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Durch die Corona-Pandemie ist die ganze -Veranstaltungsbranche so gut wie lahmgelegt.

Personen der Veranstaltungsbranche äußern sich

'Der Rock 'n' Roll fehlt einfach'

Kaum eine Branche wurde so hart von der Corona-Pandemie getroffen, wie die Veranstaltungsbranche. Seit 2020 liegt ein ganzer Wirtschaftszweig fast permanent auf Eis. Viele Unternehmer bangen um ihre Existenzen, da ihnen quasi über Nacht die Arbeitsgrundlage entzogen wurde. Im halloherne-Gespräch erläutern verschiedene Akteure der Herner-Szene, wie sie die Corona-Zeit erleben und welche Auswirkungen die Situation für sie persönlich hat.

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„Es ist schon schade, wenn man sein ganzes Equipment im Lager stehen hat, ohne es benutzen zu können", so Marc Gollan von Veranstaltungstechnik Gollan & Leichsenring an der Schulstraße. „In den letzten zwei Jahren konnten wir nicht viel reißen. Man hat versucht, überall mitzumachen, wo man konnte."

Das Equipment von Gollan und Leichsenring kommt momentan nicht zum Einsatz.

Streaming als Alternative

So riefen er und verschiedene Unternehmen sowie Personen aus der Herner Eventbranche Anfang 2021 das Streaming-Projekt 'Tunelezz and Friends' ins Leben. Mit ihren kostenlosen Streams wollten sie den Menschen in dieser tristen Zeit dennoch etwas Freude schenken und anderen etwas Gutes tun (halloherne berichtete mehrmals).

„Es war unheimlich schön und wir hatten viel Spaß daran. Jedoch haben bald immer mehr Leute Streaming angeboten. Als dann im Laufe des Jahres nach und nach die Bars und Restaurants wieder öffnen konnten, nahm das Interesse an den Streams ab. Für uns hat sich das dann einfach nicht mehr gelohnt, da wir es ja nicht kommerziell gemacht haben", berichtet Gollan. „Es ist ja auch verständlich, dass sich die Leute lieber wieder real getroffen haben, ging uns ja nicht anders."

So habe es dann im August 2021 für die Firma mit den sinkenden Inzidenzen einen kleinen Lichtblick gegeben. „Da hatten wir schon wieder Hoffnung. Es wurden sogar Silvesterpartys geplant, aber dann kam alles anders", so der 33-Jährige.

Party in Clubs und Diskos in Corona-Zeiten: Kaum erlaubt und wann es wieder möglich ist, steht in den Sternen.

Der Branche fehlt die Lobby

Er macht sich Gedanken, wie es für die Branche weitergehen wird: „Es hängen einfach so viele menschliche Existenzen und individuelle Schicksale dran. Es hat sich herauskristallisiert, dass der Branche ganz deutlich eine Lobby fehlt, damit auf politischer Ebene mehr passiert."

Auch zu den Hilfsgeldern für die Branche hat Gollan eine Meinung: „Die Hilfen sind gut und wichtig. Jedoch glaube ich, dass es für Menschen mit Familien ziemlich hart ist, davon leben zu müssen." So hat die Situation auch für seinen Betrieb mit den fünf Beschäftigten Auswirkungen.

„Unsere Beschäftigten waren zum großen Teil Aushilfen und haben auf Zuruf gearbeitet. Momentan gibt es keine Arbeit und wir können sie somit nicht einsetzen. Es ist ein mieses Gefühl, wenn man gezwungen ist, nichts zu tun und dabei noch Verantwortung für Mitarbeiter hat", sagt der Inhaber von Veranstaltungstechnik Gollan & Leichsenring.

Gollan selbst habe noch Hoffnung, dass es irgendwann wieder bergauf für die Branche gehen wird. „Ich kann verstehen, dass einige Kollegen keinen Bock mehr haben. Momentan können selbst Hochzeiten und kleine Veranstaltungen kaum bis gar nicht stattfinden. Dennoch habe ich die Hoffnung nicht aufgegeben, dass wir irgendwann wieder ein normales Leben haben werden", so Gollan weiter.

