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Dirk Spelsberg ist tot

„Der Tod ist wie ein kleiner Orgasmus, das letzte große Abenteuer“, klingt es am Anfang seines letzten Theaterstücks Heil Underground, das im Theater am Pumpenhaus in Münster gespielt wird. Der Wanne-Eickeler Stückeschreiber und Hörspielautor Dirk Spelsberg hat das letzte große Abenteuer hinter sich gebracht. Der Stückeschreiber und Hörspielautor Spelsberg, geboren am 5.5.1954 in Altena/Westfalen, ist am 24.1.2018 in Vietnam gestorben. Die Trauerfeier ist am Freitag, 16. Februar 2018, um 13 Uhr in der Kapelle des Waldfriedhofes Lauheide in Münster-Telgte, Lauheide 13, 48291 Telgte.

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Kaum ein zeitgenössischer Autor setzte sich so konsequent wie Spelsberg mit den Widersprüchen von Macht, Machtmissbrauch, Glaube und Aberglaube auseinander. Spelsbergs Radiostücke stehen in der Nachfolge von Georg W. Pijet, dessen Mietskaserne 1931 Aufsehen erregte, und von Günter Eich, dem Nestor der Hörspielkunst der frühen Jahre der BR Deutschland. Komplexer noch als seine Vorgänger arbeitete Spelsberg mit akustischen Signalen und setzte einander überlagernde Bewusstseinsströme und Assoziationen von Haupt- und Nebenpersonen als Parallelmontage ein.

Spelsberg wuchs in Wanne-Eickel auf und ging bis 1970 zur Schule. Als Jugendlicher war er geschockt vom Albtraum der nationalsozialistischen Vergangenheit. Dieses Erschrecken schlägt sich deutlich in seinem Werk nieder, wenn es zum Beispiel bei ihm statt Nun singen sie wieder (Max Frisch 1946) heißt: Jetzt grillen sie wieder. (Forever Sport, Uraufführung Münster/Westfalen 2000).

In den siebziger Jahren arbeitete Spelsberg unter anderem als Bierkutscher und Lagerist, wurde zur Bundeswehr eingezogen und verweigerte den Militärdienst nach sechs Monaten. Seit 1978 schrieb er als freier Journalist auch für die taz. Seit 1985 verdiente er seinen Lebensunterhalt als Stückeschreiber und Hörspielautor. Zeitweise engagierte er sich als Regisseur in der freien Theaterszene.

Spelsberg gehörte derselben Generation an wie Ralf Rothmann, und dessen „magischer Realismus“ (Charlotte Harder) ist noch in Spelsbergs Theaterstücken und Hörspielen zu finden. Abgesehen von den frühen Dramen, basieren die meisten seiner Stücke auf zuvor erarbeiteten Hörspielen. In Fouche (Uraufführung Duisburg 1989), einem Kammerspiel zwischen Albtraum und Farce, das die Nachwehen der Französischen Revolution in den Jahren 1794 -1799 thematisierte, steht die raffinierte Überlebensstrategie der einstigen Revolutionäre und ihrer Kontrahenten im Mittelpunkt.

Spelsbergs Hörspiele leben von einem begnadeten Voyeurismus. Immer ist da eine sonore Stimme im Hintergrund, die beobachtet und das oft mörderische Geschehen kommentiert und reflektiert. Von Sexomanie, Nekrophilie und der Gier nach Leben sind manche seiner Helden besessen. Spelsberg stellte deutlich heraus, wie Menschen in einem kleinbürgerlichen, frustrierenden Milieu zu Psychopathen und Mördern werden („Bonte“, Südwestrundfunk SWR 2002, Hörspiel des Monats, Mai 2002).

Die Metapher des Kanal- oder Röhrensystems (Frank Kaspar) stellt – nicht nur in diesem Hörspiel – den Hades, die Unterwelt dar, die Kloaken unter Biederkeit und dem Schein der Bürgerlichkeit beziehungsweise der Perfektion des (klein-)städtischen Systems. In Gottes Wege (SWR 2009), einem Kriminalhörspiel mit wechselnden Schauplätzen (Paris, London, Antalya), steht der Begriff der Familienehre im Zentrum: Ein junger Türke rächt sich an einem Immobilienmakler, verfolgt ihn und versucht ihn zu ermorden.

Janet (SWR 2009) hingegen greift den Mordfall wieder auf, den Bonte in den 1980er Jahren untersuchte, und löst mit den Mitteln der Psychoanalyse das Rätsel um einen über zwei Jahrzehnte zuvor zu Unrecht angeklagten Mörder. Kriminalkommissar Bonte ist Patient in der Psychiatrie, und seine Kollegin Janet, selbst seelisch schwer beschädigt, lässt ihn sich erinnern – in einem Strom aneinander gereihter Hörszenen aus der Jugend des Beamten in den 1960er Jahren. Nur vordergründig geht es um den Kriminalfall. Auf den Prüfstand gestellt werden die Strukturen des Verdrängens und Verschweigens der deutschen Vergangenheit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Das gesprochene Wort, das Schreien und Stöhnen der Sprecher korrespondiert – generell in Spelsbergs Hörspielen – mit den akustischen Einsatzmitteln, seien es Einblendungen von Instrumentalmusik und Gesang oder Geräusche der hoch technisierten Umwelt. Spelsbergs Hörspiele und Dramen sind in der Absicht verfasst, aufzurütteln und zu provozieren.

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Dirk Spelsberg verfasste seit 1985 viele Theaterstücke (zum Beispiel Herz der Freiheit) und eine unglaubliche Anzahl von Hörspielen, die in seinem Haussender dem Südwestrundfunk (SWR) ausgestrahlt wurden.

Dienstag, 6. Februar 2018 | Autor: Norbert Kozicki