteigen lässt, so antwortet: „Aus Bequemlichkeit.“ - Nun, wenigstens ist er ehrlich, was die Situation aber nicht verbessert.

Dezernentin Gudrun Thierhoff 'fängt' an diesem Morgen die Autofahrer direkt zu Beginn der Halteverbotszone ab und wird nicht müde, die Eltern freundlich auf das Chaos, das sie verursachen, hinzuweisen: "Guten Morgen. Warum fahren Sie bis vor die Schule? Sie sehen ja, dass Chaos das dadurch entsteht. Warum halten sie nicht weiter weg und bringen ihr Kind die letzten Meter zu Fuß? Ziehen Sie ihrem Kind doch einfach eine Warnweste über, dann sieht man es 'astrein' - und ein bisschen Laufen ist gut." Ja, prinzipiell ist da ja auch nichts gegen einzuwenden, aber... - Antworten, die auch Gudrun Thierhoff häufiger hört.
Lob gibt es an diesem Morgen für die Eltern, die ihre Kinder zu Fuß zur Schule begleiten. Eine von ihnen ist Annette Hoffmann. Jeden Morgen, begleitet sie ihren achtjährigen Sohn auf dem rund 15-20-minütigen Weg zur Schule. Sie wohnen kurz vor Friedrich-der-Große - dem Industriegebiet. Eigentlich eine Fahrrad-Strecke, doch das Rad ist für Annette Hoffmann keine Option: „Dafür ist es mir hier einfach zu riskant. Auf diesem letzten Stück bekomme ich manchmal die Krise: Die Eltern kurven mit den Autos hier herum, keiner schaut richtig - viele kommen auf den letzten Drücker und haben es eilig.“ Das sei mit ein Grund, warum sie immer etwas früher hier sind, "das ist stressfreier. Außerdem," sagt sie, "tut der Gang an der frischen Luft gut - meinem Kind und mir auch.“
Auch Jasemin Ördü begleitet ihre beiden Kinder zu Fuß auf dem rund 20-minütigen Schulweg. „Hier ist jeden Morgen solch ein Verkehrs-Chaos, das ist schlimm“, sagt sie. Nicht nur diese beiden Mütter, und auch viele weitere Eltern, begrüßen die Aktion und freuen sich, dass endlich etwas gegen diese Zustände unternommen wird.

Eine Aktion, die nicht einmalig bleiben soll. Es gibt ein gesamt-städtisches Ziel, den Straßenverkehr vor den Schulen einzudämmen und wird von unterschiedlichsten pädagogischen Aktionen unterstützend begleitet. Diskutiert wird unter anderem, den ehemaligen Netto-Parkplatz als Eltern-Parkplatz einzurichten. Auch das wird von einigen Eltern begrüßt, wie Jürgen Uhlmann von der Verkehrswacht Wanne-Eickel an diesem Morgen erfahren hat. Dazu haben einige Eltern den Wunsch geäußert, dort gleichzeitig auch eine Bäckerei zu stationieren, „dann könnten wir uns dort, bei einer Tasse Kaffee, noch austauschen." Irritiert zeigt sich Jürgen Uhlmann allerdings über eine ganz andere Information: „Natürlich ist diese Aktion gut und wichtig. Aber wenn sie am Morgen im Radio bekanntgegeben wird, ist das schon kontraproduktiv."
Weiter ging es an diesem Morgen noch mit dem sogenannten Block 2. Dazu besuchten einige der Aufklärer im Anschluss noch die 3. und 4. Klassen und verteilten Blinkis (reflektierende Anhänger) für die Tornister und Fragebögen an die Kinder. Darauf sollen die Kinder nun Fragen über ihre täglichen Aktivitäten beantworten: Wie sie zum Beispiel zum Sport, zu ihren Freunden, zur Schule oder zur Oma kommen und was ihnen wichtig ist. Wie sie den Verkehr heutzutage bewerten und was sie ändern würden. Die Antworten werden anschließend ausgewertet und fließen in weitere Aktionen des Klimabündnises ein.