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Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Mortalität und Letalität

Begrifflichkeiten 6 – Tot oder coronatot

Weiter geht es mit unseren Kolumnen von Dr. Gerd Dunkhase von Hinkelde, der uns die unterschiedlichsten Begrifflichkeiten erklärt, die im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie immer wieder auftauchen. Was auf den ersten Blick relativ simpel erscheinen mag, nämlich die Tödlichkeit einer Erkrankung zu erfassen, ist in Wirklichkeit ein ziemlich verwirrendes Unterfangen in der Epidemiologie.

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Mortalität

Der Begriff leitet sich vom lateinischen „mortalitas“ ab und bedeutet „Sterblichkeit". Sie stellt die Todesfälle in Bezug auf eine definierte Population dar. Man meint dann entweder die gesamte Bevölkerung oder eine definierte Untergruppe, etwa alle Einwohner in NRW, oft auch pro 1.000 Einwohner. Gleichbedeutend mit der Mortalität sind die Begriffe Todesrate oder Sterblichkeit. Am Ende dieses Jahres wird uns diese Zahl sagen, wie viel Prozent aller Deutschen an Covid-19 gestorben sind. Sie ist damit ein Begriff der allgemeinen Todes-Ursachen-Statistik. Normalerweise sterben in Deutschland insgesamt pro Jahr etwa 1 Millionen Menschen, pro Monat 83.000 und pro Tag 2.700. Am Ende des Jahres wird uns die sogenannte Übersterblichkeit - sie weist aus, wie viele Personen mehr sterben als zu erwarten war - eine Antwort über die Opfer der Pandemie bis dahin geben. Würde die Zahl der monatlichen Opfer bei 1.500 verharren, hätten wir eine Steigerung der Gesamt-Mortalität um 15.000, entsprechend 1,5 Prozent. Für die einen ist das viel. Andere sagen, man solle sich angesichts dieser geringen Quote doch „nicht ins Hemd machen“.

Laut einer englischen Studie soll das Coronavirus je nach Gegenmaßnahmen - oder ihrem Ausbleiben - weltweit zwischen 1,3 und 40 Millionen Menschen dahinraffen. Demnach müssten dieses Jahr nicht nur 60 Millionen Menschen sterben, sondern 61,3 bis 100 Millionen. Soweit ist die Geschichte noch einigermaßen verständlich.

Letalität

Von der Mortalität zu unterscheiden ist die Letalität (von lat. letalis ‚tödlich‘) und hier wird es kompliziert: Der Begriff stellt die Todesfälle in Bezug auf die Anzahl aller Erkrankten beziehungsweise Infizierten dar. Die Letalität beschreibt also die „Tödlichkeit“ einer Erkrankung beziehungsweise Infektion. In der Regel wird dabei kein Unterschied zwischen den Altersgruppen gemacht. Bei vielen Erkrankungen ist das sinnvoll, wenn wie beim Ebolafieber eine dramatische Erkrankung mit einer Letalität bis zu 90 Prozent vorliegt und die Tödlichkeit sich nicht auf eine bestimmte Altersgruppe beschränkt.

Um die Letalität von Covid-19 aber ermitteln zu können, muss man die richtige Bezugsgröße haben. Reden wir über die Gesamtzahl der Infizierten? Oder meinen wir nur die durch einen Test identifizierten, die Viren ausscheiden? Oder berücksichtigen wir nur diejenigen, die Krankheitssymptome hatten? In der öffentlichen Berichterstattung, ganz besonders auch in Talk-Shows wie bei Markus Lanz, geht das häufig wild durcheinander und keiner weiß mehr, worüber eigentlich geredet wird...

Die richtige Bezugsgröße wäre eigentlich die Gesamtzahl der Infizierten. Weil man aber nicht alle Menschen jeden Tag testen kann, kennt niemand diese Zahl, kaum annähernd und schon gar nicht genau.

Aus einer gewissen Bequemlichkeit begnügt man sich oft mit dem Fall-Verstorbenen-Anteil (CFR, englisch: case fatality rate). Das ist aber nicht dasselbe: Da steht nicht die tatsächliche Zahl der Infizierten im Nenner, sondern die Zahl der als diagnostiziert gemeldeten Fälle. Je nachdem, wie flächendeckend getestet wird, gibt es exorbitante Unterschiede. Eines ist aber allen gemeinsam: Die Zahl der tatsächlich Infizierten liegt dramatisch höher: in Deutschland circa 7 mal, in Italien circa 30 mal.

Mit der inzwischen ziemlich bekannten „Heinsberg-Studie“ untersucht man nunmehr im Nachgang das Infektionsgeschehen. Man hat für diese Region 1.000 repräsentative Personen ausgewählt. Bei denen stellt man fest, wer infiziert ist (Virustest), wer infiziert war (Antikörpertest) und deshalb jetzt immun ist, wer Krankheitssymptome bemerkt hat und wer überhaupt keine Symptome hatte, wer auf der Intensivstation behandelt wurde, wer beatmet werden musste und wer gestorben ist. Die Letalität / Tödlichkeit wurde so auf einen Wert von circa 0,37 Prozent über die gesamte Population der Infizierten ermittelt. Man muss also die Zahl der Toten mit 270 multiplizieren, um eine realitätsnahe Vorstellung von der Zahl der tatsächlich Infizierten zu bekommen.

Es wird noch einiges mehr untersucht, was im Zusammenhang mit der Letalität von Covid-19 wichtig ist. So ist das altersabhängige Risiko von höchster Bedeutung. Ab welchem Alter steigt die Letalität in welchem Maße an? Man schätzt derzeit (sehr grob), dass die Wahrscheinlichkeit für eine Person über 80 Jahre, an Covid-19 zu sterben, mehr als 70-Mal höher ist als für eine Person zwischen 20 und 30 Jahren. Was aber ist mit denen zwischen 31 und 79 Jahren? Welche Vorerkrankungen stellen ein höheres Risiko dar und welche sind weniger problematisch, wieso sterben – sehr selten – auch junge Menschen?

In Zeiten von Corona könnte die wahre Zahl der Covid-19-Opfer auch niedriger sein als die offizielle. Denn wie einige andere Länder auch erfasst Deutschland generell infizierte Personen als „Covid-Tote“ unabhängig davon, ob sie direkt an den Folgen der Viruserkrankung oder mit dem Virus, also eigentlich an einer anderen Todesursache, verstorben sind. Oder ob das Virus eine wesentliche oder unerhebliche Teilursache bei einem Herzinfarkt oder einer Hirnblutung war.

Hier sind also noch ganz wesentliche differenzierende Studien erforderlich und es werden sich noch Generationen von Doktoranden an dieser Frage abarbeiten.

Freitag, 17. April 2020 | Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey