halloherne.de lokal, aktuell, online.
An ihrem 18. Geburtstag will Hazal (Melia Kara, r.) eigentlich nur mit Freundinnen Gül (Asya Utku) und Elma (Jamilah Bagdach) feiern.

Kino-Tipp: 'Ellbogen' mit Melia Kara

Fulminantes dreifaches Debüt

Update, Donnerstag (19.9.2024)

Läuft weiterhin im Capitol Bochum, in der Schauburg Dortmund, in der Galerie Cinema Essen sowie im Metropol Düsseldorf.

Anzeige: Kieser 2024

Der Film-Text

Berlin. Schon die Autokorrektur bei der Eingabe ihrer persönlichen Daten im PC für die Bewerbung um einen Ausbildungsplatz bereitet Hazal (fulminantes Debüt der Laiendarstellerin Melia Kara) Schwierigkeiten. Auch Fragen nach ihrer Muttersprache kann die 17-Jährige nicht eindeutig beantworten: Deutsch? Türkisch? Weil ihr nur unbezahlte mehrmonatige Praktika etwa in der Altenpflege angeboten werden, jobbt sie lieber bei ihrer Mutter in der Bäckerei. Und skypt mit ihrem Internet-Bekannten Mehmet (Doğa Gürer), einem im Callcenter einer Istanbuler Firma arbeitenden Deutsch-Türken.

Hazal kann eigentlich nur mit ihrer Tante reden. Die Schwester ihrer Mutter, die Hazal zur Ausbildung bei einem Friseur schicken will, bestärkt sie darin, ihr Abi zu machen, um später studieren zu können. Dennoch klaut Hazal Geld aus ihrem Portemonnaie, weil sie nach einem Ladendiebstahl erwischt wurde und dem schleimigen Detektiv Lars Immer (Jörg Pintsch) 100 Euro „Fangprämide“ zahlen muss, um nicht bei der Polizei angezeigt zu werden.

Es mal so richtig krachen lassen

An ihrem 18. Geburtstag will Hazal es so richtig krachen lassen. Sie brezelt sich mächtig auf, um mit Freundinnen Gül (Asya Utku) und Elma (Jamilah Bagdach) in einem angesagten Club zu tanzen, scheitert aber schon am Türsteher. Weshalb sich Hazal sogleich als „scheiß Opfer“ fühlt und sich ihren Frust in der U-Bahn-Station Frankfurter Tor am arroganten Maschinenbau-Studenten Thorsten (Denis Riffel) abarbeitet, den sie auf dem Bahnsteig brutal zusammentritt.

Zu spät bemerkt sie die Überwachungskamera, leert die Bäckerei-Kasse und fährt mit dem Bus die Balkan-Route bis nach Istanbul. Wo sie von Mehmet, der mit seinem Kollegen Halil (Haydar Şahin) eine winzige Wohnung teilt, als „naive Deutschländerin“ nicht eben begeistert aufgenommen wird. Hazal durchstreift die ihr fremde Metropole, setzt sich am frühen Morgen zu alten Männern zum Vogelstimmen-Raten und googelt im Internet-Cafe Berliner Nachrichten, in denen von einem „Grausamen Mord in U-Bahnhof“ die Rede ist.

Keine Rückkehr nach Berlin möglich

Als sich Mehmet als dealender Junkie erweist und die türkische Polizei auf der Suche nach dem „Politischen“ Halil mit ihr nicht viel Federlesens macht, muss Hazal sich alleine am Bosporus durchschlagen, denn nach Berlin kann sie nicht zurück.

Die Protagonistin Hazal ist das fulminante Debüt der 2001 in Berlin geborenen Laiendarstellerin Melia Kara, die gerade ihren Bachelor in Wirtschaftskommunikation macht.

Als Rettungsanker erweist sich einmal mehr ihre Tante: Sie kommt nach Istanbul und berichtet, dass Gül und Elma aus der Untersuchungshaft entlassen worden sind. Sie erwartet eine Anklage wegen Beihilfe, Hazal dagegen wegen Totschlag. Dennoch rät ihr die Tante, nach Deutschland zurückzukehren, die Haftstrafe zu akzeptieren und danach zu studieren. Doch Hazal zeigt keine Reue, noch nicht einmal Mitleid mit dem kaum älteren Opfer: „Es tut mir nicht leid!“

Fulminante Debüts für Autorin, Regisseurin und Darstellerin

Mit „Ellbogen“ ist der 1986 in Karlsruhe geborenen Berliner Autorin Fatma Aydemir ein 2017 bei Hanser erschienener überaus erfolgreicher Debütroman gelungen, für den sie den Klaus-Michael-Kühne- und den Franz-Hessel-Preis erhielt. Die Geschichte einer jungen Frau, die aus einer Gesellschaft verdrängt wird, die nur die ihre sein kann, erzählt der Roman vollständig aus ihrem Inneren heraus.

Die 1986 in Berlin geborene Regisseurin Asli Özarslan hat Theater und Medien an der Universität Bayreuth sowie Philosophie und Soziologie an der Pariser Sorbonne studiert und nach redaktionellen Tätigkeiten für 3sat, ARD und ZDF noch ein Studium der Dokumentarfilmregie an der Filmakademie Baden-Württemberg draufgesattelt. Für ihr Spielfilmdebüt „Ellbogen“ wollte sie keinen Text aus dem Off, aber dennoch nah an der Protagonistin bleiben. Ihre Rastlosigkeit, ihre Verletzlichkeit und ihre Wut überträgt sich 1:1 auf die Leinwand, sodass man nach 86 Minuten wissen will, wie es mit ihr weitergeht.

Einige Preise abgeräumt

Gedreht vom 15. August bis 15. Oktober 2022 in Berlin und Istanbul ist „Ellbogen“ am 18. Februar 2024 auf der 74. Berlinale in der Reihe Generation 14plus uraufgeführt und in diesem Jahr mehrfach ausgezeichnet worden: Beim Int. Frauen Film Fest Köln/Dortmund („Beste Regie“ und „Bester Internationaler Debüt-Spielfilm“), beim 4. Lichter Filmfest Frankfurt/Main (Hauptpreis Bester regionaler Langfilm) sowie beim Deutsches Kinder-Medienfestival „Goldener Spatz“ in Gera/Erfurt (Publikumspreis „Bester Jugendfilm“).

Anzeige: Herner Sparkasse Solit 2024

Zum Kinostart am Donnerstag, 5. September 2024 ist „Ellbogen“ im Capitol Bochum, in der Schauburg Dortmund, in der Galerie Cinema Essen und im Metropol Düsseldorf zu sehen.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Donnerstag, 5. September 2024
Donnerstag, 5. September 2024 | Autor: Pitt Herrmann