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König für einen Tag: Oleh Lebedyev (Belfiore), Benjamin Lee (Edoardo) und Lina Hoffmann (Giuletta) glänzen in Verdis Frühwerk „Un giorno di regno“.

Verdi-Frühwerk begeistert am MiR

'König für einen Tag'

Doppelhochzeit im Schloss des Barons Kelbar (der ukrainische Bass Yevhen Rakhmanin). Seine Tochter Giulietta (toller Mezzo, geradezu umwerfende Mimik: Lina Hoffmann) soll den ergrauten, auf den Rollstuhl angewiesenen Schatzmeister La Rocca (der südkoreanische Bass-Bariton Yisae Choi) heiraten, während seine verwitwete Nichte, die Marchesa del Poggio (die mit Ovationen gefeierte südkoreanische Sopranistin Heejin Kim), dem Grafen Ivrea (der südkoreanische Tenor Bogil Kim) ihr Ja-Wort geben soll.

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Dabei sind beide Bräute längst in anderen Händen: die Marchesa liebt den Cavaliere Belfiore (der ukrainische Bariton Oleh Lebedyev), während Giuletta ganz vernarrt ist in La Roccas Neffen Edoardo di Sanval (der amerikanische Tenor Benjamin Lee debütierte vor zwei Jahren als Rodrigo in „Otello“ am MiR). Überraschend trifft besagter Belfiore im Schloss Kelbars ein, freilich im Habitus des polnischen Königs, um diesem die unbemerkte Rückkehr aus dem Exil in seine Heimat zu ermöglichen. Und löst ein geradezu irrwitziges Labyrinth aus Irrungen und Wirrungen aus, in dem sich sämtliche Protagonisten zu verlieren scheinen…

Erstaunliche heitere Musik komponiert

Neben seiner letzten Oper „Falstaff“ ist „Un giorno di regno“ Giuseppe Verdis einzige komische Oper. Die allerdings nach der missglückten Uraufführung am 5. September 1840 in der Mailänder Scala sogleich vom Spielplan genommen wurde. Wie es überhaupt erstaunt, dass Verdi, der gerade nicht nur seine beiden Kinder, sondern auch Gattin Margherita verloren hatte, zum turbulenten, in Frankreich des Jahres 1773 spielenden Geschehen eine solch‘ heitere Musik komponieren konnte. Freilich gezwungenermaßen: der Scala-Impresario Bartolomeo Merelli bestand auf die Einhaltung des Kontraktes.

Der in Kanada geborene dänische Tenor Georg Hansen schlüpft als Delmonte in die Rolle des betagten Komponisten und Altenheim-Stifters Giuseppe Verdi.

Roman Hovenbitzer, gebürtiger Düsseldorfer Götz-Friedrich-Schüler in Hamburg, Opernregie-Professor in Hannover, durch zahllose Inszenierungen in Dortmund, Essen und Hagen hierzulande bestens eingeführt, hat als Leiter Szenisches Spiel am Opernstudio NRW die von Hermann Feuchter (Split-Screen-Bühne) und Johanna Ralser (skurrile Kostüm- und Haar-Kreationen) ausgestattete Abschlussinszenierung des aktuellen Jahrgangs übernommen, die am Freitag (9.6.2023) im Großen Haus des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier (MiR) umjubelte Premiere feierte.

Humoristisches Verwirrspiel

Hovenbitzers hierin pirandelleske zweieinhalbstündige Inszenierung zieht in Verdis humoristisches Verwirrspiel zusätzlich eine Theater-im-Theater-Ebene ein: Ort des Geschehens ist die „Casa di riposo per musicisti“, das von Verdi gestiftete Mailänder Altersheim für Musiker. „Heute Falstaff“ verkündet ein Plakat – und Giuliano Betta legt im Graben auch mit der Ouvertüre des 1893 uraufgeführten Spätwerks los, bevor er vom Altmeister persönlich (Georg Hansen) gestoppt und mit der Partitur seines Melodramma giocoso versehen wird: „Nur heute: König für einen Tag“.

Nach dem Doppelabend „Das Wundertheater/Wachsfigurenkabinett“ in 2022 präsentiert das von den vier kooperierenden Musiktheatern Essen, Gelsenkirchen, Dortmund und Wuppertal getragene Opernstudio NRW mit „Un giorno di regno“ auch seine heurige Produktion zum Spielzeitende am Kennedyplatz, wo sie bis zur Sommerpause nur noch zweimal aufgeführt wird: Am Sonntag, 11. Juni 2023, um 18 Uhr sowie am Sonntag, 18. Juni 2023, um 16 Uhr (Einführungen jeweils 30 Minuten vorher).

Die von Giuliano Betta schwungvoll dirigierte Produktion, bei der nicht nur der musikalische Leiter, sondern auch die Instrumentalisten der Neuen Philharmonie Westfalen sprachlich eingebunden sind, wird in die kommende Spielzeit 2023/24 übernommen, die Wiederaufnahme-Premiere findet am Samstag, 23. März 2024, statt. Da Heejin Kim ins MiR-Ensemble wechselt und Yisae Choi beim Opernstudio NRW bleibt, werden dann nur die Rollen des Cavaliere Belfiore und des Grafen Ivrea neu besetzt.

Vergangene Termine (2) anzeigen...
  • Sonntag, 11. Juni 2023, um 18 Uhr
  • Sonntag, 18. Juni 2023, um 16 Uhr
Samstag, 10. Juni 2023 | Autor: Pitt Herrmann