
Die spinnen, die Griechen
'Laios' am Prinz Regent Theater Bochum
Eine Straße, von zwei Lampen beleuchtet, zieht sich quer über die Bühne des Prinz Regent Theaters, vorn kragt sie in die Zuschauertribüne hinein, hinten knickt sie zur Decke des einstigen Zechengebäudes im Süden Bochums ab. Hoch oben hängt die Solo-Darstellerin artistisch in den Seilen und erzählt eine Geschichte aus der Antike, die so komplex ist, dass sie zu ebener Erde fortgeführt werden muss.
„Die spinnen, die Griechen“: Und das durchaus unter launiger Einbeziehung des begeistert mitgehenden Publikums, wobei in der ausverkauften Premiere am 9. Februar 2025 vor allem der älteren Generation, bei der die Sagen des klassischen Altertums noch zum Bildungskanon gehören, zu Namen wie Kadmos, dem König von Theben, oder Pentheus, dem Ersterer noch zu Lebzeiten seine Herrschaft übergab, etwas einfiel. „Zeus, die alte Bumsbirne“ bekam gesondert sein Fett weg, weil er hinter dem Rücken seiner eifersüchtigen Gattin Hera dutzendweis fremdgegangen ist und nicht nur die phönizische Königstochter Europa entführt hat.
Blutiges Inzestdrama des Ödipus

Fast jeder kennt das blutige Inzestdrama des Ödipus – doch der Name seines verfluchten Vaters ist weit weniger bekannt: Laios. In Theben ist nach dem Ende des Pentheus und der Machtübernahme durch Labdakos, einem weiteren Enkel von Kadmos, eine Zeit voller Gewaltexzesse angebrochen. Laios, der Sohn des Labdakos, wird als rechtmäßiger Thronfolger aus dem Exil zurückgeholt und zum König gekrönt.
Doch ist er nicht allein nach Theben gekommen, an seiner Seite ist sein Geliebter, der junge Chrysippos aus Pisa. Die Bürger der Stadt rätseln flüsternd: Ist Chrysippos etwa der Grund, weshalb Laios und die Königin, Iokaste, noch keine Kinder haben? Als über Theben die Sphinx kreist, ein Wesen mit dem Körper eines Löwen, den Schwingen eines Adlers und dem Kopf einer Frau, dämmert es den Bürgern, dass ihnen Unheimliches bevorsteht…
Uraufführung mit Lina Beckmann
Der nach zwei Uraufführungen am Schauspielhaus Bochum, „Angebot und Nachfrage“ (2005) und „Besuch bei dem Vater“ (2007), im Revier bestens bekannte Dramatiker Roland Schimmelpfennig hat im Auftrag des Deutschen Schauspielhauses Hamburg eine fünfteilige Geschichte der antiken Stadt Theben nach Aischylos, Sophokles und Euripides verfasst. Teil zwei dieser „Anthropolis“ benannten Reihe ist „Laios“, in der Kritiker-Umfrage des Fachmagazins „Theater heute“ zum „Stück des Jahres 2024“ gekürt. Die Uraufführung am 29. September 2023 in der Regie von Karin Beier („Inszenierung des Jahres) mit der Hernerin Lina Beckmann („Schauspielerin des Jahres“) sorgte beim Berliner Theatertreffen 2024 für viel Aufsehen. Sie steht übrigens wieder am 15. März 2025 auf dem Spielplan des größten deutschen Schauspielhauses.
Lockere Version Hans Drehers
Die auf unsere Gegenwart bezogene und immer wieder auch sehr komische Geschichte ist nun in einer völlig anderen, unglaublich lockeren Version des Regisseurs Hans Dreher am Bochumer Prinz Regent Theater zu erleben – der nach „Die arabische Nacht“ (2001), „Push Up 1-3“ (2002) und „Der goldene Drache“ (2012) vierten Schimmelpfennig-Produktion am PRT. Da sein Text keine klare Rollenzuordnung besitzt, kann das Stück wie in Hamburg mit nur einer Schauspielerin besetzt werden, wobei dort fünf weitere Darsteller, darunter der frühere Bochumer Ernst Stötzner, im Video mitwirken. Während „Laios“ im Staatstheater Braunschweig von einer Dreiertruppe verkörpert wird, gibt im PRT als erst zweiter Bühne nach der Uraufführung Laura Thomas ein fulminantes Solo, das das Premierenpublikum zu stehenden Ovationen hinriss.
Ovationen für Laura Thomas
Laura Thomas lotst das Publikum nicht nur als lakonisch-ironische Erzählerin unserer Tage unfallfrei durch die verästelte, vom Autor gleich in mehreren Varianten offerierten Geschichte zwischen Liebesdrama und Krimi, die uns plötzlich gar nicht so alt erscheint. Sondern schlüpft, mit einiger Emphase, zwischendurch immer wieder in die Rollen des kommentierenden antiken Chores und einiger Figuren, bei denen Komik (so beim naiven Chrysippos) und Tragik nah beieinander liegen. Die Kölner Theater- und TV-Schauspielerin hält schließlich nicht hinterm Berg, wenn sie, speziell aus weiblicher Sicht, mit manchen Äußerungen Schimmelpfennigs nicht einverstanden ist.
Clara Eigeldinger hat den Ort des Geschehens mit minimalistischen Mitteln ausgestattet: An der Seite der Straße, auf der sich Vater Laios und Sohn Ödipus begegnen und die Prophezeiung des Orakels ihren unheilvollen Lauf nimmt, nach dem der unwissende Sohn seinen Vater erschlägt, um später die eigene Mutter zu ehelichen, steht eine Mülltonne mit der Aufschrift „Zeus“. Womit dem eigentlichen Schuldigen der rechte Ort in der Geschichte zugewiesen ist.
Die nächsten Vorstellungen der vorletzten Produktion des amtierenden Leitungsteams des PRT, Hans Dreher und Anne Rockenfeller: am Freitag, 14. Februar 2025, um 19:30 Uhr, am Sonntag, 2. März 2025, um 18 Uhr sowie am Mittwoch, 19. März 2025, um 19:30 Uhr. Karten gibt es online oder Tel 0234 – 771117.
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- Freitag, 14. Februar 2025, um 19:30 Uhr
- Sonntag, 2. März 2025, um 18 Uhr
- Mittwoch, 19. März 2025, um 19:30 Uhr