Anlagebetreuer setzt sich gegen Sinterwerke durch
Fast 32 Jahre ist Anlagebetreuer Musa Ö. bei den heutigen Sinterwerken an der Forellstraße beschäftigt. Und wenn das jetzt von der 2. Kammer des Arbeitsgerichts Herne gesprochene Urteil rechtskräftig wird, wird es für den Anlagebetreuer, der seit 1984 zunächst bei Bosch und dann beim Nachfolger BTMT arbeitete, auch in Zukunft so bleiben. Damit ist der von Rechtsanwältin Riedel vertretene Ö. der Zweite von insgesamt 34 gekündigten Mitarbeitern, dessen betriebsbedingte Kündigung zum 30. November 2015 vom Arbeitsgericht aufgehoben wurde. Die Kammer von Richter Kallenberg verpflichtete das Unternehmen außerdem, "den Kläger über den 30. November hinaus zu unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen."
Nachdem Großkunde Bosch immer weniger Produkte der Sinterwerke abgenommen hatte, rutschte das BTMT-Folgeunternehmen, das zunächst mit 240 Arbeitskräften gestartet war, ab 2013 immer tiefer in die roten Zahlen. Mit noch 215 Beschäftigten Mitte 2015 schlossen die neuen Geschäftsführer Matusche und Dübbers, die die Sinterwerke nach einem Insolvenzantrag seit April 2015 in Eigenverantwortung (Schutzschirmverfahren) führen, mit Betriebsrat und IG Metall einen Standort-Sicherungsvertrag bis 2019. Der garantiert zwar eine Mindestzahl von 181 Arbeitnehmern, verlangte aber von der verbliebenen Belegschaft schmerzhafte Opfer. So zum Beispiel Kürzung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld und eine kürzere Wochenarbeitszeit ohne Lohnausgleich.
"Damit waren wir nach der Zeit der Konzerntarifverträge voll im Mittelstand angekommen," wie es der Firmenanwalt jetzt in Herne formulierte. Weitere 34 Betroffene konnten zwischen sechs Monaten in einer Transfergesellschaft mit bis zu 75 Prozent des letzten Nettolohns bis Ende Februar 2016 oder der Kündigung mit der wegen des Insolvenzverfahrens verkürzten Kündigungsfrist von drei Monaten wählen. Zwölf wechselten in die Transfergesellschaft und 22 bekamen die Kündigung. Die Hälfte davon wehrte sich mit Klagen vor dem Arbeitsgericht, das im Dezember ein knappes Dutzend Verfahren auf dem Vergleichsweg mit Zahlung von Abfindungen in Höhe von jeweils zweieinhalb Monatslöhnen beenden konnte, wobei diese Abfindungen angesichts langer Beschäftigungszeiten auch nicht annähernd der sogenannten Regelabfindung (ein halbes Nettogehalt pro Beschäftigungsjahr) entsprachen.
Kläger Ö. hatte durch seine Anwältin im Verfahren auf Einzelpunkte im Sozialplanverfahren hinweisen lassen, die bei den jeweils von der Sozialauswahl negativ betroffenen Arbeitnehmern offene Fragen hinterlassen hatten.
Die Kammer, die zwar wegen der Insolvenz durchaus einen betriebsbedingten Grund für die Kündigung des Klägers anerkannte, ging dazu ins Detail. So hatte die Klägeranwältin gerügt, dass "die Vergleichsgruppe der für das Verbleiben infrage kommenden Anlagebetreuer vorab um 28 verringert wurde und die Gruppe danach so klein wurde, dass der Kläger rausfallen musste." Und erst nach dieser Verkleinerung sei die Sozialauswahl getroffen worden, so die Anwältin weiter. Sozialauswahl mal umgekehrt, hatte auch das Gericht dazu angemerkt. Und auch der Firmenanwalt hatte eingeräumt "dass wir erstmal prüfen mussten, wen wir denn brauchen, um in dem restrukturierten Betrieb weiterzumachen und dann erst die Sozialauswahl getroffen haben." Und genau da hakte die Kammer nach, um dann nach ausführlicher Beratung der Klage "auch aus formellen Gründen" stattzugeben. (AZ 2 Ca 2239/15)