Reise in die Geschichte zur Brückensprengung 1945 in Unser Fritz
Hotte Schröder und der Stein der Weisen
Er ist rund einen Meter hoch, rund 80 Zentimeter breit, knapp 2,5 Tonnen schwer oben leicht abgerundet und gezeichnet von vielen Jahrzehnten Witterungseinflüssen. Die Rede ist von einem Stein, der mittlerweile in unmittelbarer Nähe der Künstlerzeche Unser Fritz vorzufinden ist. Sein Weg dorthin war buchstäblich steinig, mit Hilfe von Horst Schröder kam er dorthin. Doch Schröder musste erstmal in der Vergangenheit suchen, was das für ein Objekt ist und woher es stammt.
„Ich habe diesen Stein im Oktober 2018 auf dem ehemaligen Wanit-Gelände, heute Duvenbeck, gegenüber vom ehemaligen Zechengelände Unser Fritz entdeckt. Im Anschluss fragte ich bei der Unteren Denkmalbehörde (UD) nach, dort konnte aber keiner eine Auskunft geben“, erinnert sich „Hotte“ Schröder. Das änderte sich auch nicht, als die UD mal selbst vorbeischaute.
'Nero-Befehl' von Adolf Hitler
Nachdem auch bei Schröder mehrere Hinweise im Emschersand verliefen, kam irgendwann die zündende Idee. „Am 19. März 1945 gab es den auch als 'Nero-Befehl' bezeichneten Erlass von Adolf Hitler. Damals sollten, weil sich die Alliierten auf dem Vormarsch befanden, Industrie- und Verkehrsanlagen vernichtet werden, damit diese dem Feind nicht weiter helfen, weil sich die deutschen Soldaten immer weiter auf dem Rückzug befanden“, erzählt Horst Schröder. Die letztendliche Sprengung war dann elf Tage später, am 30. März 1945.
Aufgrund dieser geschichtlichen Einordnung wurde es einfacher, anhand von historischen Bildern konnte schließlich zweifelsfrei bewiesen werden: Der gefundene Stein ist ein Brückenkopf und gehörte zur ersten „Kanalbrücke“ an der Alleestraße. Zwar fand er nichts über den Bau und die Einweihung der Brücke, nur die Bauzeit des Kanals kann von April 1906 bis Juli 1914 eingegrenzt werden.
Schülergruppe hilft bei der Recherche
Die Brücke verband zwei der Schächte Unser Fritz. Die beiden wurden durch den Rhein-Herne-Kanal (vorher noch Emscher) voneinander getrennt. „Mit Hilfe einer Schülergruppe der Erich-Kästner-Schule wurde dann weiter recherchiert (halloherne berichtete). In einem alten Zeitungsartikel über die Kriegsereignisse vor Ort steht, dass die Brücke durch einen Bergmann gerettet wurde, indem er Sprengstoff versteckt hielt und nicht freigab“, berichtet der Wanne-Eickeler. Doch Beweise dafür fand man nicht. Befragte Zeitzeugen wie Helmut Bettenhausen untermauerten die Angaben einer Sprengung.
Weitere Recherchen brachten aber Neuigkeiten hervor: Der Bergmann hat die ehemalige Förderbrücke, also dort, wo die heutige rote Brücke in unmittelbarer Nähe zur Künstlerzeche steht, gerettet. Der damalige Zeitungsartikel ist demnach richtig, er bezieht sich nur auf eine andere Brücke - die Förderbrücke „Piele“. Bis zum Bau der neuen Alleebrücke 1952 diente die „Piele“ der Überquerung des Kanals für Menschen, Material und Pferde.
Ein Facebook-Bild liefert den entscheidenden Hinweis
Bei all der Recherche spielte auch Kollege Zufall eine wichtige Rolle. Ein Bildpost via Facebook von den Eheleuten Günter und Renate Reimer lieferte den entscheidenden Hinweis. Am Dienstag (19.3.2024) erzählten beide beim Treffen der Gesellschaft für Heimatkunde (GfH) im Kasino Unser Fritz über ihre damaligen Erfahrungen.
In der Nähe entstand eine abenteuerliche Holzkonstruktion, die bis Sommer 1952 genutzt wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde die neue Brücke unter großer Beobachtung eingeschwommen.
Zurück in die Gegenwart. Vor rund einem Jahr nahm Schröder Kontakt mit dem Verein „Wir machen Herne schön“ auf und bat um deren Hilfe und Unterstützung, um den Stein zu bergen und zur Künstlerzeche zu bringen. „Das war schon aufregend, der Traktor kippte fast dabei um“, erinnert er sich an die Aktion im Sommer 2023.
Damit liegt der Stein, den Schröder gerne aufgrund der Rätsellösung durch die älteren Zeitzeugen „Stein der Weisen“ nennt, mittlerweile nur unweit seines ursprünglichen Standortes.
Zeitangabe auf der Infotafel stimmt nicht
Jedoch sei die Infotafel daneben nicht stimmig. Da dort beim Bild mit einer intakten Brücke, die an der Alleestraße, die Zeitangabe „1950er Jahre“ steht, sie aber 1945 gesprengt wurde, sei das ein Fehler. Wichtig ist ihm noch eine Sache: „Alle genannten Vereine haben tatkräftig bei der Recherche mitgeholfen. Ohne die Mithilfe wäre die Lösung nicht möglich gewesen. Dafür möchte ich mich bedanken.“
Auch wenn die neue Konstruktion jedoch mittlerweile schon längst wieder Geschichte ist – trotzdem gibt es so zwei geschichtsträchtige Brücken, an ein und derselben Stelle, die beide nicht mehr vorhanden sind. Dafür aber den alten Brückenkopf - dank Horst Schröder und seinem Ehrgeiz, der Geschichte auf den Grund zu gehen.