26. Internationale Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende
Hinter jedem Verstorbenen steht ein Schicksal
Neun Menschen haben aufgrund ihres Drogenkonsums oder dessen Folgen in Herne im Jahr 2022 ihr Leben verloren. An sie erinnern am Freitag (21.7.2023), dem 26. Internationalen 'Gedenktag für verstorbene Drogengebrauchende', neun Schaufensterpuppen mit ihren Namen versehen.
Organisiert wurde die Gedenkveranstaltung von der Aidshilfe Herne in Zusammenarbeit mit der Kadesch gGmbH, dem Café 22 sowie der Jugend Konflikt- und Drogenberatung (JKD) (halloherne berichtete).
„Wir möchten den Verstorbenen gedenken und ihnen gleichzeitig ein Gesicht geben. Wir wollen zeigen, dass ihr Leben zählte und ihr Tod ein Verlust bedeutet", so Kristin Kücükaycan, stellvertretende Vorsitzende der Aids-Hilfe Herne e.V., gegenüber halloherne.
'Jeder Drogentote ist einer zu viel'
„Jeder an Drogen verstorbene Mensch ist einer zu viel", macht Kristin Pfotenhauer, Vorsitzende der Aids-Hilfe, im Gespräch mit halloherne deutlich. „Wir wollen das Thema in die Öffentlichkeit bringen, an die Menschen erinnern und gleichzeitig ein Zeichen für mehr Akzeptanz setzen. Auch wenn in Herne die Zahl der Drogentoten gesunken ist, die deutschlandweit steigenden Zahlen sind besorgniserregend."
Viele Menschen, darunter auch Suchtkranke und Angehörige, sind an den Buschmannshof gekommen, um ihrer verstorbenen Freunde zu gedenken. Gemeinsam mit Passanten und den Verantwortlichen gestalteten sie Steine mit kleinen Sprüchen für die Verstorbenen. Ebenso erinnert eine bundesweite Fotoaktion an die Verstorbenen.
So wie Rosita Wölke, deren Kind ebenfalls suchterkrankt ist. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, da mein Kind betroffen ist, wie schwer es ist, von dieser Krankheit loszukommen. Es ist immer wieder ein Auf und Ab. Deshalb bin ich froh, dass die Thematik an diesem Tag in die breite Öffentlichkeit kommt", so die 83-Jährige im Gespräch mit halloherne.
Engagement trägt Früchte
Dass das Engagement von Kristin Pfotenhauer und Kristin Kücükaycan mittlerweile Früchte trägt, zeigt sich, weil immer mehr Menschen auch aus der Politik und Öffentlichkeit dem Tag beiwohnen. So wie auch Felix Horn, Leiter der Polizeiinspektion Herne.
„Wir haben als Polizei erkannt, dass wir Handlungsbedarf haben. Ich möchte mit meiner Anwesenheit zeigen, dass Polizei und Betroffene sowie deren Angehörige nicht auf verschiedenen Seiten stehen. Wir haben gemeinsame Ziele und wollen die Situation der Menschen verbessern", berichtet Horn gegenüber halloherne.
'Stigma durchbrechen'
Bürgermeister Kai Gera (SPD) ist ebenfalls zur Veranstaltung gekommen. „Wir haben im vergangenen Jahr neun Drogentote zu beklagen und das sind neun zu viel", sagt Gera. „Wir müssen noch mehr Aufklärungsarbeit leisten und Stigmatisierungen abbauen."
Diese Einschätzung teilt auch Andrea Schneidmüller vom Café 22: „Das Stigma muss endlich durchbrochen werden. Drogensucht muss als eine Krankheit – auch in der Öffentlichkeit – anerkannt werden."
Immer wieder halten Menschen an diesem Tag vor dem großen Blumenkranz schweigend inne und gedenken der Verstorbenen, so auch Hernes SPD-Vorsitzender Hendrik Bollmann und Sozialdezernentin Stephanie Jordan.
Thema Drogensucht immer noch unangenehm
„Das Augenmerk darf nicht nur am Gedenktag auf diese Thematik gelegt werden. Wir müssen verhindern, dass Menschen an dieser Krankheit sterben", so Jordan.
Ähnlich sieht es auch Bollmann: „Es ist leider immer noch so, dass vielen Menschen das Thema Drogensucht unangenehm ist und sie nicht darüber sprechen wollen. Aber es ist wichtig, dass die Thematik in die Öffentlichkeit kommt. Wir alle müssen gegen die Stigmatisierung angehen und die Sucht als eine Krankheit anerkennen."
Sozialarbeiter Kevin Wagner von Nachbarn e.V. hat aufgrund seines Berufes auch viel mit Suchterkrankten zu tun. Für ihn ist es wichtig, beim Gedenktag vor Ort zu sein. „Hinter den Verstorbenen stehen menschliche Schicksale. Das Thema muss dauerhaft in die Öffentlichkeit gerückt werden, nicht nur am Gedenktag", so Wagner im Gespräch mit halloherne. „Die Menschen benötigen Hilfe und keine Ausgrenzung."
'Fühlen sich in der Gesellschaft nicht willkommen'
Diese Einschätzung teilt auch Streetworker Fabian Rybak: „Ich selbst kenne einige der Verstorbenen und habe sie betreut. Das macht natürlich etwas mit einem, wenn diese Person nun nicht mehr da ist."
Weiter mutmaßt er: „Es kann auch sein, dass sich die Betroffenen in die Ecke gedrängt und in der Gesellschaft nicht willkommen fühlen. Dies könnte dann zu einem vermehrten Konsum führen. Obwohl dieser Gedenktag sehr wichtig ist, muss man bedenken, dass das Jahr 364 weitere Tage hat, an denen das Thema nicht in den Hintergrund treten sollte."
Aufgeben keine Option
Kristin Pfotenhauer, Vorsitzende der Aidshilfe, macht zum Abschluss des Gedenktages gegenüber halloherne deutlich: „Dass die Resonanz für diesen Tag immer größer wird, bestärkt uns darin, weiterzumachen und uns noch mehr zu engagieren. Es ist unser Herzensprojekt. Aufgeben wird für uns nie eine Option sein."