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Tim-Fabian Hoffmann, Nicolas Martin und Laura Thomas (v.l.) als Raumschiff-Crew auf dem Weg zu Mutter Erde.

Ein Elefant vergisst nie

Hannibal ante portas

Was verbindet den gefürchteten karthagischen Feldherrn Hannibal mit Hannah, einer Gedächtnisforscherin, die vor lauter beruflichem Ehrgeiz ihr Familienleben aus den Augen verloren hat? Und was haben die beiden wiederum mit der aufgrund der nicht enden wollenden Reise entnervten Crew eines Raumschiffs zu tun, die in der nicht allzu fernen Zukunft von einer Kolonie auf dem Saturnmond Titan zur angeblich zumindest von Menschen verlassenen Erde aufbricht?

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Fragen, die erst im zweiten, höchst unterhaltsamen Teil nach der Pause einer mit zweieinhalb Stunden für PRT-Verhältnisse ungewöhnlich langen Inszenierung des Hausherrn Hans Dreher beantwortet werden. Was daran liegt, dass bei Uraufführungen der Rotstift in der Regisseurs-Schublade bleibt. Nachinszenierende Theater haben es leichter mit diesem ausufernden Drama, das eigentlich aus drei Stücken besteht. Die Hans Dreher allerdings mit einem großartigen Darsteller-Trio kunstvoll miteinander verknüpft hat.

Toll und wichtig

Tim-Fabian Hoffmann als mit jedem glorreichen Sieg der Karthager über die Römer mehr erschöpfter und verzweifelter Feldherr Hannibal, im Hintergrund der Sprechchor.

Ein Elefant vergisst nie: Bei Hal, vom auch als Erzähler und Kommentator fungierenden Sprechchor in einheitlichem Outfit verkörpert, handelt es sich um die „mit psychologischen Modulen“ ausgerüstete Künstliche Intelligenz des von Cap (Nicolas Martin) und seinen Assistenten T (Tim-Fabian Hoffmann) und M (Laura Thomas) gesteuerten Raumschiffs. Hal zeigt der Besatzung offenbar Staunen hervorrufende Bilder von der Erde, auf der noch Elefanten leben sollen. Ihr Auftrag: Einige dieser Säugetiere mit dem größten Gedächtnisvermögen einzufangen.

„Toll und wichtig“: Hannah (die unvergleichliche Laura Thomas) ist eine rund um die Uhr an Versuchsreihen forschende Neurobiologin, die mit sich selbst und der Welt hadert, weil sie ständig in der Furcht lebt, etwas zu verpassen. Worunter naturgemäß auch ihr Partner Tavi (Nicolas Martin) leidet, obwohl er ihr den Rücken freihält und nur ein ganz klein wenig eifersüchtig reagiert, als Hannah von der New York Times angefragt wird: Szenen einer etwas aus dem Gleichgewicht geratenen Zweierbeziehung. Ergänzt um die Gefühlswelt von Hannahs stets in ihrem Schatten stehenden Assistenten Mikal (Tim-Fabian Hoffmann).

Zu Tode siegen

Hannibal ante portas: Der Sohn des Hamikar, Feldherr im Ersten Punischen Krieg zwischen Karthago und Rom (264-241 v. Chr.), schlüpfte im Zweiten Punischen Krieg (218-201 v. Chr.) in dessen Rolle und fügte dem Römischen Reich schwere Niederlagen bei, bis er im nordafrikanischen Zama selbst besiegt wurde. Hannibal (Tim-Fabian Hoffmann) wird von Tanit, der Stadtgöttin Karthagos (Laura Thomas), zu immer neuen Schlachten angestachelt.

In Matthias van den Höfels Stück ist er jedoch kein cäsarischer Held, sondern ein am bitteren Ende kraftloser Verzweifelter, der selbst treue Verbündete wie seinen General Marhabal (Nicolas Martin) verliert – von den mitgeführten Elefanten ganz zu schweigen. Die Geschichte zeigt, dass man sich auch zu Tode siegen kann. Was Assoziationen weckt zum nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs nicht für möglich gehaltenen Überfall der russischen Neoimperialisten auf das ukrainische Brudervolk.

Dreiklang des Scheiterns

„Hal Hannah Hannibal“ ist ein Dreiklang des Scheiterns: Die Künstliche Intelligenz Hal macht sich am Ende selbständig und tritt ohne die Raumschiff-Besatzung den Rückweg an. Hannah, die zuvor mit Demenzkranken gearbeitet hat, forscht zur Erinnerungs-Übertragung von Mensch zu Mensch. Und merkt gar nicht, dass ihr Privatleben dabei völlig in den Hintergrund rückt, sie selbst also gar nicht in der Lage ist, eigene Erinnerungen aufzubauen. Hannibal schließlich ist ein Getriebener, der alle Warnungen ignorierend dem Untergang entgegensiegt.

Matthias van den Höfel, Bochumer des Jahrgangs 1987, landete vor drei Jahren mit seiner ironischen, am Prinz Regent Theater pandemiebedingt digital uraufgeführten Liebeskomödie „Squash“ einen Achtungserfolg. In seinem neuen Stück stehen in der Ausstattung Clara Eigeldingers mit Laura Thomas (am PRT außerdem in „Faust“, „Der Tatortreiniger“ und „Amphitryon“) und Tim-Fabian Hoffmann, die beide auch in „Squash“ mitgewirkt haben, gute Bekannte auf der Bühne. Dritter im Bunde ist der 1992 in Wuppertal geborene, in Ludwigsburg an der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg ausgebildete und anschließend vier Jahre in Pforzheim und zuletzt in Köln engagierte Nicolas Martin in seiner ersten Produktion am PRT.

Eine Besonderheit von „Hal Hannah Hannibal“ ist, dass auch ein Laien-Sprechchor unter der Leitung Matthias van den Höfels mitwirkt, der in allen Erzählsträngen eine wichtige Rolle spielt: Klara-Marie Drees, Lilli Grix, Chris Kapahnke, Carmelina Kißel, Benedict Kluwig, Maike Paulmann, Remo Philipp und Chiara Stresemann.

Die nächsten Aufführungen

  • Sonntag, 9. Juni 2024, 18 Uhr
  • Dienstag, 18. Juni 2024, 19:30 Uhr

Karten für die Aufführungen im Prinz-Regent Theater Bochum gibt es online hier.

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  • Sonntag, 9. Juni, um 18 Uhr bis Dienstag, 18. Juni 2024, um 19:30 Uhr
Mittwoch, 5. Juni 2024 | Quelle: Pitt Herrmann