Kolumne von Dr. Dunkhase zur Larifari-Republik
Klima Bla-bla und Ökoterroristen
Im Herbst letzten Jahres war ich zu Besuch in Flensburg. Es fand gerade eine größere Kirmes statt. Rings um den Kirmesplatz herrschte für die Zeit der Veranstaltung eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 kmh. Als relativ Ortsfremder habe ich mir prompt zwei Knöllchen zu 30 Euro eingefahren. Ok, man darf auch von Ortsfremden eine gewisse Aufmerksamkeit einfordern.
Seit einigen Jahren fahren meine Frau und ich mit einem Wohnwagen in Urlaub. 100 km/h darf man mit so einem Gespann fahren. Unversehens ist man da mit den Brummis in einer Liga. Die dürfen eigentlich nur 80 km/h fahren – eigentlich. Manchmal wird man mit dem Wohnwagen durch ein Überholverbot für Gespanne und Lkw mit letzteren auf die rechte Spur verbannt. Das ist dann zwar langweilig, aber man ist kaum langsamer. Sehr selten nur sinkt die Geschwindigkeit in dieser Elefantenschlange unter 95 km/h. Sobald das Überholverbot aufgehoben ist, meist auf dreispurigen Strecken, scheren die Lkw, die zwei, vielleicht drei km/h schneller sind, aus und verstopfen die mittlere Spur für Pkw kilometerlang mit ihren Elefantenrennen. Fährt man mit dem Gespann mit 100 kmh auf der mittleren Spur, wird man auch hier nicht selten von dicht auffahrenden Lkw genötigt.
In einem Forum für Lkw-Fahrer schreibt einer
„Es ist definitiv so, dass man insgesamt deutlich weniger Kraftstoff verbraucht, wenn man als Höchstgeschwindigkeit 80 km/h fährt. Das Problem dabei ist allerdings, dass man dabei aus dem Verkehrsfluss kommt, da fast alle schneller fahren. Für viele Fahrer ist es zudem ein Kopfproblem einen so lahmen Lkw zu fahren“.
Ich erinnere mich an eine Studie der Universität Duisburg, die ergeben hatte, dass ein konsequentes Einhalten der Geschwindigkeitsbegrenzung für Lkw eher eine Beschleunigung des Güterverkehrs zur Folge hätte, weil ein stetig fließender Verkehr zu weniger Staus führt. Die Vielzahl der Staus, die durch von Lkw verursachte Unfälle entstehen, war noch nicht einmal mitgerechnet. Hauptursache dieser Unfälle: überhöhte Geschwindigkeit und zu geringer Sicherheitsabstand!
Der Bußgeldkatalog sieht für eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 11 – 15 km/h einen Tarif von 78,50 Euro vor. In der Regel dauern die Überholvorgänge auch deutlich länger als 45 Sekunden. Das kostet nach einem Urteil des OLG Hamm 80 Euro plus einen Punkt in Flensburg. Seit 2019 sind laut EU-Verordnung Fahrtenschreiber Pflicht, die elektronisch ausgelesen werden können. Technisch ist es der Polizei sogar möglich, im Vorbeifahren alle relevanten Daten dieser Fahrtenschreiber auszulesen. Auf jeden Fall müssen die aufgezeichneten Daten über einen längeren Zeitraum archiviert werden. Es müsste also – zumindest technisch – simpel sein, zumindest die Geschwindigkeitsübertretungen zu ahnden.
So ein 40-Tonner verbraucht bereits bei durchschnittlichen 80 kmh circa 40 Liter Diesel auf 100 km. Fährt er durchschnittlich 95 kmh verbraucht er locker 10 Liter mehr. Legt man nur schüchterne fünf Liter zugrunde, kommt man schon auf 65 Millionen Liter Diesel, die täglich nutzlos in die Luft geblasen werden.
Geradezu erschreckend ist für mich, dass offenbar die Ignoranz der StVO im Speditionsgewerbe eine lapidare Selbstverständlichkeit ist. So konnte ich im Internet einen Verbrauchstest von einem „KFZ-Anzeiger“ Stünings Medien GmbH aus Krefeld finden, in dem zwar belegt wird, dass eine Steigerung der Geschwindigkeit um sechs kmh zu fast 10 Prozent mehr an Spritverbrauch führt, aber nur zu kaum messbarem Zeitgewinn. Allerdings – der Test fand zwischen 82 und 88 kmh statt, also in einem gesetzlich verbotenen Geschwindigkeitsbereich!
