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Mit „Exposure“ hat das in Wanne-Eickel beheimatete Urban Arts Ensemble binnen kurzer Zeit bereits die vierte Produktion auf die Beine gestellt.

'Exposure' auf Zollverein

Leidenschaft pur

Das Publikum im Choreographischen Zentrum Pact Zollverein sitzt um die Tanzfläche herum, an den vier Ecken sind nur schmale Durchlässe für die überfallartigen Auf- und Abtritte des 16-köpfigen Ensembles freigehalten. Der Boden ist eine Art grüner Kunstrasen mit einem vom Schatten mehrerer Schlingen an der Decke gebildeten grafischen Muster, das immer wieder hinter energetischen Video-Projektionen zurücktritt.

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Das Bühnen-Geviert und damit auch das Publikum wird zu Beginn geradezu umlauert von den Akteuren des in Wanne-Eickel beheimateten Urban Arts Ensemble Ruhr und der aus der Hauptstadt Havanna stammenden Danza Contemporánea de Cuba. Einige tragen blinkende Stirnlampen – eine Reverenz an den Aufführungsort Zeche Zollverein? Unterhaltungsmusik aus der Goldenen Ära Hollywoods erklingt zunächst aus den Lautsprechern, die aus der Zeit der ausladenden amerikanischen Straßenkreuzer stammt, die noch heute die Straßen des karibischen Inselstaates bevölkern.

Rhythmen in der Magengrube

„Exposure“ ist eine alle Sinne der Zuschauer aktivierende Reise zum Menschen, zum Leben an sich.

Doch dann übernimmt der australisch-isländische Filmkomponist Ben Frost („Dark“, „1899“, „Raised By Wolves“, „Sleeping Beauty“) mit direkt in die Magengrube fahrenden Rhythmen, während ein Breakdancer, der einzige in Schuhen, zu Popping genannten roboterähnlichen Bewegungen über Headset in englischer Sprache Fragen stellt nach unserem derzeitigen und zukünftigen Leben.

Nun beginnt eine knapp sechzigminütige, alle Sinne der Zuschauer aktivierende Reise zum Menschen, zum Leben an sich: Rasante Gruppenchoreographien wechseln sich mit aberwitzigen Streetdance-Soli ab, bei denen man bisweilen um das körperliche Wohlbefinden der jungen Truppe fürchten muss.

Rauschhafte Welten

„Exposure“, die bereits vierte Produktion des mit Landesmitteln geförderten Urban Arts Ensembles, führt tänzerisch in rauschhafte Welten auf der Suche nach menschlicher Natur und dem Leben an sich. Dabei trifft zeitgenössischer Tanz auf afrokubanische Tradition und spektakuläre HipHop-Kultur in einer Inszenierung von Julio César Iglesias Ungo, der mit dem Ruhrgebiets-HipHop-Kulturkollektiv Pottporus bereits so erfolgreiche Tanzstücke wie „Triptique“ (2010), „Out of body“ (2013) und „The family“ (2014) an Spielstätten wie dem Schauspielhaus Bochum oder der Dortmunder Kokerei Hansa geschaffen hat.

Nun an seiner Seite der belgische Choreograf, Tänzer und interdisziplinäre Videokünstler Hans van den Broeck, mit dem Ungo zuletzt im Münsteraner Theater im Pumpenhaus mit bildmächtigen Arbeiten wie „The Hidden Door“ und „Bladerunner“ zusammengearbeitet hat.

Physische Choreografie

„Exposure“ wird in diesem Jahr noch dreimal aufgeführt.

Paare und Passanten, fremdsprachige Rufe, kollektives Niederlegen und Wiederaufstehen, Sprünge mit und ohne gereckte Faust, gegenseitige Schutzsuche durch Aneinanderschmiegen der Körper: Eindrucksvolle Bilder zu explosiver Klangcollage. Mit Lisha Chen, Jonas Krämer, Maksim Kuznetsov, Tonia Kyriakou, Toschkin Schalnich, Melena Tortoh, Christian Zacharas und Rymon Zacherei vom Urban Arts Ensemble Ruhr sowie acht Mitgliedern der staatlichen kubanischen Compagnie, die für ihre spezifischen Modern-Dance-Techniken bekannt und mit über 70 Preisen weltweit ausgezeichnet wurde, ist ein ungemein physischer und dynamischer, aber trotz der zum Ende hin artikulierten Frage nach dem eigenen Ich doch eher abstrakt-assoziativer Abend auf der Suche nach unseren Urinstinkten und ihrer Freisetzung entstanden. Der bei der Uraufführungs-Premiere am 6. Dezember 2024 auf Zollverein minutenlang beinahe in Ben-Frost-Lautstärke gefeiert worden ist.

Die weiteren Aufführungen

Samstag, 7. Dezember 2024, 20 Uhr, PACT Zollverein, Bullmannaue 20A in 45327 Essen Karten 15 Euro unter pact-zollverein.de

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Samstag, 7. Dezember 2024, um 20 Uhr

Freitag, 13. Dezember 2024, 20 Uhr und Samstag, 14. Dezember 2024, 20 Uhr: Theater im Pumpenhaus, Gartenstraße 123 in 48147 Münster Karten 18 Euro, ermäßigt 10 Euro unter pumpenhaus.de

Vergangene Termine (2) anzeigen...
  • Freitag, 13. Dezember 2024, um 20 Uhr
  • Samstag, 14. Dezember 2024, um 20 Uhr
Samstag, 7. Dezember 2024 | Autor: Pitt Herrmann