halloherne.de lokal, aktuell, online.
Das „Monster“ (Alexander Maria Wolff) zwischen den beiden Erzählerinnen Annamae Endtinger (l.) und Nina Holtvoeth (r.).

Alptraum-Gestalt mit realer Gewalt

Frankensteins Monster am WLT

In ihrem Roman „Frankenstein; or, The Modern Prometheus“, 1816 anonym in London erschienen, da die Autorin erst neunzehn Jahre alt war, erzählt Mary Shelley die Geschichte des jungen Schweizer Wissenschaftlers Victor Frankenstein, dem es nach alchemistischen Studien an der Universität Ingolstadt gelungen ist, einen künstlichen Menschen zu erschaffen. Doch diese von allen nur „Monster“ genannte namenlose Kreatur wendet sich gegen seinen Schöpfer und dessen Familie, als sie ihr nicht nur rein äußerliches Außenseitertum erkennt.

Anzeige: Elisabeth Firmenlauf 2025

Neufassung am WLT

In der Neufassung des 44-jährigen schwedischen Schauspielers und Dramatikers Rasmus Lindberg, die in der Übertragung des Regisseurs Kristoffer Keudel am 16. Februar 2025 in Deutscher Erstaufführung im Studio des Westfälischen Landestheaters (WLT) in Castrop-Rauxel als Jugendstück für alle ab 14 Jahren Premiere feierte, sehnt sich Viktoria Frankenstein (Annamae Endtinger) nach einem Kind. Nachdem sie es auf natürlichem Weg nicht bekommen kann, erschafft sie aus Leichenteilen einen künstlichen Menschen, den sie mittels Elektrizität zum Leben erweckt.

„Komm jetzt in die Gänge“: Das am ganzen Körper bandagierte zombiehafte Wesen (Alexander Maria Wolff) wird von seiner „Mutter“ als Monster verstoßen. Dabei ist es zunächst weder böse noch aggressiv, kann sich aber nicht verständigen. Und fühlt sich daher ausgeschlossen – wie die blinde alte Dame Louise (Nina Holtvoeth), die beim Morgenspaziergang im wahren Wortsinn auf den Unglücklichen stößt. Sie nimmt ihn mit nach Hause, bringt ihm Lesen und Schreiben bei.

Wer ist Monster, wer bin ich

Das „Monster“ (Alexander Maria Wolff , Mitte) ist darüber erschrocken, dass seine „Mutter“ Viktoria Frankenstein (Annamae Endtinger, r.) ein weiteres Kind, eine perfekt angepasste Tochter (Nina Holtvoeth, l.), erschaffen hat.

Doch als Nicole (Annamae Endtinger) zum Hausputz bei ihrer Tante Louise erscheint, muss die arme Kreatur erneut ein Zuhause verlassen: die junge Frau erschrickt beim Anblick des „Monsters“ fast zu Tode. Das macht sich nun nach Ingolstadt auf, um seine „Mutter“ zu suchen. Die aus den Erfahrungen des „Erstgeschaffenen“ gelernt und beim zweiten Versuch eine auch äußerlich perfekt angepasste Tochter zustande gebracht hat…

„Wer ist Monster, wer bin ich“ singt das Darsteller-Trio zum Schluss eines einstündigen Musicals, das Fragen stellt wie: Was ist ein perfekter Mensch? Was bedeutet menschliches Leben überhaupt? Lässt sich Bewusstsein nachbilden? Was bedeutet Freiheit? Und letztlich: Was ist das Ich?

Musical-Songs von Martin Sundborn

„Ich bin ausgeschlossen, da ist nichts zu machen“: Die Musik stammt vom 54-jährigen schwedischen Schauspieler, Kapellmeister und Komponisten Martin Sundborn, der die sich zwischen romantischen Balladen und harten Rock-Stücken bewegenden Songs für seine Inszenierung des „Frankenstein“-Stücks des Briten Nick Dear am Norrbotten-Theater der nordschwedischen Stadt Luleå schrieb.

Die gleich drei Spielorte abdeckende Simultanbühne des Ausstatters Marc Mahn nimmt einerseits Bezug auf die Entstehungszeit dieses Klassikers der Romantik- und Schauerromane, thematisiert aber andererseits bereits im stummen Prolog die Gefahren heutiger wissenschaftlicher Forschungen: die beiden auch als Erzählerinnen und Kommentatorinnen agierenden, und so immer wieder aus ihren Rollen fallenden Schauspielerinnen treten in orangefarbenen Ganzkörper-Schutzanzügen mit ausladenden Gesichtsmasken auf und platzieren Neonröhren an den Requisiten.

Anklänge an Wienes Grusel-Klassiker

„Alptraum-Gestalt mit realer Gewalt“: Empfindsamere Gemüter seien vorgewarnt. Wenn Alexander Maria Wolff einen seiner Ausflüge ins Parkett unternimmt, dann kommt er als gruseliger Cesare-Wiedergänger aus Robert Wienes Horror-Klassiker „Das Cabinet des Doktor Caligari“ daher. Ansonsten wird ziemlich laut gespielt und noch lauter gesungen, zumindest in der von mir besuchten Vorstellung im vergleichsweise zum WLT-Studio erheblich größeren Theater Marl.

Dass die Dramaturgin Sabrina Klose die Mär von der Schöpfung eines künstlichen Menschen auf eine Stufe mit der aktuellen Entwicklung Künstlicher Intelligenz stellt, halte ich für eine steile These. Nicht zu bestreiten ist jedoch ihre Behauptung, dass die Menschheit immer neue revolutionäre Entwicklungen in die Welt schickt, für deren Folgen aber keine Verantwortung übernehmen will.

Anzeige: Herner Sparkasse Solit 2025

Karten

Karten für Schulaufführungen (ab 9. Klasse) im WLT-Studio am Castroper Europaplatz bei Maximilian Bock unter Tel 02305 – 978020, für die Familienaufführung am Freitag, 7. März 2025, um 20 Uhr am gleichen Ort an der WLT-Kasse unter Tel. 02305 – 978024.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Freitag, 7. März 2025, um 20 Uhr
Mittwoch, 19. Februar 2025 | Autor: Pitt Herrmann