Eine Hommage von Eckard Koltermann
„Buuum-Buuum, so muss eine Bassdrum klingen“
Der Wanne-Eickeler Schlagzeuger Achim Krämer bekommt den WDR-Jazzpreis 2022 in der Sparte Improvisation verliehen.
Auf der Geburtstagsparty unseres gemeinsamen Freundes Jürgen Grislawski im Oktober verriet mir mein musikalischer Weggefährte Achim Krämer mit hochrotem Kopf und wilder Gestik, dass er morgens einen Anruf von der WDR-Jazzredaktion bekommen hatte. Eine junge Redakteurin wollte mit ihm einen Termin vereinbaren, um eine Radiosendung über ihn und seine Musik zu machen.
Achims Frage: „Warum denn über mich?“
Redakteurin: „Ach, Entschuldigung, wissen Sie das noch gar nicht?“
Achim: „Was denn?“
Redakteurin: „Sie bekommen im Februar 2022 den WDR-Jazzpreis für Improvisation.“
Achim Krämer, obwohl 1955 in Solingen geboren, ist ein Kind dieser Stadt mit dem lustigen Doppelnamen, welcher in der Regel jedem hiesigen Künstler, der ehrlich seinen aktuellen Wohnort angibt, die Karriere versaut oder zumindest nicht leicht macht. Dabei können nur wenige, auch sehr viel grössere Städte im Ruhrpott eine derart hohe Musikerdichte im Jazz-und Rockbereich nachweisen. Und doch gibt es keinen Wanne-Eickeler Musiker, der von sich behaupten kann im Alter von 12 (in Worten zwölf) Jahren Berufsmusiker gewesen zu sein. Sein Vater, ein erklärter Ginger Baker-Fan kaufte dem kleinen Achim in den 60er Jahren ein Ludwig-Schlagzeug, damals der Rolls-Royce unter den Perkussionsinstrumenten. Die Bassdrum war nur unwesentlich kleiner als das junge Genie.
In der harten Schule der 'jazzwanne', unter dem Pianisten Heinz Oelmann lernte der heranwachsende Eleve bei Konzerten, dass die Nacht lang sein kann und der Morgen viel zu früh kommt, aber Kinderarbeit wurde damals noch milder bewertet.
Seine Begegnung mit dem Bochumer Jazzmusiker Georg Gräwe führte über den Umweg einiger Rockbands direkt in die freie, irrtümlich als Free Jazz bezeichnete europäische Improvisationsmusik. Hierzulande immer noch missverstanden, gilt sie an amerikanischen Universitäten inzwischen als Lehrfach. Eine der Keimzellen dieser Musik lag im Ruhrgebiet und Achim Krämer war maßgeblich daran beteiligt. Sein Weg führte ihn in weit über 30 Ensembles durch einen großen Teil dieses Planeten.
Die Anerkennung von amerikanischen Musikern wie unter anderem Danny Richmond, John Fischer und Cecil Taylor wurde ihm zuteil. Mit dem GRUBENKLANGORCHESTER nahm er zwei LPs auf und machte in der Peymann-Zeit internationale Theatertourneen mit Bertolt-Brecht Stücken. Er spielte auf fast allen wichtigen Jazzfestivals in Deutschland und Europa, unter anderem mit dem Trompeter Reiner Winterschladen und dem Bassisten Dieter Manderscheid. Aber das ist nur ein kleiner Teil seines Werdegangs. Achim ist ein Mensch, der sein ganzes Leben in der Musik war und ist.
Ich kenne ihn jetzt fast 50 Jahre und kann mich an Momente erinnern, als wir uns Symphonien von Shostakovich anhörten und er fehlerfrei die Bassstimme mitsingen konnte.
Sein melodisches Gedächtnis ist außergewöhnlich. Er ist der schlechteste Notenleser, der mir je begegnet ist, aber er braucht keine Noten. Spielt man ihm etwas vor, kann er es nach 30 Jahren noch auswendig. Keine Fensterbank, kein Holztisch, kein Kochtopf ist vor ihm sicher, denn er muss darauf die komplexesten Rhythmen trommeln.
Der Einzige, der sich wundert, dass er den WDR-Jazzpreis bekommen hat, ist er selbst.
Herzlichen Glückwunsch, lieber Achim.