Vorschlag: Keine Anzeigen mehr, HCR gibt Auskunft über Zahlen
'Die Linke' will Schwarzfahrer schützen
Der sperrige und bürokratische Ausdruck „Erschleichen von Beförderungsleistungen“ steht im Strafgesetzbuch unter Paragraph 265a und bedeutet umgangssprachlich nichts anderes als Schwarzfahren. Wer ohne Ticket in einen Bus oder eine Bahn einsteigt und dann vom Kontrolleur erwischt wird, muss 60 Euro Strafe zahlen. Bei besonders schweren Fällen droht ein Strafverfahren, dass mit einer Geldstrafe oder einer Haftstrafe von bis zu einem Jahr enden kann. Das möchten die Linken nun ändern, indem es zu einer Ordnungswidrigkeit herabgestuft wird.
Einen entsprechenden Beschlussvorschlag hat die Fraktion der Linken auf die Tagesordnung des Ausschusses für Digitales, Infrastruktur und Mobilität (DIM) setzen lassen, der am Donnerstag, 16. Januar 2025, um 16 Uhr im Bürgersaal des Sud- und Treberhauses in Eickel tagt (halloherne berichtete).
117 Mal Strafanzeige in zwölf Monaten gestellt
In einer Anfrage von November 2024 sei bekannt geworden, dass die HCR in den zwölf Monaten zuvor in 117 Fällen Strafanzeige gestellt habe. Patrick Gawliczek begründet für die Linke Fraktion: „Das Strafverfahren führt für viele Menschen letztlich zu einer Ersatzfreiheitsstrafe, die in einer Haft endet. Eine solche Strafe wird verhängt, wenn die Geldstrafe aus einem Strafverfahren nicht bezahlt werden kann.“
Der Ablauf sei wie folgt: Menschen könnten sich aufgrund von Armut kein Ticket leisten, werden erwischt und deshalb angezeigt. Weil sie die Geldstrafe aus finanziellen Gründen nicht bezahlen könnten, landen sie am Ende im Gefängnis. Nach Ansicht der Linken seien besonders oft Erwerbslose und Wohnungslose davon betroffen.
Linke wollen den Steuerzahler entlasten
Weil durch die gescheiterte Ampel-Regierung und vorgezogene Neuwahlen eine Reform vorerst auf Eis liege, wollen die Linken in Herne selbst die Initiative ergreifen. „Wir wollen das Problem direkt vor Ort lösen. Einerseits würden wir den Steuerzahler um die Kosten unnützer Gerichtsverfahren und Ersatzfreiheitsstrafen entlasten. Andererseits könnten wir vermeiden, dass über 100 Herner, die oft bereits wirtschaftlich stark belastet sind, weiter in Schwierigkeiten gebracht werden“, erläutert Gawliczek, der sich im Wahlkreis 140 (Herne – Bochum II) als Direktkandidat für den Bundestag zur Wahl stellt (halloherne berichtete).
Andere Kommunen wie zum Beispiel Köln, Düsseldorf, Mainz, Karlsruhe, Dresden und einige weitere hätten die Reform, also weg von einer Strafanzeige hin zu einer Ordnungswidrigkeit, wie beispielsweise Falschparken, bereits umgesetzt, argumentieren die Linken. Wie sieht die HCR diesen Vorschlag?
Sprecher Dirk Rogalla wiegelt auf halloherne-Anfrage aber gleich ab und betont, dass die Stadtverwaltung und vor allem der DIM-Ausschuss die Adressaten der Beschlussvorlage wären, deshalb äußert sich die HCR zum Vorschlag nicht.
Unterschiede zwischen Mehrfachtätern und krimineller Energie
Allerdings bestätigt er die von den Linken genannte Zahl der Strafverfahren in einem Jahr. „Wir unterscheiden beim Fahren ohne gültiges Ticket zwischen Mehrfachtätern und besonders krimineller Energie, beispielsweise wenn sie mit einem gefälschten Ticket erwischt werden oder vorgeben, jemand anderes zu sein“, schildert Rogalla. Bei den Mehrfachtätern müsse eine Person schon mindestens drei Mal in zwölf Monaten erwischt werden, bevor es zu einer Anzeige kommen würde.
Gleichzeitig seien die Ticketkontrollen ein wichtiges und notwendiges Instrument - 15 Leute sind rund um die Uhr im Einsatz. „Erstens wollen wir andere Personen abschrecken, ohne Ticket zu fahren, zudem wollen wir unseren ehrlichen Fahrgästen das Signal geben, dass ein Fahren ohne gültigen Fahrschein nicht egal ist“, betont der HCR-Sprecher. Dazu komme, dass durch den Ticketverkauf die Einnahmen gesichert werden, jeder Euro der fehlt, würde der HCR weh tun.
Rund 3.000 Schwarzfahrer werden pro Jahr erwischt
In Zahlen ausgedrückt gibt Rogalla rund 3.000 Schwarzfahrer pro Jahr an, die erwischt wurden. Dann kommt aber noch die Beanstandungsquote ins Spiel. Rund ein Drittel der Schwarzfahrer, also knapp 1.000, hätten beispielsweise ihren Ausweis nicht dabei, würden im Anschluss aber ihr Ticket samt Ausweis nachzeigen. Das kostet dann nur noch fünf Euro Bearbeitungsgebühr, anstelle der ursprünglichen 60 Euro.
Überhaupt: 97 Prozent der Fahrgäste würden mit einem gültigen Ticket einen Bus betreten, dazu noch einige ihren Fahrschein dann beim Fahrer kaufen.
Gleichzeitig versichert Rogalla, dass sich die HCR ständig im Austausch mit anderen Städten sowie Verkehrsbetrieben befinden würde, um etwaige Änderungen zu prüfen. Allein: Es liegt nicht in der Hand der HCR. Als städtisches Tochterunternehmen ist sie vom Rat der Stadt sowie dessen genauen Entscheidungen abhängig. „Daher müssen wir abwarten und können nichts selbst festlegen. Insgesamt kann man aber festhalten, dass sich unsere Verfahren in verschiedenen Bereichen in den vergangenen Jahren bewährt haben“, findet Dirk Rogalla abschließend.