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Dr. Gábor Lengyel (li.) war bei der Islamischen Gemeinde zur Veranstaltung

Veranstaltung 'Juden und Muslime' bei der Islamischen Gemeinde

'Gemeinsam gegen den Hass'

Am Sonntag (19.5.2024) besuchte Dr. Gábor Lengyel die islamische Gemeinde in Herne-Röhlinghausen für die Veranstaltung „Juden und Muslime - Gemeinsam gegen den Hass“. Mit mehr als 45 Teilnehmenden war der Gemeindesaal überfüllt.

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Dr. Gabor und Ibrahim Nazik begrüßten sich herzlich und umarmten sich freundschaftlich, was viele Anwesende überraschte. „Ich fühle mich hier zuhause“, betonte Dr. Lengyel seine Verbundenheit mit der islamischen Gemeinde.

Mutter wären der NS-Zeit verloren

Dr. Lengyel verlor seine Mutter während der NS-Zeit. Auf dem Weg von Ravensburg nach Dachau, in fünf Waggons mit jeweils 100 Frauen, überlebte seine Mutter die Fahrt nicht. „Mein Vater gehörte zu der schweigenden Generation, die über die Geschichte nie oder selten gesprochen hat“, erzählte Dr. Lengyel. Als 2015 die große Flüchtlingswelle nach Deutschland kam, nahm er syrische Geflüchtete auf und betreute sie – als Jude, Israeli, Rabbiner, aber vor allem als Mensch.

„Wir dürfen schwierigen Themen nicht umgehen. Diese müssen angesprochen werden, aber mit Fairness und Zuhören“, betonte Gabor. Er erklärte weiter: „Für mich ist entscheidend, dass ich kein Sprachrohr einer Organisation bin, auch nicht vom Zentralrat der Juden, sondern ein unabhängig denkender Geist.“

Dr. Gábor Lengyel sprach unter anderem über einen Gemeindetag vom Zentralrat der Juden, bei dem er sich gegen die Mehrheitsmeinung aussprach.

Dr. Gabor wurde stark kritisiert, als er sagte, dass er auch für die Rechte der Palästinenser eintrete. Auf die Frage, wie Juden und Muslime in Deutschland wieder Brücken bauen können, antwortete er: „Nur in kleinen Schritten und nur im eigenen Umfeld können wir etwas bewirken. Leider ist nicht nur in der muslimischen Community eine Radikalisierung festzustellen, sondern auch in der jüdischen Gesellschaft.“

Er erzählte von einem Gemeindetag in Berlin im Dezember, der vom Zentralrat der Juden in Deutschland veranstaltet wurde. „Es gab ein Podiumsgespräch mit dem Chefredakteur der Jüdischen Allgemeinen. Was ich dort über Muslime hörte, war undifferenziert und sehr einseitig. Ich sagte NEIN. Das ist vielleicht die Meinung der Mehrheit, aber nicht alle Juden denken so.“

Erinnerung an einen israelischen Wissenschaftler

Dr. Gabor erinnerte an Jeschajahu Leibowitz, einen israelischen Wissenschaftler, der direkt nach der Eroberung der Westbank vor den Gefahren einer fortdauernden Besatzung warnte. Leibowitz setzte sich für einen schnellen Rückzug aus den besetzten Gebieten ein, da dies seiner Meinung nach nicht zur jüdischen Identität passe.

„Wie überall entwickelte sich auch die israelische Gesellschaft nach rechts. Leider gewinnen extreme Positionen an Einfluss“, sagte Dr. Gabor. „Neutrale oder versöhnliche Stimmen sind kaum noch hörbar.“

Im Vergleich der israelischen Botschafter in Deutschland zeigt sich dieser Wandel deutlich. Avraham „Avi“ Primor, der von 1993 bis 1999 israelischer Botschafter in Deutschland war, glaubte daran, dass Israel die Siedlungen im besetzten Westjordanland räumen solle, damit ein palästinensischer Staat entstehen könne. Primor hielt danach eine Versöhnung zwischen Israel und den Palästinensern für möglich. Die Aussagen des jetzigen israelischen Botschafters in Deutschland spiegeln hingegen die inzwischen dominierende Haltung wider, die solche Ansichten nicht mehr unterstützt.

„Wir müssen streiten, aber auch zuhören können. Die jüdische Streitkultur, Adala und Derech Erez, schreibt uns vor, fair und friedlich miteinander umzugehen. Es gibt israelische Narrative, es gibt palästinensische Narrative. Hören wir zu“, schloss Dr. Gabor seinen Vortrag. Nach zwei Stunden intensiven Gesprächs und Austauschs ging es in den gemütlichen Teil der Veranstaltung über. Die Köchin Kübra Nazik hatte wieder ihre Kochkünste unter Beweis gestellt.

Die Veranstaltung wurde von „Demokratie leben“ gefördert und in Kooperation mit der PfD Herne organisiert.

Mittwoch, 22. Mai 2024 | Quelle: Islamische Gemeinde
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