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Kinofilm - Teambesprechung in der Social Media Agentur v.l.: Henriette Confurius, Maximilian Brückner und Frederick Lau.

Neu im Kino

Generation Beziehungsunfähig

Matchen, tindern, daten: An Möglichkeiten mangelt es heutzutage nicht, um neue Bekanntschaften zu machen. Doch Tim (Frederick Lau) hat wie die meisten Singles seiner Generation ein „Problem“: Er ist angeblich beziehungsunfähig. Sein letzter Roman ist vor drei Jahren erschienen, die Verlags-Restbestände inzwischen zu Konfetti geschreddert. „Das Thema 'Männer verstehen' ist megaout, besonders bei weiblichen Lesern“, gibt ihm seine Literaturagentin Ronja mit auf den Weg zusammen mit dem Hinweis: „Liebe geht immer.“

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Liebe reduziert sich bei Tim freilich nur auf schnellen, folgenlosen Sex: Nach Dates meldet er sich nicht mehr und swipt lieber zur nächsten Frau, die hoffentlich auch so wie auf ihrem Profilfoto aussieht. Seinem Brotberuf geht er in der Kölner Social Media Agentur „Golden Influencer“ von Andreas (Maximilian Brückner) nach, der Kollegin Charlie (Henriette Confurius) gerade ein Öko-Image verpassen will. Was sowohl ihm als auch seinem in letzter Zeit sichtlich gestressten Chef so auf die Nerven geht, dass Tim den lebensmüden Burnouter aus dem Rhein fischen muss.

Kinofilm - Sucht Trost bei Tim (Frederick Lau): WG-Mitbewohner und Freund Luis (Tedros Teclebrhan).

Als sich Tim nachts 'mal wieder sein Lieblingseis von der Tanke holen will, schnappt ihm eine so attraktive wie geheimnisvolle Frau (Luise Heyer), die sich Ghost nennt, nicht nur das letzte Stracciatella weg, sondern fährt auch noch in seinem Carsharing-Mercedes vondannen. Er begegnet ihr unvermutet als Nachbarin seiner „Ex“ Martha (Verena Altenberger) wieder, die gerade ihre Hochzeit mit Udi (Arthom Gilz) vorbereitet. Köln ist ein Dorf, in dem sich alle Welt ständig übern Weg läuft. Dass sich seine Nichte Josy, die im Verlag seines erfolgreichen Vaters ein Praktikum absolviert, ausgerechnet in seiner Weiber-Höhle einmietet, passt Tim naturgenmäß gar nicht in den Kram. Zumal sie frisch verliebt ist in einen gewissen Jasper.

Und schon gar passt es Tim nicht, dass seine Mutter (Victoria von Trautmannsdorff) sich mit Dieter einen Neuen über eine Dating App geangelt hat. Weisen dessen Eigenschaften doch auffällige Parallelen zum Fake-Profil seines WG-Nachbarn und Freundes Luis (Tedros Teclebrhan) auf, der bei einer Flirt-Agentur unter Vertrag steht. Da tut Tim ein Joint mit seinem Opa (Harry Wolff) an dessen 85. Geburtstag richtig gut! Mit Ghost, die eigentlich Architektin ist und mit bürgerlichem Namen Liebig heißt, läuft es richtig gut. Was schnellen Sex nach dem Stellungs-Lehrbuch betrifft. Zu mehr ist Ghost nicht bereit, was ihm zunehmend Kummer bereitet.

Tim hat sich offenbar in sein weibliches Spiegelbild verliebt, entdeckt plötzlich eine romantische Ader an sich. Mit der er bei Kollegin Charlie landen könnte, mit der er nach Marthas Polterabend auch im Bett landet. Aber zu mehr als einem Frust-Fick reicht es nicht, wie Charlie nüchtern bilanziert, die den Rest der Nacht mit Luis tanzend durch die Clubs der Domstadt zieht. Aber halt nicht bei Ghost...

Was mit einem überzeugten Single passiert, wenn er sich ernsthaft verknallt, schildert Helena Hufnagel in „Generation Beziehungsunfähig“: „Zwei Großstadt-Individualisten feiern ihr Single-Dasein und wollen keine klassische Beziehung. Dann verlieben sie sich aber dooferweise ineinander und wissen nicht so ganz, wie sie damit umgehen sollen. Die Angst vor dem ,Nö‘ ist einfach zu groß“, so die Regisseurin im Warner-Presseheft. Die knapp neunzigminütige Komödie, uraufgeführt am 6. Juli 2021 beim Filmfest München, basiert auf dem gleichnamigen, im Februar 2016 erschienenen und millionenfach verkauften Sachbuch-Bestseller des 40-jährigen Berliner Kolumnisten Michael Nast („Berliner Zeitung“, „freundin“).

Ghost-Darstellerin Luise Heyer beschreibt im Presseheft die sozialen Medien als sicheres Schneckenhaus: „Ich glaube, es hat viel mit Angst zu tun und damit, Dinge von sich preiszugeben. Aber diese Gesellschaft, die immer cooler wird, hat verlernt, ihre Schwächen auch als Stärken zu sehen. Man will nicht verletzt werden, man will sich beschützen und zieht sich in diesen Kokon zurück, um sich schlussendlich gar nicht mehr auf irgendetwas einzulassen.“

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Hufnagel und Co-Autorin Hilly Martinek haben das Sachbuch weiterentwickelt analog zur inzwischen weitaus größeren Bedeutung von Social Media und Online-Dating. Ihre fiktive Geschichte gruppiert sich nicht nur um die Hauptfigur Tim herum, welche am Ende ihrer Tinder-Karriere steht, sondern wird ganz aus Tims Perspektive erzählt. Zur Erkenntnis, dass Sex nicht alles ist, hätte es freilich dieses bisweilen doch recht langen, aber prominent besetzten „Liebesfilms“ (Hufnagel) nicht bedurft, der am 29. Juli 2021 in den Kinos startet und auch in der Filmwelt Herne zu sehen ist.

Donnerstag, 29. Juli 2021 | Autor: Pitt Herrmann