
Kuratoriums-Vize muss 470.000 Euro zahlen
Herne / Bielefeld / Bünde. Das Landgericht Bielefeld hat am 28. November 2014 den stellvertretenden Vorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung katholisches Krankenhaus Marien-Hospital Herne, Dieter Doktorczyk, zur "Zahlung von 469.358,45 Euro nebst 6 % Zinsen für 2011 und 4,5 % Zinsen seit dem 1. Januar 2012 an die tbbo Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft Bünde, vertreten durch deren Geschäftsführer Dipl. Betriebswirt Martin Bienen" verurteilt. (AZ 15 O 138/13). Außerdem legt das am 3. Dezember 2014 zugestellte Urteil fest, dass "der Beklagte die Klägerin (tbbo) von vorprozessualen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.761,40 Euro freizustellen hat." Mit Zins und Zinseszins sind bis Ende Februar 2015 mittlerweile fast 570.000 Euro fällig.
Ende einer bis Herbst 2010 "guten und vertrauensvollen Zusammenarbeit" von zwei Geschäftsführern und Gesellschaftern einer Ende Juni 2011 "still liquidierten" Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft, wie der Bünder Steuerberater Bienen als Zeuge in der Verhandlung der erstinstanzlich erfolgreichen Kündigungsschutzklage des 2013 insgesamt sechsmal fristlos gekündigten Geschäftsführers des Marien-Hospitals, Jürgen Hellmann, am 19. Februar vor der 3. Kammer des Herner Arbeitsgerichts auf die Frage von Kuratoriumsanwalt Brüggeler ausgesagt hatte, wie er überhaupt als Zeuge in dieses Verfahren gekommen sei.
Der damalige Geschäftspartner Bienen, der an der gemeinsamen Wirtschaftsprüfungs GmbH in Bünde 37,475 % (299.800 Euro) des Stammkapitals von 800.000 Euro hielt, hatte Partner Doktorczyk (62,525 % des Stammkapitals) "wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung sowie Schädigung des Gesellschaftsvermögens" fristlos kündigen lassen. Damit später verbunden die Aufforderung, wegen der am 21. Dezember 2010 von Dieter Doktorczyk schriftlich mitgeteilten außerordentlichen Kündigung des Gesellschafts-Vertrages zum Jahresende "als ausscheidender Gesellschafter auf Verlangen der Gesellschaft die betroffenen Gesellschafts-Anteile an einzelne oder an alle verbleibenden Gesellschafter abzutreten."
Der auch damals schon im Herner Kuratorium als Vertreter des Vorsitzenden, Dechant Christian Gröne, tätige Wirtschaftsprüfer reagierte mit Klage vor dem Landgericht Bielefeld. Von einem Anwalt aus dem Herner Stiftungskuratorium vertreten, wandte er sich gegen den fristlosen Rauswurf im Dezember 2010 und forderte noch angeblich nicht gezahlte Bezüge aus dem Herbst 2010. Diese Klage (AZ 16 O 69/11) wies das Landgericht Bielefeld am 22. Februar 2013 in vollem Umfang ab. Die zuständige Kammer für Handelssachen stellte auf zehn Seiten fest, dass das "Anstellungsverhältnis wirksam außerordentlich gekündigt" wurde und "einer weiteren Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen die Grundlage entzogen sei."
Dabei hob das Gericht als ersten Punkt heraus, dass Kläger Doktorczyk, gleichzeitig Vorsitzender der Sankt-Martinus-Stiftung in Bünde mit Ehefrau Susanne (2. Vorsitzende), Sohn Daniel und "dem katholischen Pfarrer Christian Gröne" im Vorstand, im März 2010 einen Auftrag vergeben hatte, den Internetauftritt dieser Stiftung neu zu konzipieren. Die Rechnung in Höhe von 3.272,50 Euro sollte dann an die gemeinsame Wirtschaftsprüfungs GmbH geschickt werden. Dabei sollte die Auftragnehmerin den Text neutral halten und die Stiftung nicht erwähnen. Das allein schon ein Kündigungsgrund, weil "damit das Vermögen der Beklagten zumindest gefährdet war," so das Landgericht.
