
Stellungnahme der Arbeitslosenzentren
Armuts- und Reichtumsbericht
Fazit der Arbeitslosenzentren der Stadt Herne zum neuen Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung: „System der soziale Sicherung von arbeitslosen Menschen unzureichend! Seit Einführung der Hartz-Reformen weisen die beiden Arbeitsloseneinrichtungen der Stadt, das Arbeitslosenzentrum Herne e. V. und das Zeppelin-Zentrum, auf die dramatischen Folgen der Agenda-Politik für arbeitslose Menschen hin. Der Entwurf des 6. Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung belegt, wie drastisch sich die Situation für Arbeitslose seither verschärft hat.
Im Zuge der „Reformen“ wurde die soziale Absicherung arbeitsloser Menschen stark eingeschränkt. Anstelle der Arbeitslosenhilfe wurde eine bedürftigkeitsgeprüfte „Grundsicherung für Arbeitsuchende” eingeführt. Hartz IV und nicht die Arbeitslosenversicherung ist seitdem das vorherrschende Sicherungssystem bei Arbeitslosigkeit. Der Hartz IV Bedarf liegt für eine erwachsene Person bei etwas unter 800 Euro. Damit wird statistische Armutsrisikoschwelle (mindestens 1.074 Euro nach dem Mikrozensus für 2019) deutlich unterschritten. Die Entwicklung der Entsicherung von Arbeitslosen dokumentiert der Bericht klar, wenn er die Verteilung der Arbeitslosen auf die verschiedenen sozialen Lagen im Zeitverlauf betrachtet:

1995 war ein Drittel der Arbeitslosen noch der sozialen Lage „Mitte” zuzuordnen und lediglich 15 Prozent in diesem Sinne arm. Diese Verteilung hat sich bis 2015 dramatisch verschoben: 2015 waren zwei Drittel aller Arbeitslosen der sozialen Lage „Armut“ zuzuordnen und nur noch weniger als zehn Prozent der „Mitte“.
Die soziale Spaltung der Gesellschaft spiegelt sich auch in unterschiedlicher politischer Beteiligung. Bei den Wahlberechtigten mit geringem Einkommen ist der Rückgang bei der Wahlbeteiligung überdurchschnittlich stark. Dadurch verstärken sich Risiken des Ausgeschlossen-Seins von politischen und gesellschaftlichen Willensbildungsprozessen. Die Pandemie, so der Bericht, vergrößert die Ungleichheit noch zusätzlich. Deutlich wird insgesamt, dass die Einkommensrisiken ungleich verteilt sind: Wer ohnehin ein geringes Einkommen hat, ist stärker von zusätzlichen Einkommensverlusten betroffen. Schließlich zeigt der Bericht, dass sich Armut bzw. Ungleichheit zunehmend verfestigen. Es gibt nur wenige Wege, die aus Armut herausführen, ebenso wie übrigens aus Reichtum, so die ernüchternde Bilanz.
Vor diesem Hintergrund bekräftigen beide Arbeitsloseneinrichtungen noch einmal ihre Forderung nach einer längst überfälligen Reform des derzeitigen Systems der sozialen Grundsicherung für Arbeitslose. Man kann es nicht deutlich und häufig genug sagen, so die Arbeitslosenzentren, für die Demokratie ist es systemrelevant, wie der Staat mit arbeitslosen Menschen bzw. Armen umgeht. Das Beispiel USA zeigt überdeutlich, wie gefährlich die Spaltung einer Gesellschaft ist, insbesondere auch für ihre demokratische Verfassung. Dabei dürfen neben den politischen Folgen natürlich die psychosozialen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und Armut auf den Einzelnen nicht vergessen werden.
Die Arbeitslosenzentren fordern
- eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung bzw. einen verbesserten Zugang zum Arbeitslosengeld I,
- einen besseren Qualifikationsschutz
- eine Anhebung des Existenzminimums, d. h. Regelsätze mindestens in Höhe von 600 Euro
- die Abschaffung von Sanktionen
- höhere Vermögensfreibeträge
- eine weniger scharfe Einkommensanrechnung
- öffentlich geförderte Beschäftigung mit Nettolöhnen deutlich über den eingesparten Grundsicherungsleistungen