
Neues Buch über Verbrechen und Unglücke im Ruhrgebiet
Als Herne 1913 im Wilden Westen lag
Leben wir heute in besonders gefährlichen Zeiten? Verroht unsere Gesellschaft immer mehr? Urteilt die Justiz heutzutage besonders lasch? Und wie sah es in den vermeintlich „guten alten Zeiten“ wirklich aus? Der Gelsenkirchener Krimi-Autor Alexander Pentek legt einen 388 Seiten starken Rückblick auf den erstaunlich gefährlichen Alltag im letzten Friedensjahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor. Anhand echter Meldungen aus der historischen Tageszeitung nimmt er den Leser mit ins wirtschaftlich prosperierende Ruhrgebiet des Jahres 1913. Enthalten sind dort drin auch Meldungen aus Herne, Wanne und Eickel.
Deutschlands wilder Westen vor 110 Jahren: In den stark gewachsenen Städten und Gemeinden des Ruhrgebiets sind Schusswaffen frei verkäuflich und das Mitführen von Messern ist weit verbreitet. Die strenge Klassengesellschaft des Kaiserreiches und der kontrastreiche Schmelztiegel des Industriereviers sorgen zwischen Fördertürmen und Hochöfen für eine erstaunlich vielfältige Welt des Verbrechens.
Betrug, Messerstechereien und Mord
Dabei geht die Spanne vom ausgefeilten Betrug über die rücksichtslose Messerstecherei bis zum eiskalten Mord. Auf den Zechen und Stahlwerken, im privaten Haushalt und auf den Straßen kommt es zudem jeden Tag zu entsetzlichen Unfällen. Vollkommen frei berichtet wird damals auch über die weitverbreiteten Suizide.
Beispiele aus Herne, Wanne und Eickel gefällig? Gerne. Auf der Zeche Pluto im Schacht Thies in Eickel verunglückt ein Vorarbeiter am 8. Januar 1913. Er erleidet einen komplizierten Oberarmbruch mit starkem Blutverlust, sodass der Tod nach der Einlieferung ins Knappschaftskrankenhaus eintrat.
Nach Streit einen Revolver gezogen und abgedrückt
Nur eine Woche später in Wanne: In einem Haus an der Königstraße gerät ein Bergmann mit einem Hausbewohner in Streit. Der Mieter versetzt seinem Vermieter einen Schlag ins Gesicht, worauf dieser einen Revolver zog und seinem Gegner in die Hand schoss. Der Getroffene geriet daraufhin so in Wut, dass er seinem Gegenüber mit einem Stuhlbein den Schädel einschlug.

Im April 1913 tötete sich an der Kalkstraße in Herne ein 13-jähriger Junge mit einer Pistole selbst, weil er Angst vor einer Strafe hatte, da er die Schule versäumt hatte. Mitte Mai 1913 wurden vier Bergleute im Grubenbetrieb des Schachtes 1/2 der Zeche Shamrock von Gesteins- und Kohlemassen, die sich infolge eines Stempelbruchs gelöst hatten, verschüttet. Zwei Bergleute wurden tödlich verletzt, die beiden anderen erlitten erhebliche Verwundungen.
'Vollkommen anders damals, als alles, was man erwartet'
Autor Alexander Pentek sagt dazu: „Schon nach wenigen Berichten wird einem klar, dass das Ruhrgebiet damals vollkommen anders war als alles, was man erwartet. Viele kennen aus der eigenen Familie noch die Erzählungen darüber, dass man die Wohnungstür nicht abschließen musste, dass die Kinder gefahrlos auf der Straße spielen konnten oder dass die Menschen mehr aufeinander Acht gaben."
Weiter führt er aus: „Andere denken beim Kaiserreich an einen strengen, verstaubten Obrigkeitsstaat und bigotte Moralvorstellungen. Umso erstaunlicher dürfte für die meisten Leser sein, in welcher gefahrvollen Umgebung ihre Urgroßeltern zwischen Dortmund und Duisburg damals wirklich lebten, welche Strafen von den Gerichten verhängt wurden – und wie widersprüchlich, modern und vielfältig die Gesellschaft damals war.“
Das Buch „1913 - Echte Verbrechen und Unglücke im Ruhrgebiet“ (ISBN: 978-3-7347-1039-1) ist Mitte März 2023 bei Books on Demand (BoD) erschienen und hat 388 Seiten. Es ist im Buchhandel für 14,90 Euro erhältlich.