Nach diesem rechtskräftigen Urteil ging Doktorczyks Ex-Partner Bienen wieder zum Landgericht Bielefeld und verklagte Ex-Gesellschafter Doktorczyk auf Ausgleich der Forderungen nach seiner Beteiligungsquote an der Bienen und Doktorczyk Vermögensverwaltung GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), die der (dann im Sommer 2013 still liquidierten) Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft tbbo nach Darlehensgewährung noch zustanden. Und gegen diese gemeinsame GbR war eine Forderung von 736.794,15 Euro der Wirtschaftsprüfungs GmbH ausgewiesen. Zwei Drittel davon waren 491.196,10 Euro, Als Kontoausgleich hatten die Eheleute Doktorczyk selbst 21.837,65 Euro geleistet, sodass der im Dezember auf 27 Seiten ausgeurteilte Betrag von 469.358,45 Euro verblieb.
Die Folge: Ex-Partner Martin Bienen leitete die Pfändung gegen den Kuratoriums-Vize in Herne ein. Immerhin wusste er, dass der zweite Mann im Kuratorium jährliche Einkünfte von gut 300.000 Euro aus seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer der Stiftung hatte. Außerdem sei ihm nach Ausgliederungs- und Übertragungsvertrag zwischen Stiftung Marienhospital und Fusionspartner Elisabeth-Gruppe durch Bürgschaft des Kuratoriums-Vorsitzenden Gröne ein "Abruf von 170 Stunden Tätigkeit im Monat für die Stiftung" garantiert worden, wobei der Stundensatz in der Branche bei 150 Euro liege. Dieser Vertrag vom 25. Juli 2014 beendete u.a. auch die Minderheits-Beteiligung der Stiftung Marien-Hospital von 20 Prozent an der St. Elisabeth-Gruppe seit dem 4. November 2013.
Die mit dem "Pfändungsbeschluss gegen Dieter Doktorczyk" am 23. Januar 2015 konfrontierte kontoführende Herner Sparkasse gab folgende Drittschuldner-Erklärung ab: "Wir erkennen Ihre Forderung als begründet an und haben Ihre Ansprüche auch für künftige Ansprüche vorgemerkt." Aber: "Der Schuldner führt bei uns als Konto ein Pfändungsschutzkonto ohne pfändbares Guthaben." Außerdem "liegen andere vorrangige Pfändungen vor" und "Wir haben eigene vorrangige Forderungen." Und dann die abschließende und für die Gläubiger wenig tröstliche Versicherung, "dass bei Überschreitung des kumulierten Guthabens über eine Grenze von 25 Euro wir Ihnen diese direkt zur Verfügung stellen."
Wohin also die monatlich fünfstelligen Honorare des Kuratoriums-Vize fließen, erschließt sich den Gläubigern noch nicht. Merkwürdig erscheint den Gläubigern aber, dass fast genau mit dem Zustellungsdatum des Bielefelder Urteils am 2. Dezember 2014 im Handelsregister des Amtsgerichts Bochum eine neue Gesellschaft "Real Invest GmbH" (Unternehmensberatung und Vermögensverwaltung) eingetragen wurde. Gesellschafter sind die beiden Söhne des Kuratoriums-Vize sowie die Ehefrau eines für die Stiftung Marienhospital als juristischem Berater tätigen Unternehmensberaters. Die neue Gesellschaft hat dieselbe Adresse in der Innenstadt wie das Büro eines weiteren Mitglieds des Kuratoriums Marienhospital.
Die Internetseiten der Sankt-Martinus-Stiftung in Bünde können übrigens seit dieser Woche nicht mehr aufgerufen werden. Stattdessen heißt es "Forbidden you don't have permission to access on this server."