Oberbürgermeister blickt auf 2024 zurück und auf 2025 voraus
Dudda: 'Ich weiß, wie Herne durch die Krise kommt'
Kaum eine Person ist in Herne so präsent wie der Oberbürgermeister Dr. Frank Dudda. Der Verwaltungschef nimmt viele öffentliche Termine und Pressekonferenzen wahr, lässt sich auf vielen Events blicken, diskutiert und verhandelt aber auch in geschlossenen Räumen mit bekannten oder (noch) unbekannten Investoren. Wie lief das Jahr 2024 für den 61-Jährigen persönlich, wie nimmt er das aktuelle Geschehen wahr und wie soll es 2025 weitergehen? Auf diese und weiteren Fragen von halloherne-Redakteur Marcel Gruteser antwortet er in unserem Interview zum Jahresausklang.
halloherne: Herr Dudda, welche Schulnote würden Sie dem vergangenen Jahr 2024 geben?
Frank Dudda: Befriedigend. Wir befinden uns in Herne - wie übrigens das ganze Land - in einer starken Wirtschaftskrise, dafür halten wir uns aber gut und wesentlich besser als in vergangenen Krisenzeiten.
Wodurch macht sich das bemerkbar?
Wir bauen sogar noch Arbeitsplätze auf. Als Beispiele: Das Logistikunternehmen Dachser hat eine große Erweiterung gefeiert und das Warenverteilzentrum von Lidl hat eine Dimension, die jetzt schon mehrere hundert Arbeitsplätze in Aussicht stellt. Wir haben unsere Stellung als Gesundheitsstandort mit zwei überregional bekannten Zahnkliniken, Denta1 und Haranni Dental Zentrum, weiter ausgebaut. Da kann man nur sagen: Das ist ein Erfolg. Auf der anderen Seite der Krise ist aber die gestiegene Zahl an Arbeitslosen zu verzeichnen (halloherne berichtete).
Welche Anstrengungen werden unternommen, um die Arbeitslosigkeit zu verringern?
Im Jahr 2025 stehen einige richtungsweisende Entscheidungen an. Wir haben die Baugenehmigung für das Mömax-Möbelhaus neben der A43 erteilt, ebenso für Prologis, die auf dem ehemaligen Suez-Gelände eine Logistik-Immobilie entwickeln wollen. Wir gehen aber auch von einer Fertigstellung des zweiten Bauabschnittes des Lidl-Verteilzentrums aus, gleiches gilt für die Erweiterung des Bio-Anbieters Dennree. Zudem haben wir Baurecht an der Hunbergstraße in Sodingen geschaffen, dort könnte die Vermarktung starten, genauso wie auf dem ehemaligen Gelände von Herner Glas im selben Stadtbezirk.
Das sind ja einige Projekte, die in der Stadt angestoßen wurden und werden. Wie wirkt sich das Ihrer Meinung nach auf die Stimmung in der Stadt aus? Wird das von den Bürgern wahrgenommen?
Das ist immer unterschiedlich. Mir wird auf der einen Seite widergespiegelt, dass es in Herne, anders als in anderen Städten, in der Wirtschaftskrise nicht zu einem Stillstand gekommen ist und hier weitere Entwicklung stattfindet. Beispielsweise am Funkenbergquartier sieht man täglich den Fortschritt. Vielen Bürgerinnen und Bürgern dürfte noch gar nicht klar sein, dass dort ein hochwertiges, architektonisches Ensemble entstehen wird. Studierende und hochqualifizierte Mitarbeitende werden, sowohl an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV), als auch am Transformationszentrum für Georessourcen und Ökologie (TGÖ), in rund zwei Jahren ihren Dienst aufnehmen. Auf der anderen Seite ist aber auch richtig: Viele sind aufgrund von eigenen, persönlichen Schwierigkeiten ein wenig in sich gekehrt. Ich glaube, dass das leider noch anhalten wird. Da ist eine große Unsicherheit bei den Menschen zu spüren. Angesichts der Weltlage gibt es viele Fragestellungen. Ich glaube aber, dass die großen Konflikte, die wir derzeit in der Ukraine, in Syrien und in Israel sehen, im Jahr 2025 wahrscheinlich eine neue, womöglich bessere Phase erleben.
