Ampel bricht auseinander, Stimmen dazu aus Herne
Beben im politischen Berlin
Der Dienstag (6.11.2024) wird in die Geschichte eingehen. Nicht nur, dass Donald Trump ins Weiße Haus zurückkehrt, sondern auch in Berlin tat sich am Abend einiges. Während es am frühen Abend noch so aussah, als würden sich die drei Koalitionspartner aus SPD, Grünen und FDP um eine gemeinsame Lösung bemühen, überschlugen sich später die Ereignisse: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) entlässt Finanzminister Christian Lindner (FDP) und tritt mit einer für ihn ungewöhnlich scharfen Rede vor die Presse.
Scholz wirft Lindner Vertrauensbruch vor und, dass er parteipolitische Interessen über die Interessen des Landes stellen würde. Vorangegangen zum Bruch der Ampelkoalition war das Wirtschaftswendepapier des Finanzministers, in dem er unter anderem das Verschieben der Klimaziele und Einschränkungen bei den Sozialausgaben forderte. Auch Lindner äußerte sich am späten Abend und spielte den Ball an Scholz zurück. Er lehnte die Schuldzuweisungen für das Ampel-Aus ab und warf Scholz vor, er habe von ihm verlangt, die Schuldenbremse auszusetzen. Dies hätte seinen Amtseid verletzt.
Regierungschaos – und nun?
Scholz will im Januar 2025 die Vertrauensfrage im Bundestag stellen und so den Weg für Neuwahlen im März 2025 freimachen. Dies ist der Opposition, vor allem aber der CDU unter Friedrich Merz, zu spät. NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) pocht nach dem Aus der Ampel-Regierung auf schnelle Neuwahlen.
halloherne sprach mit Herner Politikern über die Ereignisse und fing erste Reaktionen ein.
'Hätte mir gewünscht die Ampel, hätte sich auf Kompromisse geeinigt'
Hernes SPD-Parteichef und Kandidat für die Bundestagswahl, Hendrik Bollmann, äußert sich im Gespräch mit halloherne wie folgt: „Ich hätte es für besser gehalten, wenn die Ampelkoalition in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten – wo Menschen um ihren Arbeitsplatz fürchten und vielfach nicht wissen, wie sie ihre Rechnungen bezahlen sollen – sich noch auf Kompromisse geeinigt hätte und so noch einige wichtige Vorhaben hätten umgesetzt werden können.“
Weiter führt er aus: „Es scheint aber, als habe es Finanzminister Lindner darauf angelegt, die Koalition platzen zu lassen. Daher war die Entscheidung des Kanzlers richtig. Nun ist die CDU gefragt, ob sie Verantwortung für unser Land übernehmen und kurzfristig wichtige Entscheidungen für unsere Verteidigung und Wirtschaft mittragen will.“
Der nun mögliche frühere Wahltermin überrascht die Herner SPD natürlich. „Wir haben uns auf Wahlen im September 2025 vorbereitet, natürlich wirft das die Pläne über den Haufen. Aber wir wollen jetzt alles dafür tun, dass wir möglichst viele Menschen mit unseren Themen erreichen und sie so zum neuen Wahltermin die SPD wählen“, macht Bollmann deutlich.
'Wir sind gut aufgestellt'
Stefan Kuczera, der gemeinsam mit Vivien Wefringhaus Co-Vorsitzender der Herner Grünen ist, ist politisch enttäuscht, aber nicht überrascht vom Ende der Ampelkoalition. „Ich hätte mir gewünscht, dass die Koalitionspartner noch gemeinsam die notwendigen Veränderungen voranbringen“, so Kuczera im Gespräch mit halloherne.
Auch der mögliche, vom Kanzler angestrebte Wahltermin im März 2025, schocke den Vorsitzenden nicht. „Noch ist nichts entschieden. Aber Neuwahlen kommen jetzt nicht so wirklich überraschend. Wir haben es uns natürlich anders gewünscht, aber wir sind gut aufgestellt und haben eine tolle Kandidatin für die Bundestagswahl (Anm. d. Red.: Die Kandidatin ist Anna di Bari)“, zeigt sich der Grünen-Vorsitzende optimistisch.
Ferner fürchtet er auch keine Abstrafung durch die Wähler aufgrund des Ampel-Aus. „Ich glaube, es ist der Öffentlichkeit deutlich geworden, dass die Ampel aufgrund des Koalitionspartners FDP gescheitert ist und die Führungsschwäche des Kanzlers sichtbar wurde. Die Grünen haben immer versucht, konstruktiv an den notwendigen Veränderungen für dieses Land zu arbeiten“, sagt Stefan Kuczera.
'Partner waren thematisch und inhaltlich zu verschieden'
Auch für den Herner FDP-Chef kommt der Koalitionsbruch nicht überraschend. „Die Partner waren thematisch und inhaltlich zu verschieden. Die Ideologien standen im Vordergrund, da nehme ich keinen der Partner aus“, beschreibt Thomas Bloch im Gespräch mit halloherne.
Dass der Kanzler erst im Januar 2025 die Vertrauensfrage stellen will, ist für Bloch „eine politische Insolvenzverschleppung“. Ferner verwundere ihn auch der Verbleib von Volker Wissing als Verkehrsminister in der Bundesregierung und dessen Austritt aus der FDP. „Es wäre besser, wenn die Partei geschlossen die Regierung verlassen hätte. So bleibt ein Geschmäckle und für einige könnte es nun so aussehen, als klebe da jemand an seinem Posten“, erläutert Bloch.
Im Falle von möglichen Neuwahlen ist der Herner FDP-Chef unsicher, ob die Liberalen die Fünf-Prozent-Hürde überwinden werden. „Ich glaube, dass es schwer werden kann. Für die Kommunalwahl im September 2025 bin ich optimistischer. Denn die Bürger werden merken, dass ohne die FDP eine liberale Kraft im Parlament fehlt“, so der Vorsitzende der Freien Demokraten in Herne. Er wünscht sich für seine Partei eine Neuausrichtung.
'Gut, dass es jetzt zu Ende ist'
Hernes CDU-Chef und Kandidat für die Bundestagswahl, Christoph Bußmann, zeigt sich über das Aus der Ampel erleichtert. „Gut, dass es jetzt zu Ende ist. Es war irgendwann nur noch unwürdig. Es ist klar, dass man in einer Dreier-Koalition nicht bei allen Themen einer Meinung sein kann und, dass es auch mal Streit gibt, damit bin ich d'accord. Aber zuletzt wirkten die Beteiligten wie trotzige Kinder, die sich gegenseitig die Schuld zu schieben.“
Für ihn müssten die Neuwahlen definitiv noch vor März 2025 kommen. Er habe im September bereits mit den Vorbereitungen begonnen, damit er für diesen Wahlkampf noch besser aufgestellt ist. Denn treibt ihn die Sorge um, wohin sich unser Land in den nächsten Jahren bewegen wird. „Ich höre immer wieder von Menschen, dass sie so unzufrieden sind, dass sie die AfD wählen. Diese Menschen kriegen wir nicht mehr durchs Reden zurück, sondern nur durchs Handeln“, so Bußmann. „Ich will wieder eine Mehrheitspolitik machen, die die Menschen anspricht, die unser Land am Laufen halten.“
Wie es nun nach dem Ampel-Bruch mit der Regierung weitergeht werden die nächsten Wochen zeigen.