Serie 'Frauen ins Scheinwerferlicht' über Ulrike Leimanzik
Ein Leben als Ermittlerin für Sexualstraftaten
Was als Serie zum Weltfrauentag begann, geht nun weiter. halloherne-Redakteurin Julia Blesgen spricht mit verschiedenen Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Dabei geht es unter anderem um ihre persönlichen Werdegänge, die Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten oder was sie ihrem jüngeren Ich oder anderen jungen Mädchen nun mit auf den Weg geben würden. Alle weiteren Teile der Serie sind auf halloherne zu finden.
Dieses Mal berichtet Ulrike Leimanzik über ihren Werdegang. Als ehemalige Leiterin des Kriminalkommissariats (KK) für Sexualstrafdelikte des Polizeipräsidiums Bochum hat sie eine Menge gesehen und die Entwicklungen in Bezug auf mehr Schutz von Opfern hautnah miterlebt. Eigentlich wollte Ulrike Leimanzik Sozialarbeiterin werden, dies hatte sie auch in Bochum und Berlin studiert. Jedoch kam sie aufgrund eines Praktikums beim Jugendamt Berlin-Neukölln in Kontakt mit der weiblichen Kriminalpolizei.
„Ich fand die Aussicht, bei der Polizei zu arbeiten, damals sehr spannend“, sagt Leimanzik im Gespräch mit halloherne. Nach dem Staatsexamen begann sie dann 1971 mit der Ausbildung bei der Polizei, die damals noch drei Jahre andauerte. Von ihrer Familie und ihrem Freundeskreis hatte die heute 75-Jährige volle Unterstützung. „Besonders mein Vater war sehr angetan von meiner neuen Berufswahl. Denn er konnte mit Sozialarbeit nicht so viel anfangen“, berichtet die frühere Chefin der Ermittler für Sexualstrafdelikte.
Ein Kampf, um die gleiche Arbeit zu übernehmen, wie männliche Kollegen
Als sie 1974 ihren Dienst als Kriminalkommissarin in Herne, einer Außendienststelle des Polizeipräsidiums Bochum, antrat, gab es recht wenige Frauen im Polizeidienst. Jedoch habe sie nie Ablehnung von männlichen Kollegen erfahren, viel eher ging es darum, für die gleichen Einsätze wie ihre männlichen Kollegen eingeteilt zu werden. „Wenn wir zu einem Banküberfall gerufen wurden, hieß es immer: 'Bleib du mal da, für ein junges Mädchen ist das nichts.' Ich musste lange dafür kämpfen, dass ich dieselbe Arbeit übernehmen durfte wie meine männlichen Kollegen“, so Ulrike Leimanzik.
Auch als sie später zur Mordkommission wollte, stand sie vor den gleichen Herausforderungen. „Ich bin da immer stur geblieben und habe deutlich gemacht, dass ich die gleiche Ausbildung wie meine männlichen Kollegen habe und daher auch diese Arbeit machen kann“, berichtet die 75-Jährige. Sie habe aber ebenso das Glück gehabt, dass sie männliche Vorgesetzte hatte, die an ihre Fähigkeiten glaubten und sie so förderten.
Jedoch führte das zu Problemen mit einigen Kolleginnen. „Sie sagten: 'Jetzt hör mal auf, wenn du so weiter machst, müssen wir das auch noch alle machen.' Aber es gab auch eine Kollegin, die sich an mir orientierte“, erzählt die Rentnerin lachend.
Arbeit als Leiterin des Kriminalkommissariats für Sexualstrafdelikte
Später wurde Leimanzik dann die erste weibliche Leiterin des Kommissariats für Sexualstraftaten. „Als ich angefangen habe, gab es außerhalb der Polizei keinen Ansprechpartner für Frauen, die Opfer von Gewalt oder sexualisierter Gewalt waren. So mussten Frauen durch Abwehrverletzungen zeigen, dass es zu einem Übergriff oder einer Vergewaltigung gekommen war. Es gab damals einfach keine Beratungsstellen für Frauen oder etwa ein Frauenhaus in Herne. Ferner haben auch die unterschiedlichen Behörden nicht zusammengearbeitet“, erläutert sie nachdenklich.
Jedoch änderte dies sich mit der Zeit. Das Frauenhaus in Herne wurde eröffnet und die Frauenberatungsstelle Schattenlicht nahm ihre Arbeit auf. Ebenso öffnete sich die Polizei für eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen.
'Richter müssen empathischer werden'
Dennoch macht Leimanzik deutlich, dass auch die agierenden Figuren im Rechtssystem besser geschult werden müssen. „Ich würde mir wünschen, dass auch Richter empathischer werden und mehr auf das Befinden des Opfers eingehen“, findet die pensionierte Kriminalkommissarin.
Ferner sei es wichtig, dass ein Opfer von sexualisierter Gewalt den Zeitpunkt einer Anzeige richtig wähle. „Viele Betroffene sind nach einer Tat erst einmal stark traumatisiert und stehen ein Gerichtsverfahren vielleicht emotional gar nicht durch. Wir dürfen nicht vergessen: Ein solches Verfahren hängt von der Aussage des Opfers ab. Der Täter kann schweigen oder lügen, ein Opfer muss die abgelaufene Tat schildern“, erläutert Ulrike Leimanzik. Heute kämen diesbezüglich auch die längeren Verjährungszeiten einer betroffenen Person gelegen. Bei schwerem sexuellen Missbrauch liege die Verjährung bei 30 Jahren.
Ehemann Jürgen als große Stütze
Ulrike Leimanzik hat viel gesehen und eine Menge erlebt. Rückhalt hatte sie dabei immer von ihrem Mann Jürgen, den sie übrigens auch bei der Polizei kennengelernt hat.
„Wir haben uns in Herne kennengelernt. Ich hatte ein Büro mit dem Fenster zum Hof und da habe ich dann eines Tages einen netten jungen Mann im Einsatzanzug über den Hof gehen sehen. Dann bin ich runter zu unserem Funksprecher, um mich über den jungen Mann zu erkundigen, der bekam aber einen Lachanfall. Als ich ihn fragte, weshalb er lachte, verriet er mir, dass sich der junge Mann ebenfalls schon nach mir erkundigte. So begann dann unsere Geschichte“, erinnert sich Leimanzik zurück. Mittlerweile sind die beiden seit 42 Jahren verheiratet. Jürgen Leimanzik leitete zu seiner aktiven Zeit das Rauschgiftkommissariat.
Nun, nach ihrer Pensionierung, engagiert sich die frühere Chefin zur Aufklärung von Sexualstraftaten für Opferschutz und Frauenrechte. Sie hält Vorträge und bietet Weiterbildungen auch gemeinsam mit ihrem Mann an. Außerdem ist sie Vorstandsvorsitzende von der Frauenberatungsstelle Schattenlicht.
Sie wünscht sich, dass Beratungsstellen und Frauenhäuser mehr Unterstützung erfahren. „Es muss mehr für den Erhalt von Anlauf- und Beratungsstellen unternommen werden, denn diese Institutionen leisten so wichtige Arbeit“, betont Leimanzik abschließend im Gespräch mit halloherne.