Sie haben grade schon das Funkenbergquartier angesprochen, dazu kommen noch die Großprojekte Blumenthal und die Seilbahn. Was ist für Sie da das Wichtigste?
Nur durch die Realisierung aller drei Projekte schafft Herne den Sprung zu einer modernen, europäischen Großstadt. Wir können als Kommune aber, aufgrund der schwierigen finanziellen Lage, nur dauerhaft funktionieren, wenn wir die Wirtschaftskraft stärken und die Infrastruktur komplett erneuern. Deshalb sind die Projekte so wichtig. Damit zeigen wir, dass wir es sowohl in Herne, als auch in Wanne schaffen, Stadtteile aus dem Bestand heraus positiv zu entwickeln. Und das, obwoh wir eigentlich kaum Geld haben. Das ist eine Leistung, die von außen positiv registriert wird. Positiver, als manche Hernerinnen und Herner das sehen.
Wie sehen die geplanten Zeitachsen jeweils aus?
Beim Funkenbergquartier sind wir eng getaktet, da muss 2027 die erste Hochschule stehen. Die zweite hat vielleicht ein Quartal länger Zeit. Auf dem Gelände von General Blumenthal soll die Vermarktung, auch für neue Start-Ups, 2028 beginnen. Die Seilbahn könnte im Jahr 2029 fahren - aber sie soll natürlich nicht auf ein leeres Gelände fahren. Deshalb werden wir im nächsten Jahr mit Uniper in Bezug auf das Kraftwerk über Bestandslösungen reden. Das Kaiserquartier in Baukau ist auch längst nicht zu Ende gebaut.
Sie blicken bereits ins Jahr 2029 voraus - vor Kurzem haben Sie ihre erneute Kandidatur als Oberbürgermeister bekanntgegeben (halloherne berichtete), das wäre also noch in der kommenden Amtszeit, wenn Sie wiedergewählt werden. Sie hatten aber auch angesprochen, dass Sie darüber lange nachgedacht haben. Was waren die Gründe?
Bei den Überlegungen steht immer im Vordergrund, ob man ein solches Pensum - welches für mich auch den Vorsitz des Ruhrparlaments und den Ratsvorsitz bei der Emschergenossenschaft beinhaltet - durchhalten kann. Ich habe gemerkt, dass man als Stadt Herne mit bisher keinen Hochschulen nur wahrgenommen wird, wenn man auf Netzwerke zurückgreifen kann. Das kostet viel Zeit. Deshalb habe ich mich gefragt: Was habe ich noch als Lebensplanung vor mir? Das habe ich eng mit meiner Familie diskutiert - da sind auch alternative Entwürfe aufgetaucht. Den Ausschlag gegeben haben aber meine Familie und Freunde. Sie haben gesagt: Du hast so vieles jahrelang geplant und vorbereitet und nun auf den Elfmeterpunkt gelegt - dann sieh zu, dass du die vorbereiteten Elfer auch verwandelst.
Insgesamt sind sie schon seit neun Jahren Hernes OB. Wie haben Sie sich in dieser Zeit persönlich verändert?
Ich glaube schon, dass das Amt des Oberbürgermeisters einen verändert, aber das finde ich auch gut. Man muss sich schließlich reflektieren, man macht auch mal etwas falsch und manchmal trifft man den Ton nicht. Ich genieße es mehr als früher, in vielen persönlichen Gesprächen darzustellen, wie sich Lebensräume in Herne und Wanne-Eickel entwickelt haben und ich freue mich, dass viele Menschen hier zunehmend positiv denken. Zudem kann ich heutzutage bei mehr Themen als früher mitreden. Wichtig ist mir, dass man nie aufhören sollte, sich zu entwickeln.
Im politischen Berlin hat sich kürzlich auch jede Menge getan, die Ampel ist Geschichte und es kommen am 23. Februar 2025 Neuwahlen (halloherne berichtete). Wie denken Sie über das Aus der Bundesregierung?
Ich finde es gut, dass die Ampel beendet worden ist. Da passte am Ende überhaupt nichts mehr zusammen. Schlecht ist, dass wir keinen Bundeshaushalt 2025 haben. Deshalb würde ich mich freuen, wenn wir möglichst schnell eine neue Regierung bekommen. Für das Ruhrgebiet wünsche ich mir eine Regierung, die sich genau wie Bundeskanzler Olaf Scholz um eine Altschuldenlösung der Kommunen kümmert und vor allem die großen strukturellen Probleme in den Feldern Migration und Langzeitarbeitslosigkeit weiter im Blick behält. Da haben wir noch unsere Schwächen.