'Momentan ist nicht viel möglich'

Mike Grzejdziak aka DJ Tunelezz ist doppelt von der Pandemie betroffen. Zum einen arbeitet er als Fachkraft für Veranstaltungstechnik, zum anderen als DJ. „Es ist momentan sehr ruhig und es passiert nicht viel", berichtet Grzejdziak im Gespräch mit halloherne. Die Clubs mussten wieder schließen oder hätten erst gar nicht wieder aufgemacht.

Mike Grzejdziak legt als DJ Tunelezz auf.

Weiter führt er aus: „Als DJ selbst etwas auf die Beine stellen, lohnt sich zurzeit gar nicht. Zu Beginn der Pandemie habe ich viele Angebote zu Streamings geschickt bekommen. Außerdem haben wir ja mit 'Tunelezz an Friends' selbst ein Streaming-Projekt gestartet, was wirklich gut lief. Wir konnten mit den Streams viele gemeinnützige Organisationen in Herne unterstützen und den Menschen eine gute Zeit beim Zusehen bereiten."

Während der Lockerungen Mitte 2021 hätten viele DJ-Kollegen auf Hochzeiten aufgelegt. „Das ist nicht so mein Ding, aber wenn Anfragen kamen, habe ich sie immer gerne an Kollegen weitervermittelt", so Mike Grzejdziak.

Mit Prognosen für die Zukunft der Branche ist Grzejdziak zurückhaltend: „Ich habe so oft gedacht: Jetzt muss es doch langsam wieder losgehen und es kam anders. Also werde ich abwarten, wie sich die Dinge entwickeln und möchte keine Einschätzung abgeben, wann es wieder losgehen kann."

'22 Monate haben wir schon ein Betriebsverbot'

Hendrik Büchten, Marketingleiter des Prater im Bochum, klagt im halloherne-Gespräch über die Situation der Disko in der Nachbarstadt: „Seit 22 Monaten haben wir zum Schutz der Bevölkerung ein Betriebsverbot auferlegt bekommen. So lange ist unser Club nun schon geschlossen."

Hendrik Büchten, Marketingleiter des Prater Bochum.

Am 9. September 2021 hätte der Prater aufgrund der sinkenden Inzidenzen und Lockerungen wieder aufmachen können. Doch die Verantwortlichen entschieden sich dagegen.

„Natürlich hätten wir aufmachen können. Wir haben Konzepte für 2G und 2G-Plus. Aber wir hatten die Sorge, dass die Öffnung nur aufgrund der anstehenden Bundestagswahl genehmigt wurde. Nach der Wahl und möglichen Sondierungs- beziehungsweise Koalitionsgesprächen, hätte dann vielleicht der Club wieder dicht sein müssen", so Büchten. „Und wir sollten recht behalten. Die Clubs waren genau acht Wochen auf und mussten dann wieder schließen."

'Ökologisch und nachhaltig nicht klug'

Für den Prater hätte sich eine so kurze Öffnung nicht gelohnt. „Wir hätten 70 bis 100 Leute rekrutieren und einarbeiten müssen. Nach der erneuten Schließung hätten wir dann die neu gewonnenen Mitarbeiter wieder entlassen müssen. Außerdem wäre es ökologisch und nachhaltig auch nicht klug gewesen. Wir hätten wieder verderbliche Lebensmittel, wie zur Zeit des ersten Lockdowns, vernichten müssen", so der Prater-Marketingleiter.

