Die Tradition des Martins-Gans-Essens
Das schöne Federvieh
Die längste Zeit ging es ihnen gut und sie watschelten gut gelaunt und laut schnatternd auf so manch einer Wiese daher. Doch um den 11. November geht es ihnen an den Kragen oder besser gesagt an die Gurgel. Für die schönen weißen Gänse ist die Zeit vor Weihnachten eine gefährliche, sie landen – knusprig gebraten, gerne mit Rotkohl und Klößen – auf vielen Esstischen. Warum genau zu dieser Zeit? Dazu gibt es mehrere Legenden.
Legende 1
Die erste Legende geht auf den Heiligen Martin, den späteren Bischof von Tours, zurück. In seiner Soldatenzeit teilte er seinen warmen Umhang mit einem Bettler. Später sollte er auf Wunsch der Einwohner von Tours zum Bischof ernannt werden, da er fürsorglich und hilfsbereit allen Einwohnern gegenüber war.
Da er sich aber nicht würdig genug für dieses Amt fand, versteckte er sich in einem Stall voller Gänse. Die allerdings schnatterten ob des Eindringlings lauthals, verrieten Martin und er musste das Amt annehmen. Als Dank dafür guckten sie in die (Brat-) Röhre.
Legende 2
Eine andere Begebenheit besagt, dass Martin, als er bereits Bischof war und eine Predigt halten wollte, während der Messe eine laut schnatternde Gans in die Kirche gewatschelt kam. Das arme Tier wurde eingefangen und später gemeinschaftlich bei einem Festessen verspeist.
Legende 3
Historiker halten diese 3. Variante für die glaubwürdigste: Der Martinstag war schon immer ein besonderer Tag im Bauernjahr – es endete das Wirtschaftsjahr. So wurden im Mittelalter die Löhne ausgegeben und Steuern eingezogen. Traditionell war der Martinstag der Stichtag für diese Zahlungen: ein Tag an dem die Entrichtung des Zehnten fällig war. Zu dieser Zeit wurden Zahlungen oftmals mit Naturalien beglichen, so auch mit Gänsen.
Landpachtverträge beziehen sich bis heute noch häufig auf Martini als Anfangs- und Endtermin, da der Zeitpunkt dem Anfang und Ende der natürlichen Bewirtschaftungsperiode entspricht. Der Martinstag wurde deshalb auch Zinsstag genannt.
Legende 4
Legende 4 hält es eher mit der Fastenzeit, die in den christlichen Gegenden nach dem 11. November begann. Bis an Weihnachten galt die strenge Fastenzeit. Die Menschen nutzten daher diesen Tag, um noch einmal zu schlemmen und sich an den Speisen gütlich zu tun.
Ein Heiliger ohne Heiligsprechung
Der Bischof von Tours wurde, nachdem er am 8. November starb, am 11. November 402 n.Chr. beigesetzt – dem heutigen Martinstag. In der Tradition der katholischen Kirche ist er einer der bekanntesten Heiligen, obwohl er nie heiliggesprochen wurde.