Das ist auch nicht gut für Kommunen wie Herne.
Ja, das ist ein Belastungsproblem. Die gute Seite ist, wir bauen sehr viele Kitas und wir haben mit der Grundschule am Schloss den ersten Schulneubau seit über 25 Jahren eingeweiht - aber wir müssen das zum Großteil selbst finanzieren. Insgesamt war es ein sehr ambivalentes Jahr. Zuerst vermelden wir beim Jahresergebnis einen Rekordgewinn, im selben Jahr müssen wir aber für das kommende Haushaltsjahr die Prognose abgeben, dass wir wahrscheinlich ein Rekorddefizit haben. Finanziell ist das alles sehr wackelig.
Nochmal ein kurzer Rückblick: Welcher Moment war für Sie in 2024 sehr bewegend?
Einer der bewegendsten Momente ist natürlich die Eröffnung der Cranger Kirmes. Wenn man da auf der Bühne steht und weiß, wer da alles im Zelt sitzt, die Erwartungshaltung, der Fassanstich - das ist schon besonders. Ich durfte auch in einem Film über die Cranger Kirmes mitspielen, wenn auch nur mit dem Fassanstich. Das Lustige ist: Seitdem bin ich in der Schauspielerdatenbank gelistet.
Was hat 2024 nicht funktioniert oder ist auf der Strecke geblieben?
Unser Dauerthema: Das Toilettenkonzept ist noch nicht in der Form umgesetzt worden, wie die Politik das fordert. Zudem hat sich die Öffnung des Shoah-Mahnmals verzögert, auch wenn das nun im Jahre 2025 passieren wird. Bei diesen Themen sollte das Motto „Never give up“ gelten, es wird immer eine Lösung geben. Auch den Umbau des Robert-Brauner-Platzes hätte ich mir früher gewünscht - allerdings haben wir auch nur begrenzte personelle Kräfte in der Verwaltung. Was positiv ist: Obwohl wir zwei neue Dezernenten haben, ist dieser Wechsel bei den Führungsaufgaben nahtlos geglückt.
Blicken wir mal auf das Jahr 2025 voraus. Welche Themen liegen zu Beginn bei Ihnen auf dem Tisch?
Wir haben zwei große Themen: Den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere im Bereich der E-Mobilität. Hier haben wir mit Hochtief einen starken Partner gewonnen. In der ersten Januarwoche werden wir der Bevölkerung die Entwicklung beim Funkenbergquartier-Ost vorstellen. Bislang wurde nur über den Teil mit den Hochschulen gesprochen. Zudem werden wir am 13. Januar 2025 ein großes Projekt mit unseren städtischen Töchtern präsentieren, dazu erwarten wir erneut einen Landesminister.
Sind Sie für 2025 optimistisch gestimmt oder bleiben Sie skeptisch?
Ich erwarte ein schwieriges erstes Halbjahr und dann ein schrittweises Vorankommen. Für Herne erwarte ich tatsächlich eine bessere Entwicklung als im Bundestrend. Das ist auch einer der Gründe, weshalb ich eine Verantwortung verspüre. Ich glaube, ich weiß, wie Herne durch diese Krise gut durchkommt.
Im zweiten Halbjahr steht wieder die Cranger Kirmes an, die Sie aufgrund vieler Termine als „anstrengend“ bezeichnet haben. Was gibt es diesbezüglich zu sagen?
Die Cranger Kirmes hat sich längst zu einem überregionalen Highlight entwickelt. Man sieht das an der Besetzung im Festzelt am Eröffnungstag, zu dem auch Oberbürgermeister der umliegenden Städte kommen - und diese Entwicklung wird sich fortsetzen. An dieser Stelle darf ich verraten: Der eigentlich vorgesehene politische Stargast wackelt durch die geplanten Neuwahlen im Februar bedenklich... Markant ist, dass das chinesische Reiseportal GOTrip erstmals die Cranger Kirmes als Pflichtreiseziel erwähnt.
Wenn mehr Besucher kommen, müssen die auch irgendwo untergebracht werden.