Ihm ist es außerdem wichtig zu betonen, wie viele Existenzen an so einem Club hängen: „Wir beschäftigen auch viele Teilzeitkräfte und Studenten. Man darf nicht vergessen, wenn wir von Existenzen sprechen, dass so ein Job für einen Studenten genauso wichtig ist, wie für einen Familienvater, der in Vollzeit arbeitet. Beide verdienen sich so ihren Lebensunterhalt.“

Weiter führt er aus: „Außerdem betreffen die Schließungen nicht nur unsere direkten Mitarbeiter. Es hängt viel mehr dran. Beispielsweise Getränkezulieferer, Lkw-Fahrer, die uns beliefern, oder Security-Kräfte. Es ist ein Rattenschwanz und betrifft passiv sehr viel mehr Menschen."

'Clubs sind für junge Menschen Kulturgut'

Im Jahr 2020 sollte der Prater sein 30-jähriges Bestehen feiern. Die Party ist nun auf unbestimmte Zeit verschoben. „Natürlich hätten wir gerne gefeiert, dass wir schon so lange einen festen Stand in der Branche haben. Aber eine Party lässt sich nachholen. Was an den Nerven zerrt, ist, dass wir keine Perspektive zur Öffnung bekommen", berichtet Büchten.

Unmittelbar eines der letzten Party-Bilder des Praters Bochum vor Beginn der Pandemie.

Für ihn ist es schwer nachzuvollziehen, dass Fußballstadien oder auch kommunal geförderte Messen und Stadthallen bei Lockerungen vorne mit dabei sind, aber Inhabergeführte Diskotheken und Clubs das Nachsehen haben.

„Was viele Entscheider nicht bedenken ist, dass Clubs für junge Menschen ebenso Kulturgut sind, wie beispielsweise die Oper oder Theater für Ältere", so der Prater-Marketingleiter weiter. Er hofft, dass es bald für Inhaber von Clubs und Diskotheken eine Öffnungsperspektive gibt.

Veranstaltungen werden abgesagt, wenig ist planbar

„Das erste Pandemie-Jahr war ziemlich hart", resümiert Christian Holtkamp, Chef der Firma Holtkamp media rental. Im Jahr 2020 sei so gut wie gar nichts möglich gewesen. Mittlerweile habe sich die Firma auch mit Installationstechnik für Schulen und Firmen ein zweites Standbein aufgebaut.

„Die derzeitige Situation hat mit Veranstaltungstechnik im eigentlichen Sinne nicht mehr viel zu tun. Der Rock 'n' Roll fehlt einfach", so Holtkamp gegenüber halloherne. Derzeit seien Veranstaltungen kaum planbar.

Christian Holtkamp Geschäftsführer der HD-worx Eventproduction GmbH und Inhaber der HOLTKAMP//media rental.

So war auch zum Beispiel die Absage der Deutschland-Tour mit der Komikerin und Entertainerin Carolin Kebekus für die Firma schmerzlich. Denn eigentlich sollte die Firma HD-worx Eventproduction GmbH, die ebenfalls unter dem Dach der Firma Holtkamp existiert, die Show technisch begleiten. „Es ist sehr schade, wenn zwei oder drei Auftritte gespielt werden und dann wieder alles abgesagt werden muss", so der Inhaber der Firma Holtkamp media rental.

Mitarbeiter konnten bleiben

Seine Firma habe auch Hilfsgelder der Bundesregierung in Anspruch genommen. Froh ist Holtkamp, dass er seine sechs Mitarbeiter halten konnte. „Besonders im Bereich der Freelancer hat die Branche einige gute und qualifizierte Menschen verloren, die sich beruflich umorientieren mussten", berichtete Holtkamp.

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Holtkamp ist aber auch froh über die Unterstützung durch die Stadt Herne: „Es ist toll, dass es in der Verwaltung Leute gibt, die die Situation verstehen und uns in dieser Zeit unterstützen." In der Zukunft will er den Bereich Installation weiter ausbauen. Ferner hofft er, dass Veranstaltungen wie das KAZ Open Air oder auch das Spektakulum am Stennart im Jahr 2022 stattfinden können.

Donnerstag, 20. Januar 2022 | Autor: Julia Blesgen