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„Gewöhnungsbedürftig“ oder einfach nur „pervers”? Die Heirat von René (Justus von Dohnányi, 2.v.l.) und Dorothea (Iris Berben, l.) stößt Dorotheas leibliche Kinder Thomas und Elisabeth (Caroline Peters, r.) vor den Kopf.

„Der Nachname“ in der Filmwelt Herne

Familienurlaub ist kein Urlaub

„Einmal ein Familientreffen ohne Drama“: Ein frommer Wunsch der Lehrerin Elisabeth Berger-Böttcher (Caroline Peters), geäußert im Mietwagen, der auch ihren Gatten, den Altphilologen Stephan Berger (eine Bank: Christoph Maria Herbst), ihren Bruder, den erfolgreichen Makler Thomas Böttcher (Florian David Fitz) und dessen Schauspieler-Freundin Anna Wittmann (Janina Uhse), die es nur zur Werbespot-Darstellerin gebracht hat, vom Flughafen der Hauptstadt Arrecife auf die elterliche Finca inmitten der aus erkalteter Lava entstandenen eindrucksvoll-kargen Landschaft der kanarischen Insel Lanzarote bringt.

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Stephan, der einmal mehr alles Pech magisch anzieht vom verschwunden Koffer bis hin zum fehlenden Handy-Netz, fischt einen Brief vom Bonner Standesamt aus dem Briefkasten – adressiert an Dorothea König (Iris Berben). Nun ists vorzeitig ‘raus: Fünf Jahre nach dem Tod ihres Mannes Paul Böttcher hat die 68-jährige Mutter von Elisabeth und Thomas heimlich ihren Adoptivsohn René König (Justus von Dohnányi), der als Klarinettist nie über den Status eines „Tuttischweins“ hinausgekommen ist, geheiratet und dessen Nachnamen angenommen.

Nachnamen bleiben

Stephan (Christoph Maria Herbst) auf der Suche nach Mobilfunkempfang in der kanarischen Prärie.

Was ihre Kinder sogleich auf die Palme bringt, weiß Professor Stephan doch: „Nachnamen sind alles! Der Nachname ist das, was von uns bleibt. Wenn wir von Menschen sprechen, sagen wir ihren Nachnamen – und damit öffnet sich eine ganze Welt. Goethe! Mozart! Picasso!“ Er bedeutet Geschichte, Tradition, Identität. Weshalb sich Thomas mit Händen und Füßen dagegen wehrt, dass Anna nach einer möglichen Heirat ihren Familiennamen behalten will – der Karriere wegen.

Doch damit noch nicht genug: René, der sein Instrument endgültig weggelegt hat, um sich zusammen mit der attraktiven Lucia (Elena Sancho Pereg), Tochter der langjährigen, inzwischen verstorbenen Haushälterin Josefa, ganz dem Weingut zu widmen, will mit Dorothea eine Familie gründen. Und richtet bereits heimlich in Thomas‘ altem Jugendzimmer ein „Refugium“ für das erst noch zu zeugenden Kind ein, wofür Lucia als Leihmutter zur Verfügung steht.

Lasst uns mehr kiffen

„Wir sollten echt alle mehr kiffen“ rät Althippie Dorothea, die auch als Erzählerin aus dem Off einen besonderen Blick auf Personen und Ereignisse wirft. In der Tat fördern schrecklich süßer Eigenbau-Wein und ihre Hausmacher-Haschkekse zu ganz neuen Allianzen unter den notorisch zerstrittenen Familienmitgliedern. Die alle ihre Leichen im Keller haben vom Sportlehrer Benny Seifert bis zur Anti-Baby-Pille gegen den herbeigesehnten Stammhalter. Aber genug gespoilert, letztlich bleibt doch alles in der Familie…

Drei Jahre nach der vom gleichnamigen französischen Theaterstück inspirierten und mit 1,2 Millionen Kinobesuchern höchst erfolgreichen Gesellschaftskomödie „Der Vorname“ hat Erfolgsregisseur Sönke Wortmann („Contra“, „Frau Müller muss weg“) nun ein über knapp neunzig Minuten ebenso wortwitzig-bissiges, wenn auch was den Grundkonflikt betrifft weit weniger brisantes Sequel nachgelegt, das am 24. September 2022 beim Züricher Film Festival uraufgeführt wurde.

Bewährtes Star-Ensemble

Nach einem Originaldrehbuch von Claudius Pläging, dessen der Untertitel „Familienurlaub ist kein Urlaub“ bereits die Handlung vorwegnimmt, punktet „Der Nachname“ mit den Landschaftsaufnahmen des Bildgestalters Jo Heim und dem bewährten Star-Ensemble aus Iris Berben, Christoph Maria Herbst, Florian David Fitz, Caroline Peters, Justus von Dohnányi und Janina Uhse. Eher für den Bildschirm geeignet als die große Kinoleinwand füllend unterhält das im Februar und März 2021 gedrehte launige Kammerspiel, dessen Start coronabedingt um knapp ein Jahr verschoben wurde, auch mit einem flotten nostalgischen Sound des Altmeisters Helmut Zerlett. Bei uns zu sehen in zahlreichen Lichtspielhäusern, darunter auch der Filmwelt Herne.

Dienstag, 1. November 2022 | Autor: Pitt Herrmann