Das Bundesamt für Güterverkehr beziffert die Zahl der Lkw, die auf deutschen Autobahnen unterwegs sind, mit 1,3 Millionen – täglich! Nehmen wir einfach mal – sehr bescheiden - an, jeder dieser Brummis fährt durchschnittlich 500 km/Tag. Zusammen sind das 6,5 Milliarden Brummi-Kilometer am Tag. Würde jeder nur alle 100 km bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von über elf km/h erwischt, ergäbe das 65 Millionen Bußgeldbescheide von 78,50 Euro – pro Tag! Insgesamt würden reichlich 5 Milliarden Euro an einem einzigen Tag an Bußgeldeinnahmen generiert. Aufs Jahr umgerechnet wären das bei angenommenen 220 Arbeitstagen mehr als 1.100 Milliarden Euro. Dabei sind Bußgelder wegen rechtswidriger Überholmanöver und zu geringem Sicherheitsabstand noch gar nicht mitgerechnet. Das ist locker das Doppelte des gesamten Bundeshaushaltes. Auch wenn diese Berechnung zweifellos ziemlich laienhaft ist, beschreibt sie doch die Größenordnung der alltäglichen Ignoranz gegenüber rechtlichen Regularien im Straßenverkehr.
Dabei sind das nur die Verstöße im Lkw-Verkehr auf der Autobahn. So scheinen die Fahrer größerer Limousinen, SUVs und insbesondere Kleintransporter in dreispurigen Baustellen die Nutzungseinschränkung für Fahrzeuge über 2,10 cm Breite der linken Fahrspur regelmäßig misszuverstehen. Offenbar glauben sie, es handele sich um eine Mindestbreite und diese Spur sei für sie reserviert. Die Benutzung des Blinkers beim Abbiegen oder Spurwechsel scheint regelhaft dem Datenschutz zu unterliegen. Es geht doch niemanden etwas an, wo man hin will.
Meine Knöllchen in Flensburg habe ich – zu Recht – wegen meiner Unachtsamkeit bekommen. Das aber, was da auf den Autobahnen geschieht, ist Vorsatz. Die Ignoranz der Straßenverkehrsordnung ist im Lkw-Verkehr derart durchgängig, dass gesetzestreue Lkw-Fahrer als lästige und exotische Raritäten erscheinen.
Was aber hat das alles mit der Gesundheit zu tun?
Diese Ignoranz der StVO ist zudem nicht nur extrem umweltbelastend, sondern auch direkt gesundheitsschädlich. Da gibt es beispielsweise eine Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO, wonach in Deutschland jährlich rund 75.000 Menschen aufgrund vonr Feinstaubbelastungen sterben – das sind rund 15 mal mehr Menschen, als etwa durch Verkehrsunfälle getötet werden. Der Lkw-Verkehr und die damit verbundene Feinstaubbelastung machen dabei rund 50 Prozent am Gesamtaufkommen der Emissionen in Deutschland aus, bemerkbar natürlich besonders in den Ballungsgebieten. Und Feinstaub unterscheidet sich von anderen Schadstoffen – wie Schwefeldioxid oder Stickstoffdioxid – grundlegend. Für letztere lassen sich Werte angeben, unter denen keine nachteiligen Wirkungen auf die menschliche Gesundheit zu erwarten sind. Feinstaub hingegen ist immer schädlich!
Aber eben nicht nur Feinstaub belastet die Gesundheit. Die wohl noch größere Katastrophe ist der Klimawandel. Gerade berichten die Politiker mit stolzgeschwellter Brust, dass Deutschland für 2022 seine Klimaziele erreicht habe. Was sie jedoch verschweigen: 148 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente wurden im vergangenen Jahr durch den Verkehr ausgestoßen – 1,1 Millionen Tonnen mehr als im Jahr 2021. Fast 10 Millionen Tonnen CO2 wären allein durch eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 km/h für Pkw einzusparen. Ich liege wohl nicht weit daneben, wenn ich behaupte, mindestens die gleiche Menge wäre durch eine konsequent durchgesetzte Einhaltung des Geschwindigkeitslimits für Lkw zu erzielen.
Die mittelfristigen Auswirkungen auf das Klima sind noch viel verheerender als die Folgen für das Rechtsempfinden der Bürger, die da, wo es wohlfeil und lukrativ ist, für moderate Verkehrsverstöße konsequent zur Kasse gebeten werden (was ich im übrigen gar nicht kritisiere), gleichzeitig aber hochgradig gefährliche und massiv umweltschädliche Vergehen mit noch größerer Konsequenz vollständig ignoriert werden. Was ist in diesem Rechtsstaat los, wenn junge Menschen, die die Klima-Katastrophe auszubaden haben, wegen ihrer vielleicht grenzwertigen Demonstrationen von „alten Säcken“, die eben diese Klima-Katastrophe verursacht haben, als „Umweltterroristen“ (Friedrich Merz - CDU) bezeichnet und des „Klima-Bla-Bla“ (Volker Wissing – Verkehrsminister, FDP) bezichtigt werden.