Christian Weymayrs Polit-Satire im Kleinen Theater Herne
Der letzte Tag des Ronald Crump
Ronald Crump (der „Pudel“ sitzt wie angegossen: Christian Weymayr) lehnt sich entspannt zurück am Schreibtisch des Oval Office im Westflügel des Weißen Hauses in Washington. Mit dem Rücken zum Publikum lässt er auf der Videowand noch einmal Szenen aus seiner jüngsten Vergangenheit Revue passieren: Wahlkampfauftakt vor dem Herner Rathaus (Video: Max Boinski, Jens Pelny), Canvassing mit Stars & Stripes-Fähnchen in der Fußgängerzone Bahnhofstraße, aber auch Golf spielen zur Entspannung von dem ganzen Ego-Trip-Stress.
Er sieht sich vom Sessel aus selbst zu, zur Selbstvergewisserung an einem bedeutsamen Datum: 20. Januar 2021. „Die Fahne der Freiheit“, so lässt sich der Noch-Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vernehmen, weht aus seiner Sicht ein letztes Mal. Denn „der schläfrige Joe, der mir die Wahl gestohlen hat“, wird gerade als sein Nachfolger vereidigt. Klar, dass er diesem Schauspiel nicht beiwohnen kann.
„Demokratie ist was für Schwächlinge“
Ronald Crump fühlt sich betrogen, von den korrupten Richtern, welche die Briefwahl nicht verbieten wollten. Vor allem aber von Verrätern und Idioten in der Regierung, zu denen er ausdrücklich auch seine engsten Mitarbeiter zählt. Sodass er den mexikanischen Putzmann Fernando, der sich flugs als republikanischer Texaner ausgibt, zum neuen Stabschef ernennt und ihm seinen Laptop voller Staatsgeheimnisse anvertraut.
„Was soll die ganze Demokratie-Scheiße, wenn ich nicht gewinne?“: Ronald Crump muss sich nun ganz auf ein Vorhaben konzentrieren, dass ihn nicht nur in den Augen der guten Patrioten, die auch jetzt zu ihm halten und für ihn das Kapitol, den Sitz des US-Kongresses, gestürmt haben, rehabilitieren: Eine Rede, nein: die beste Rede ever über sich und seine Erfolge.
Geheimpfeifen des FBI
Doch er wird immer wieder gestört. Von seiner Tochter Iwanka, die sich über seine frauenfeindlichen Sprüche aufregt. Von einer Journalistin, die ihn mit eigener Themensetzung interviewen will. Vom ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudy Giuliani, seinem einzig noch verbliebenen Rechtsbeistand. Von seinem Schwiegersohn Jared Kushner, für den er jemanden im letzten Augenblick seiner Amtszeit begnadigen soll. Schließlich von zwei „Geheimpfeifen“ des FBI, die ihn aus dem Oval Office führen sollen. Das reinste Irrenhaus!...
Christian Weymayr, Herner Wissenschaftsjournalist, Schauspieler und Hausautor am Kleinen Theater Herne, greift in seiner neuen, am 2. Dezember 2023 uraufgeführten Politikkomödie „Der letzte Tag des Ronald Crump“ die zumindest für mitteleuropäische Verhältnisse noch unvorstellbare Vermengung von Realität und Fiktion und ihre massenweise Verbreitung in Form von Fake-News in den sogenannten Sozialen Medien auf. Was jeden Autor vor das Problem stellt, dass Real-Satire der Art Donald Trumps auf der Theater-Bühne nur schwer zu toppen ist.
Oval Office oder psychiatrischen Anstalt?
In seinem nach der 2017 vom Theater Fidele Horst im Wanner Mondpalast herausgebrachten Mediensatire „Unter Geiern und Kollegen“ zweiten politischen Stück geht der gebürtige Regensburger Weymayr Fragen wie diesen nach: Was hat Trump wirklich gesagt, was ist angedichtet? Sind wir im Oval Office oder in einer psychiatrischen Anstalt? In der der mächtigste Politiker der Welt an seinem letzten Tag im Amt mit Lego-Steinen spielt. Ist das wirklich Donald Trump auf der Bühne, der hier Ronald Crump heißt? Und von seiner aus Slowenien stammenden Gattin Melania „kleines Rotznäschen“ genannt wird, als sie ihm seine Medikamente bringt.
„Der letzte Tag des Ronald Crump“ ist eine über knapp zwei Stunden amüsant-absurde Farce über Wahn und Wirklichkeit eines Mannes, der ernsthafte Chancen hat, erneut ins Weiße Haus einzuziehen. Christian Weymayr, der seit 2011 dem Ensemble des Kleinen Theaters angehört, hat dessen Repertoire nunmehr mit sechs Stücken unterschiedlichster Genres bereichert, genannt seien etwa „Camping Loch Ness“, „Lügen, Sex und Sahnetörtchen“, „Graf Moorlochs Spiegel“ sowie, unter dem Pseudonym Freddy Sinclair, „Täglich klopft der Sensenmann“ (wieder am 7. Januar 2024 und 16. Februar 2024).
Eine solch‘ rabenschwarze Polit-Satire aber ist Neuland auch für das Ensemble, neben dem Autor in der Titelrolle wissen Anke Uzoma, Andreas Orlowski, Benno Janßen, Celine Göder, Claudia Hennig und Josef Koll zu überzeugen. Das naturgemäß dialoglastige Stück wird in der neuen Multimedia-Ausstattung von Bernd Averbeck, Christine Boinski und Markus Stehmann (Technik: Bernd Averbeck und Christoph Drasser) um Video-Einspieler und Live-Cam-Interaktionen ergänzt, aber auch, etwa beim Sturm aufs Kapitol, um historische Dokumentaraufnahmen („Das waren meine Leute“). Witzig der Werbespot in eigener KTH-Sache zwischendrin, lecker der „Crumptail“ an der Foyer-Bar: Whiskey-Cola.
Die nächsten Vorstellungen
- Freitag, 15. Dezember 2023, 20 Uhr
- Donnerstag, 28. Dezember 2023, 20 Uhr
- Freitag, 5. Januar 2024, 20 Uhr
- Samstag, 10. Februar 2024, 20 Uhr
- Sonntag, 11. Februar 2024, 18 Uhr
- Freitag, 23. Februar 2024, 20 Uhr
Karten
Karten gibt es im Internet hier theaterherne.de, an der Theaterkasse in der Neustraße 67 (Mi/Fr 17:30 – 19 Uhr) oder per Tel hier 02323 – 91 11 91.
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- Freitag, 15. Dezember 2023, um 20 Uhr
- Donnerstag, 28. Dezember 2023, um 20 Uhr
- Freitag, 5. Januar 2024, um 20 Uhr
- Mittwoch, 10. Januar 2024, um 20 Uhr
- Sonntag, 11. Februar 2024, um 18 Uhr
- Freitag, 23. Februar 2024, um 20 Uhr