Genau, das ist noch unser Problem. Wir haben nicht die Hotelkapazitäten, um aus der Cranger Kirmes weitere ökonomische Effekte durch touristische Übernachtungen zu erzielen. Ich führe momentan mit drei Gruppen Gespräche, weil uns ein zweites, größeres Hotel fehlt. Deshalb gibt es auch immer noch etwas im Hinblick auf die Cranger Kirmes weiterzuentwickeln.
An dieser Stelle macht sich das gescheiterte Hilton-Hotel im Shamrock-Park bemerkbar.
Dieser Baustein fehlt noch in unserer Stadtentwicklung. Ich habe aber sogar noch vor Weihnachten eine Investorengruppe hier, die überlegt, an welcher Stelle ein Hotelneubau möglich und sinnvoll ist. Das treibt mich um, sodass wir dieses Problem hoffentlich gelöst bekommen. Wir finden auch immer noch passende Flächen. Alle drei Gruppen interessieren sich für unterschiedliche Stellen, eine davon ist der Shamrock-Park.
Welches kommunalpolitische Thema für Herne fanden Sie 2024 am Wichtigsten?
Für Herne war es elementar wichtig, dass wir in die soziale Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und deren Familien investiert haben, und zwar in einem nie gekannten Ausmaß. Wir haben zahlreiche neue Kitas gebaut und eröffnet, aber auch die Seniorenberatungsstelle im Wanner Einkaufszentrum. Zudem hat sich die Schulinfrastruktur drastisch verbessert. Dazu gesellen sich etwa der Bolzplatz in Horsthausen und der neue Standort vom Circus Schnick-Schnack.
Nun ist Politik häufig ein Reizthema, welches oft mehr Kritik als Lob hervorruft. Bekommen Sie Hasskommentare im Internet?
Das kommt vor, hält sich aber in Grenzen. Da wird man schon mal verbal angegriffen und auch bedroht.
Wie gehen Sie damit um?
Es prallt nicht einfach an mir ab. Wir sind aber sehr konsequent, bei Übergriffen, die strafbaren Charakter haben, wird unmittelbar Anzeige erstattet. Da gibt es null Toleranz. Das gilt aber für alle städtischen Mitarbeiter und mich als Oberbürgermeister gleichermaßen. Das ist offensichtlich auch nicht unwirksam, da sind schon einige Verfahren bei der Staatsanwaltschaft gelandet.
Sie haben bereits die beiden neuen Dezernenten, Stefan Thabe und Marc Alexander Ulrich, angesprochen. Wie läuft die Zusammenarbeit?
Wir haben mit beiden großes Glück gehabt. Unser neuer Baudezernent Stefan Thabe staunt immer nur, wie man mit so wenig Mitarbeitenden so viel schaffen kann. Jeder zweite Satz von ihm war anfangs: „Dafür habe ich in Dortmund dreimal so viele Mitarbeitende gehabt.“ Haben wir aber nicht und können wir uns auch nicht leisten, deshalb sind wir auf mehr Engagement und Kreativität angewiesen. Er hat sich aber sehr schnell eingearbeitet und beispielsweise mit den Bürgerdialogen ein bestehendes Format aus dem Fachbereich Umwelt und Stadtplanung unterstützt und für ein neues Verständnis von Partizipation gesorgt. Unser Kämmerer Marc Alexander Ulrich ist auch eine Bereicherung, weil er gelernt hat, mit knappen Mitteln am Ende des Tages wirtschaftlich erfolgreich zu sein und weil er neue Denkmuster und Ansätze mitbringt.
Zum Abschluss: Wie verbringen Sie Silvester?
Ich bin Weihnachten immer zu Hause und bis vor drei, vier Jahren war das auch über Silvester und Neujahr so. Aber ich bin da ganz ehrlich: Ich habe keine Minute Ruhe bekommen, weil viele Menschen viel Zeit hatten und dachten, sie könnten ihre Zeit mit mir teilen. Da blieb mein Privatleben auf der Strecke. Auch wenn ich für die Bürgerinnen und Bürger gerne und stets ansprechbar bin, fahren wir eventuell nach den Weihnachtstagen über Silvester einige Tage weg. Voraussichtlich nach Spanien.
Vielen Dank für das Interview und Ihnen und Ihrer Familie einen guten Rutsch ins neue Jahr.