Wirt Jan Patrick Wolters zeigt, wie der Betrieb abläuft
Hinter den Kulissen im Bayern Festzelt
Das Bier gehört zum Bayern Festzelt auf der Cranger Kirmes so dazu wie das Amen in der Kirche. Für Gäste ist es bekanntlich recht einfach: Bestellen, bezahlen, trinken und genießen. Doch für den Festzeltwirt Jan Patrick Wolters und sein Team steckt deutlich mehr dahinter - das möchte er gerne zeigen. halloherne durfte exklusiv hinter die Kulissen schauen.
Gut gelaunt empfängt Wolters den Reporter und den Fotografen. Zu dieser Mittagszeit ist es noch sehr ruhig, nur vereinzelte Gäste haben sich bereits etwas zu Essen oder zu Trinken bestellt. Stichwort Essen: „Die Küche haben wir an den lokalen Anbieter Hells Kitchen vermietet, die die Zubereitung übernehmen. Früher haben wir das noch selbst gemacht“, schildert der 42-Jährige.
Die Küche übernimmt ein Herner Imbiss
Doch um insbesondere Transportwege und natürlich auch Kosten zu sparen, sei das die bessere Alternative. Bei vier großen Volksfesten im Jahr (Bremer Osterwiese, Cranger Kirmes, Pützchens Markt in Bonn und Bremer Freimarkt) würde sich eine eigene Bewirtung für das Essen nicht rechnen. Gleichzeitig werde ein lokaler Imbiss - der Herner Standort der Hells Kitchen liegt an der Rottstraße - gefördert.
Direkt neben der Küche befindet sich das Herz des Zeltes: Die Zapfstationen sowie mehrere Kühlschränke für Flaschengetränke als auch eine Spülstraße für benutzte Gläser. Wobei: Der bessere Begriff sind hier Krüge. „Wir setzen nur auf Krüge, entweder mit 0,4 Litern oder als Maßkrug mit einem Liter“, erläutert Wolters. Das habe den Vorteil, dass die Kellner mehrere Krüge gleichzeitig aufnehmen können - ähnlich wie man es vom Münchner Oktoberfest kennt.
6,20 Euro für 0,4 Liter Pils
Ein Krug mit 0,4 Litern Pils kostet in diesem Jahr übrigens 6,20 Euro (halloherne berichtete). Dass dieser Preis einige Besucher fernhält, ist Wolters bewusst. Dennoch hat er besonders in den Abendstunden an fast allen Tagen viele Reservierungen.
Bei Hochbetrieb muss es bekanntlich schnell gehen und praktisch sein - daher auch die Krüge und der systematische Aufbau vom Ausschank. 130 Leute arbeiten zu Spitzenzeiten im Zelt, um die durstigen und hungrigen Gäste zu bedienen.
Damit die Getränke auch kühl beim zahlenden Kunden ankommen, bedarf es jeder Menge Technik und einem langen Aufbau. Im Juni kamen die ersten Transporter an - in Summe sind es 40, die rund 1.000 Tonnen Material nach Crange fahren. Am 21. Juni war der erste Aufbautag.
Vier Kühlcontainer, mehrere Kilometer Leitungen
„Wir haben alleine vier große Kühlcontainer hier stehen, die Stromleitungen sind insgesamt zwischen zwei und 2,5 Kilometer lang und die Bierleitung ist einen Kilometer lang“, zählt Wolters auf, als er durch den Hinterausgang in die Bereiche geht, die der „normale“ Kirmesbesucher maximal vom Riesenrad, vom Aussichtstower „Look“ oder anderen hohen Fahrgeschäften von oben erblicken kann. Ein eigener Schanktechniker, der alles im Blick hat, sei da schon Pflicht.
