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Alice (Silvia Schmidt, r.) und ihre ältere Schwester (Nina Holtvoeth) beim Eisessen im Schwimmbad – wo in der WLT-Inszenierung Karin Epplers alles beginnt.

Kindgerechte Fassung für alle ab sechs Jahren

„Alice im Wunderland“ am WLT

„Ey, hömma!!“: Aus dem Off lässt sich ein prolliger Bademeister vernehmen, der Fritz Eckenga in nichts nachsteht. Alice (Dalila Niksic) und ihre ältere Schwester (Nina Holtvoeth) rekeln sich am Beckenrand. Während Letztere Kopfhörer aufhat und sich in die Lektüre eines Buches vergräbt, langweilt sich Alice fürchterlich: kein bekanntes Gesicht weit und breit.

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Da schaut plötzlich ein weißes Kaninchen (Christian Zell) vorbei: Alice folgt ihm begeistert, endlich was los! Und taucht wenig später – Disney-like im blauen Kleid mit weißer Schürze – in einer Märchenwelt auf, in der sie auf die skurrilsten Wesen trifft – von der (vor-) witzigen Maus (Annamae Endtinger) über die Grinsekatze und eine sprechende Tigerlilie bis hin zu einer Pfeife rauchenden Raupe. Die ihr den Rat erteilt: „Müssen muss man gar nix.“

Nachdem sie aus der nach Banane riechenden „Trink mich“-Flasche gekostet und von der nach Vanille duftenden „Iss mich“-Oblate genascht hat, schrumpft Alice erheblich. Und wächst erst durch die Pilze der Raupe Blau wieder auf alte Größe: „Was ist schon normal?“ In diesem verwunschenen Reich eigentlich nichts, in dem Alice mit zwei karierten Briten, Faselhase (Vincent Bermel) und Hutmacher (frisch von der Schauspielschule: David Kiefer) Tee trinkt und von der Herzkönigin (Figurenanlage vereint mit der Schwarzen Königin) zum Croquet-Spiel (allerdings ohne Flamingo und Igel) eingeladen wird.

Das „Alice“-Ensemble nach einer Leseprobe (vorn v.l.) Ausstatter Philipp Kiefer, Dramaturgin Sabrina Klose, Christian Zell, Silvia Schmidt, Hospitantin Mia Vatter und Regisseurin Karin Eppler, hinten (v.l.) Vincent Bermel, Nina Holtvoeth, Annamae Endtinger und David Kiefer.

Alice ist am Ende froh, dieser verrückten Gesellschaft couragiert getrotzt zu haben – und landet nach turbulenten sechzig Minuten wieder bei ihrer Schwester in der Badeanstalt. Alles nur ein Traum – mit grandioser Schwimm-Pantomine (Achtung: Hai!) und Fön-Slapstick. Um nicht zu viel zu verraten: Karin Eppler inszeniert eine eigene, erheblich gekürzte, von jeglichem Grusel befreite und höchst kindgerechte Adaption des Romans „Alice’s Adventure in Wonderland“ (1865) von Lewis Carroll für Kinder ab sechs Jahren.

Und das in einer so einfachen wie phantasievollen Ausstattung von Philipp Kiefer, deren Mittelpunkt ein pinkes Sofa bildet. Auf das auch ein besonderes Überraschungs-Ei krabbelt: Die Figur des Humpty Dumty, verkörpert von David Kiefer als lustige Knutschkugel, entstammt Lewis Carrolls Fortsetzung „Through the Looking-Glass, and What Alice Found There“ (1871), bei uns bekannt unter dem Titel „Alice hinter den Spiegeln“.

Es gibt Spielstätten, die ein solches Flair haben, dass es eigentlich egal ist, was dort gerade auf dem Programm steht. Das Parkbad Süd in Castrop-Rauxel ist eine solche, und das naturgemäß vor allem im Sommer. Weshalb das Westfälische Landestheater stets zum Saisonende zur dreitägigen „Bühne raus…!-Aktion einlädt. In diesem wettermäßig durchwachsenen Jahr standen vom 14. bis 16. Juni 2024 das Musical „Cabaret“ und das Kinderstück „Alice im Wunderland“ auf dem Programm.

Wie gewohnt hatte das Stück für Erwachsene am Freitagabend Premiere, aufgrund der Fußball-Europameisterschaften nicht ganz ausverkauft. Aber die Stimmung war bombig, das Wetter hielt – und das begeisterte Publikum applaudierte nach neunzig Minuten stehend. Beim Familienstück lief es dann am Sonntagnachmittag nicht so gut: 20 Grad Celsius im einstigen Freibad-Becken ließ das Publikum die Jacken ausziehen. Zu früh, denn bald setzte heftiger Regen ein. Den es im übertragenen Sinne schon zwei Tage zuvor gegeben hat: Titel-Darstellerin Silvia Schmidt, Ensemble-Neuzugang aus Berlin, erkrankte. Für sie sprang kurzfristig Dalilah Niksic ein – und hat ihre Sache großartig gemacht!

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Sie glänzt in ihrer achten WLT-Produktion als Regieassistentin mit Spielverpflichtung (so in „Die unendliche Geschichte“, „Der Trafikant“ und „Die Werkstatt der Schmetterlinge“) in der Titelrolle als ein junges Mädchen, dass keineswegs Fluchten aus dem Alltag eines dysfunktionalen Elternhauses sucht, sondern nur der Langeweile im Schwimmbad entkommen will. Ab Herbst 2024 wird Silvia Schmidt die Rolle der Alice übernehmen und mit dem aus Hamburg gekommenen Alexander Maria Wolff ein weiterer Ensemble-Neuzugang u.a. die Rollen des Faselhasen und des Herzkönigs.

Montag, 17. Juni 2024 | Autor: Pitt Herrmann
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