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Der Debütant am Prinz-Regent-Theater, Tobias Amoriello (li.) und Maximilian „Schotty“ Strestik im dritten Bochumer „Tatortreiniger“.

Alle guten Dinge sind drei

'Der Tatortreiniger' in Bochum

Die jeweils knapp halbstündigen Geschichten um den von Bjarne Mädel verkörperten Hamburger Tatortreiniger Heiko „Schotty“ Schotte haben längst Kult-Charakter angenommen. Wer „Kunde“ der Stadtbibliothek Herne ist, kann die zwischen 2011 und 2018 vom Norddeutschen Rundfunk produzierte Comedy-Serie mit 31 Folgen in sieben Staffeln kostenlos auf filmfriend.de streamen.

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Einige Folgen haben inzwischen ihren Weg auf die Bühnen im deutschsprachigen Raum gefunden. Was sicherlich kein Zufall ist, steckt hinter dem Pseudonym der Drehbuchautorin „Mizzi Meyer“ doch die Dramatikerin Ingrid Lausund: die „Tatortreiniger“-Folgen überzeugen nicht nur durch geschliffene, wortwitzige Dialoge, sondern auch durch philosophische Tiefe noch der schrägsten Situationen und skurrilsten Gestalten an der Seite des unvergleichlichen Bjarne Mädel.

Wunsch geht in Erfüllung

Fürs das Leitungsteam des Prinz Regent Theaters Bochum, Anne Rockenfeller und Hans Dreher, ist der Wunsch eines Bühnen-Mehrteilers mit dem „Tatortreiniger“ in Erfüllung gegangen, nachdem die Aufführungsrechte verfügbar wurden: Die ersten beiden Doppel-Folgen 2021 und 2022 haben sich wie erhofft als Einstiegsdroge für Menschen mit wenig Theatererfahrung erwiesen und viel neues Publikum in den Bochumer Süden gespült.

Das dürfte beim dritten und nunmehr letzten Einsatz Maximilian Strestiks als „Schotty“ nicht anders sein: In „Auftrag aus dem Jenseits“ aus der zweiten Staffel von 2013 und „Pfirsichmelba“ aus der fünften Staffel von 2015 menschelt es erheblich. Und Strestik, der erstmals am PRT auch Regie führt, hat mit Tobias Amoriello einen kongenialen Bühnenpartner an der Seite. Der PRT-Debütant, 1993 in Wesel geboren, stand als Bochumer Theaterwissenschafts-Student schon auf der Bühne des Rottstr5-Theaters, bevor er Schauspiel in Leipzig studierte und dort Ensemblemitglied des Theaters der Jungen Welt wurde.

Auftrag aus dem Jenseits

Heiko Schotte von der Gebäudereinigung Lausen wird zu einem einsam im Wald gelegenen Haus gerufen, in dem ein wahrscheinlich obdachloser Mensch umgebracht worden ist. Was die Verkaufsverhandlungen dieses arg renovierungsbedürftigen Gebäudes nicht eben befördert hat. Weshalb der Tatortreiniger zu seiner zunächst ärgerlichen Verwunderung einen mit Wolfsmaske tanzenden Schamanen bei dessen spiritistischer Hausreinigung stört. Und auch noch das Ritual mit Erde von den Black Hills aus South Dakota verhindert. Räucherstäbchen gegen Chemie, Kommunikation mit der Anderswelt gegen herkömmlich-professionelle Vernichtung. Und dann das: Peter Piesedow ist der Name des Ermordeten. Da klingelt was bei Schotty…

Für Live-Musik im „Tatortreiniger“ sorgt Linda Bockholt, die auch zwei kleine Episodenrollen übernimmt.

Maximilian Strestiks Heiko zeigt von Anfang an Empathie für „das arme Schwein, für den sich im Leben keine Sau interessiert hat“, kann sich aber mit der These einer Trennung von Körper und Geist mit dem Tod nicht anfreunden. Um sich, vom Schamanen herausgefordert, an seine Kinder- und Jugendzeit zurückzuerinnern – und besonders an eine schmerzhafte Episode mit einem Sekundenkleber. Tobias Amoriellos gehörnter Schamane, auf Augenhöhe mit dem vergleichsweise kratzbürstigeren TV-Pendant Milan Peschel, weiß Schottys schwarzen Fleck aus der Vergangenheit mit Eloquenz und Psychologie zu nutzen…

Pfirsichmelba

Während Heiko sich am Handy mit seiner älteren Schwester, die 140 Euro für „so’n Psycho-Ding“ hingeblättert hat und nun eine Familienaufstellung wünscht, auseinandersetzt, klopft es heftig an der geschlossenen Tür zu „Alfredo’s Eiscafe Dolce Italia“: Robert Kündrich (Tobias Amoriello stellt Björn Meyers Bildschirm-„Robby“ glatt in den Schatten) lässt sich nicht von seinem sonntäglichen Eis abbringen. Und weil „Schotty“ ein Herz für den seit Jahr und Tag vergeblich auf seinen Vater wartenden Heimbewohner hat, springt er „bei akuter Pfirsich-Melba-Situation“ für den ermordeten Alfredo ein. Nach einem scheppernden Deckel-Konzert in der Kühlvitrine hat er endlich die richtige Mischung aus Eissorten, Sahne, Krokant, Himbeersauce und Waffeln ‘raus.

Um sich danach, weil es im Keller von der Decke tropft, mit der Klimaanlage zu beschäftigen. Dabei fällt die Tür zum Kühlhaus zu – und Schotty kommt ordentlich ins Schwitzen. Was nicht nur an den 37 Grad Celsius liegt, sondern an der Umständlichkeit des begriffsstutzigen „Frostmäuse“-Experten Robert, den er per Haustelefon lange vergeblich um Hilfe bittet. Schließlich rettet Lebenshilfe auch das eigene Leben!

Maximilian Strestik hat in der im ersten Teil kargen, im zweiten geradezu üppigen Ausstattung Marius Glagovseks nur Nuancen der Vorlage geändert, vor allem das Hamburger Lokalkolorit („Ochsenzoll“, „Mümmelmannsberg“) ersetzt. Am Ende gibt’s zusammen mit der Musikerin Linda Bockholt (auch als Crappy Ghost und Frau Fitz anstelle des kleinen Jungen im TV) eine kleine Session zu dritt. Unbedingt ansehen, vielleicht gibt’s nächstes Jahr alle drei Folgen als Mini-Serie live on stage.

Infos zu Vorstellungen und Tickets

Die nächsten Vorstellungen: Donnerstag, 21. Dezember 2023, um 19.30 Uhr, Samstag, 6. Januar 2024, um 19.30 Uhr. Karten unter prinzregenttheater.de oder Tel. 0234 - 77 11 17.

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  • Donnerstag, 21. Dezember 2023, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 6. Januar 2024, um 19:30 Uhr
Donnerstag, 7. Dezember 2023 | Autor: Pitt Herrmann
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