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Der gar nicht so kleine Vampir (Christian Zell) unterm Bett wird von Anton (Chris Carsten Rohmann) und seiner Mutter Helga (Anne Noack) zunächst gar nicht bemerkt.

Coming-of-Age-Geschichte am WLT

Der kleine Vampir

Anton Bohnsack (Chris Carsten Rohmann), der viel lieber Gruselgeschichten liest als seine Matheaufgaben für die Schule zu machen, hat wie jeden Samstagabend sturmfreie Bude. Weil seine coole alleinerziehende Mutter Helga (Anne Noack) im roten Fummel bella figura machend erst ins Kino und dann in die Disco geht. Um häufig genug den Fernseher auszuschalten, vor dem ihr Sohn eingeschlafen ist, wenn sie wieder nach Hause kommt.

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An diesem Abend, Anton hat das Matheheft mit der Bettlektüre „Draculas Rache“ vertauscht, hört er merkwürdige Geräusche, die ihn ins Wohnzimmer locken. Wo er sie aber nicht orten kann. Zurück in seinen vier Wänden müffelt es erheblich – aber nicht nach gammeligen Schweißfuß-Socken. Als er sich wie gewohnt rücklings aufs Bett wirft, vernimmt Anton ein lautes Stöhnen: die Matratze hat nachgegeben und dem arg blassen Wesen unter dem Gestell die Luft abgeschnürt.

Gestatten: Rüdiger von Schlotterstein (gar nicht so „klein“: Christian Zell), seit 146 Jahren als Vampir unterwegs. Nachts versteht sich, den Tag verbringt er in einem Sarg in der Familiengruft. Rüdiger und Anton verstehen sich auf Anhieb bestens. Letzterer ist hier einige Lenze älter ist als der Zehnjährige aus dem 1988 im finnischen Tampere uraufgeführten Stück nach der inzwischen 21 Bände umfassenden Reihe „Der kleine Vampir“ der in New Mexico/USA lebenden Deutschamerikanerin Angela Sommer-Bodenburg.

Rüdiger (Christian Zell) beobachtet, wie sich der der neue Friedhofswärter Geiermeier (Vincent Bermel) als Vampirjäger präsentiert – mit reichlich Knoblauch, Holzpfklöcken und Hammer unterm Mantel.

Als Rüdiger eines Abends seine – hier jüngere - Schwester Anna (Kirsten Engelmann) mitbringt, die noch Milch dem roten Saft der Blutsauger vorzieht, weshalb von ihr keine unmittelbare Gefahr ausgeht, ist es um Anton geschehen. Und er willigt sofort ein, zum Gegenbesuch in die Gruft zu kommen. Was nicht ungefährlich ist, denn mit Hans Heinz Geiermeier (Vincent Bermel) gibt es einen neuen Friedhofswärter, der sich als Vampirjäger versteht: Ausgerüstet mit Knoblauchzwiebeln, gespitzten Holzpflöcken und einem großen Hammer unterm Mantel ist der erste vampirfreie Friedhof Europas sein Ziel.

Helga Bohnsack ist natürlich nicht entgangen, dass ihr Sprössling neue Freunde gefunden hat. Anton gibt vor, mit seinem Klassenkamerad Udo (Mark Plewe) Hausaufgaben zu machen. Aber der ist nicht nur ein verfressener Kerl, sondern auch noch ein schlechter Schauspieler, der sich laufend in Widersprüche verstrickt. Anton bleibt keine andere Wahl, als das Vampirtrio als seine neuen Freunde zu outen, das von seiner toughen Mutter sogleich zum Abendessen daheim eingeladen wird…

„Der kleine Vampir“ von Angela Sommer-Bodenburg und Ko-Autor Wolf-Dietrich Sprenger, der Schauspieler, Autor und Regisseur hat auch schon in Bochum inszeniert, ist seit der Deutschen Erstaufführung 1989 im Kölner Theater „Der Keller“ vielfach nachgespielt (und mehrfach verfilmt) worden. Die rund einstündige, ausgesprochen familientaugliche Castrop-Rauxeler Version von Regisseur Kristoffer Keudel und Dramaturgin Sabrina Klose für alle ab sechs Jahren ist eine heutige Coming-of-age-Geschichte jenseits der Gummibärchen-Phase (Antons Vater ist gestrichen, dafür ein älterer Bruder Rüdigers hinzugekommen) unter gleichaltrigen Jugendlichen. In der es um Selbstfindung, Identität und Emanzipation geht, nachvollziehbar durchaus auch von den ganz kleinen Besuchern.

Regisseur Kristoffer Keudel: „Es ist eine wunderbare Freundschaftsgeschichte, die über die verschiedenen Welten hinweg funktioniert. Das Motto für das Stück könnte ‚In Vielfalt vereint‘ lauten. Rüdiger ist ebenso am menschlichen Leben interessiert wie Anton an der Fantasiewelt. Es zeigt, wie toll und spannend es ist, andere Welten kennenzulernen. Die Geschichte ist ein Zeichen für Toleranz und gegen Gewalt.“

Vier Spielorte, von denen immer zwei gleichzeitig auf der Bühne zu sehen sind, waren eine Herausforderung für die gebürtige Münchner Ausstatterin Aylin Kaip, die ein sehr gelungenes WLT-Debüt gegeben hat: Mit wenigen Handgriffen verwandelt sich die taubenblau möblierte Wohnung der Bohnsacks in den nachts in fahles Licht gehüllten Friedhof oder die in Maßen gruselige rot-schwarze Gruft der Schlottersteins. Von einer rockigen Mucke angeregt überbrücken die Kinder die kleinen Umbaupausen mit rhythmischem Klatschen.

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Die nächsten Vorstellungen in unserer Region: Am 20. Dezember 2022 in der Castrop-Rauxeler Stadthalle, am 17. Januar 2023 im Wittener Saalbau sowie am 19. März 2023 im Theater Marl. Näheres unter westfaelisches-landestheater.de.

Dienstag, 20. Dezember 2022 | Quelle: Pitt Herrmann