
Essener Museum Folkwang
Ausstellung - Unheimlich real
Das Plakatmotiv zeigt eine junge, rothaarige Frau, die selbstbewusst dem Betrachter entgegenblickt. Es ist eine majestätische Erscheinung in ihrem blaugrünen Art-deco-Kleid und auffälligem Schmuck an der linken, in die Hüfte gestemmten Hand. Im Hintergrund ist unschwer die Lagunenstadt Venedig mit der Piazza San Marco und dem hohen Turm der gleichnamigen Basilica zu erkennen. Aber etwas stört an dem 1921 entstandenen Gemälde Die Frau des Künstlers vor venezianischer Kulisse von Ubaldo Oppi: Es ist alles sachlich-kühl arrangiert vom Segelboot linkerhand über die beiden Gondoliere im Vordergrund bis hin zum grünen Vorhang neben der steifen, geheimnisvoll-melancholischen Schönheit.

Gerade deshalb ist das Bild, das den Weg aus einer römischen Privatsammlung ins Revier gefunden hat, zur Ikone des italienischen Realismo magico geworden, dem sich noch bis Sonntag, 13. Januar 2019, die umfassende Ausstellung Unheimlich real. Italienische Malerei der 1920er Jahre im Essener Museum Folkwang widmet. Sie präsentiert achtzig Gemälde des Magischen Realismus – in diesem Umfang erstmals in Deutschland. Diese Kunstbewegung ist nach dem Ersten Weltkrieg in Italien parallel zur Neuen Sachlichkeit in Deutschland entstanden. Herausragende Werke wichtiger Protagonisten wie Felice Casorati, Antonio Donghi und besagtem Ubaldo Oppi sind ebenso in der Essener Ausstellung vertreten wie die einflussreichen Gemälde von Giorgio de Chirico und Carlo Carrà.
Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges wenden sich in Europa und darüber hinaus viele Künstler vom Expressionismus ab und einer realistischen Darstellung zu. Anknüpfend an die metaphysische Malerei von Giorgio de Chirico, der auf den ersten Blick surreal anmutende menschenleere (Stadt-) Landschaften malt, lassen die Künstler auf ihren Arbeiten die Zeit stillstehen. Sie fügen ihren realistischen Darstellungen eine traumhafte, unheimliche, mitunter befremdliche Anmutung hinzu. Die Gemälde zeigen ihre Gegenstände klar und deutlich, atmosphärisch und thematisch bleiben sie jedoch rätselhaft. Entstanden sind stimmungsvolle Bilder von hoher malerischer Qualität in zuweilen einnehmend leuchtenden Farben.
Die Ausstellung „Unheimlich real“ zeigt die Gemälde in thematischen Räumen: So werden zu Beginn die einflussreichen Architekturdarstellungen von Carrà und de Chirico denjenigen von Ubaldo Oppi und dem deutlich später entstandenen Gemälde La città deserta (1929) von Carlo Sbisà gegenüber gestellt. Ein Schwerpunkt liegt auf Frauenporträts, sie alle zeichnet eine stolze und zugleich abgründige Schönheit aus. Auch intime familiäre und häusliche Szenen sind ein beliebtes Sujet des Realismo magico. Dabei wirken Kinder wie bei Felice Casorati wie kleine Erwachsene. Und Tischszenen berichten mehr von Entfremdung und Einsamkeit als von Geselligkeit.
Naturgemäß spielt im Land der Commedia dell'arte die Maskerade eine große Rolle: Bildmotive mit Harlekins, Clowns und Magier sind das Vorzeigen und Verbergen, das Spiel mit der Illusion. Die in neun Themengruppen gezeigten Werke spiegeln immer auch den Zeitgeist in Italien nach dem Ersten Weltkrieg und in den 1920er und 1930er Jahren nach der Machtübernahme Mussolinis und seiner faschistischen Bewegung wider.