2,7 Grad beträgt die Biertemperatur in den Kühlwagen - bis der Gerstensaft dann aber aus dem Zapfhahn kommt, wird er mehrfach weitergekühlt. Trotzdem ist es naturgemäß nicht zu verhindern, dass sich die Temperatur etwas erhöht - durch die langen Leitungen, die Krüge und die Luft im Zelt. „55 Meter ist die längste Bierleitung bis zu einem Zapfhahn. Wenn es im Glas ankommt, liegt die Temperatur bei 4 bis 4,5 Grad“, erklärt der Bremer.
Zwei Kontrollstationen für die richtigen Bestellungen
27 Kellner teilen sich die zahlreichen Bierzeltgarnituren mit den Tischen und Bänken auf. Damit alle die richtige Bestellung mit zu den Gästen nehmen und keiner für ein Getränk doppelt laufen muss, gibt es gleich zwei Kontrollstationen. An einem davon sitzt Wolters Mutter. Diese Kontrolle gibt es auf dem Oktoberfest übrigens nicht.
Von der 45 Quadratmeter großen Bühne schallt jeden Abend Live-Musik - meistens mit bayerischen Bands, an zwei Abenden auch mit Schlager. Zudem stand hier am Freitag (2.8.2024) zur Eröffnung Schlagerstar Vanessa Mai und trällerte ihre und gecoverte Songs (halloherne berichtete). Die Technik für die Lieder liefert der LM:V Veranstaltungsservice von Norbert Menzel, also wieder eine lokale Firma.
Mehr eine Fabrik als eine Gastronomie
Insgesamt erinnert der gesamte Ablauf im Zelt, sichtbar sowie unsichtbar für die Gäste, mehr an eine Fabrik als an eine normale Gastronomie. „Anders geht es auch nicht und es muss auch für die Abläufe, damit die Gäste nicht ewig auf ihre Getränke warten, so sein“, merkt Wolters an. Durch die großen Aufwände muss er aus seiner Sicht auch etwas höhere Preise als die Konkurrenz nehmen - dafür hofft er auf Verständnis.
Dabei ist er noch gar nicht so lange Festzeltwirt. Der Bremer ist zwar seit 18 Jahren selbstständig, jedoch startete der Fachinformatiker mit einer IT-Firma sowie einer Werbeagentur. „Meine Eltern waren in Bremen früher schon immer im Bayernzelt - dort gibt es sowieso nur die Alternative zwischen ihm und dem Hansezelt. Über verschiedene Kontakte half ich immer mal Schaustellern bei Computerproblemen aus und kam so mit einigen ins Gespräch“, blickt er zurück.
2017 kaufte Wolters das Zelt
Als Wolters dann noch sein Restaurant verkaufte, drang 2017 plötzlich die Nachricht zu ihm durch: Das Bayernzelt wird verkauft. Nach längeren Verhandlungen kamen die Verkäuferfamilie als auch Wolters auf einen gemeinsamen Nenner - seitdem ist er der Chef.
Oft wird Wolters auch mit der Frage nach Klimaanlagen konfrontiert. „Wir haben da natürlich schon drüber nachgedacht und auch verschiedene Möglichkeiten geprüft. Jedoch ist klar: Wir bräuchten für eine ausreichende Klimatisierung doppelt so viel Strom wie aktuell.“ Anders ausgedrückt: Dann wären die Preise noch deutlich höher, das würde sich weder für die Gäste, noch den Betreiber lohnen. Gleichzeitig ist bei fast sekündlich aufgehenden und schließenden Türen keine dauerhafte Kältespeicherung möglich. Weitere Alternativen werden aber geprüft.
Nächster Halt: Bonn
Fest steht: Der Betrieb des Bayernzelts ist bis ins kleinste Detail geplant. Daher steht auch bereits die Abreise nach dem Ende der Cranger Kirmes schon fest, erste Transporter werden bereits am Samstag, 10. August 2024, mit Materialien beladen, die nicht mehr benötigt werden. Das nächste Ziel lautet dann: Der Pützchens Markt in Bonn, der am Donnerstag, 5. September 2024, für sechs Tage startet.