halloherne.de lokal, aktuell, online.
Floria Lind (Leonie Benesch) beruhigt die verwirrte Patientin Kuhn (Margherita Schoch), die zunächst gar nicht begreift, im Krankenhaus zu sein.

Vom alltäglichen Klinik-Wahnsinn

Leonie Benesch als 'Heldin'

Update, Donnerstag (27.3.2025)

Weiterhin zu sehen in der Filmwelt Herne, in der Schauburg Dortmund, im Casablanca und Union Bochum und im Eulenspiegel Essen sowie neu im Atelier Düsseldorf.

Anzeige: City Kirmes 2025

Der Kino-Text

Mit dem Bus zur Arbeit. Stress von Minute Eins ihrer Spätschicht auf der chirurgischen Abteilung eines Schweizer Krankenhauses. Weil eine Kollegin krank ist, muss Floria Lind (Leonie Benesch), alleinerziehende Mutter der Tochter Emma, für zwei schuften. Denn zur Betreuung von 26 Patienten steht nur noch ihre Kollegin Bea Schmid (Sonja Riesen) zur Verfügung, die auch die noch nicht eingearbeitete Erstsemester-Studentin Amelie Afshar (Selma Jamal Aldin) am Bein hat.

Entweder eine rote Lampe auf dem Flur blinkt oder das Telefon läutet. Weil Angehörige etwas wissen wollen oder eine entlassene Patientin ihre Brille vermisst. Die greise Frau Kuhn (Margherita Schoch), deren Tochter in Boston lebt, weiß nicht, wo sie ist und muss daher mit dem Lied „Der Mond ist aufgegangen“ beruhigt werden. Wie auch der Stammkunde Herr Leu (Urs Bihler), der Dickdarm-Krebs hat und seit mehreren Tagen auf seine Diagnose wartet, zumal er sich um die Betreuung seines elfjährigen Vierbeiners Charly daheim sorgt. Die darf ihm aber nur die Oberärztin Dr. Strahl (Nicole Bachmann) geben, welche sich einmal mehr frühzeitig in den Feierabend verabschiedet hat.

Wettlauf mit der Zeit

Erschwerend kommt hinzu, dass mit dem dauertelefonierenden Herrn Osmani (Alireza Bayram) ein Patient zu spät zu seinem Gallen-OP-Termin erschienen ist, der unbedingt ein Einzelzimmer will und auch von seiner immerhin Deutsch sprechenden Gattin (Albana Agaj) nicht von seinem Handy getrennt werden kann. Floria muss die beiden mit dem Fahrstuhl ins OP bringen, was ihren durchgetakteten Ablaufplan auf Station durcheinanderbringt.

Floria Lind (Leonie Benesch) kümmert sich um ihren Patienten Schneider (Heinz Wyssling), muss sich dabei aber mit seiner Tochter (Doris Schefer) auseinandersetzen.

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit – und ihrem Nervenkostüm: Herr Nana (Urbain Guigumemdé), ein Westafrikaner, der ohne Angehörige in der Schweiz ist, wartet ungeduldig – und notabene ängstlich – auf seinen CT-Termin. Herr Schneider (Heinz Wyssling) dagegen weiß, dass er sterben muss. Seine Tochter Pascale (Doris Schefer) verbringt jede Minute an seinem Bett, anstatt auch einmal an sich selbst zu denken. Herr Hungerbühler (Andreas Beutler) kann Floria mit seinen Anekdoten nur zum Schmunzeln bringen, wenn sie gerade einmal Zeit zum Ausschnaufen hat.

Körperliche Gewalt

Was nun gerade nicht der Fall ist, da Herr Song (Jeremia Thang) eine lebensgefährliche allergische Reaktion zeigt, weil Floria in der Hektik die Schmerzmittel zweier Patienten auf einem Zimmer verwechselt hat. Die Stationsärztin Leonie von Arx (Anna-Katharina Müller) zeigt volles Verständnis, tröstet Floria, die völlig genervt ist von spielenden Kindern und lauten Telefongesprächen, während sie einen Zugang legen muss. Und dann fragen auch noch die Söhne der schwer kranken Krebs-Patientin Bilgin (Eva Fredholm) mehrfach nach, wann sie denn nun mit einer Ärztin sprechen können. Als diese stirbt, muss sich Floria vor körperlicher Gewalt in Sicherheit bringen.

Das aber ist gar nichts gegen die Zumutungen eines Privatpatienten: Herr Severin (Jürg Plüss), der seinen Geschäftskunden verschweigt, dass er mit tödlichem Pankreas-Karzinom im Krankenhaus liegt, kommandiert seine „Assistentin“ Floria zum sofortigen Teekochen. Damit hat er das Fass zum Überlaufen gebracht – und seine 40.000 Franken teure Uhr landet draußen im Gestrüpp…

Großartige Leonie Benesch

Die in den USA lebende Schweizer Regisseurin Petra Volpe, Absolventin der Babelsberger Konrad-Wolf-Filmhochschule, greift nach ihrem Kinoerfolg „Die göttliche Ordnung“ über die reichlich verspätete Einführung des Frauenwahlrechts in der Alpenrepublik in „Heldin“ ein weiteres hochaktuelles Thema auf: den sich zuspitzenden Mangel an qualifizierten Pflegekräften – nicht nur in der Schweiz. Die großartige Leonie Benesch, fast zeitgleich auch in „September 5“ auf der Leinwand zu erleben, die mit „Das Lehrerzimmer“ den Deutschen Filmpreis gewann, ist die von Minute Eins an gestresste Titelheldin Floria Lind. Die sich nach Schichtende im Bus von der verstorbenen Patientin Bilgin trösten lässt…

Petra Volpe und Kamerafrau Judith Kaufmann begleiten sie mit dokumentarischer Präzision durch ihre Schicht: Fachberaterinnen waren die deutsche Pflegekraft Madeline Calvelage, Autorin des Sachbuchs „Unser Beruf ist nicht das Problem – Es sind die Umstände“ und die Pflegefachfrau Nadja Habicht. Leonie Benesch absolvierte vorab ein Praktikum im Kantonsspital Liestal, wo sie die Pflegenden bei ihrer Arbeit auf der viszeralen Chirurgie-Abteilung begleiten und die unterschiedlichen Handgriffe einstudieren konnte. Für Authentizität sorgen überdies echte Fachkräfte, Ärzte und das Reanimationsteam.

Atemlose Unmittelbarkeit

So erleben wir mit nahezu atemloser Unmittelbarkeit Floria Linds heißen Ritt durch die Strapazen eines chronisch überlasteten Systems, dem sie eine schier unglaubliche Kraft und große Empathie für ihre Patienten entgegensetzt. „Heldin“ ist eine packende Hommage an eine auch nach den bitteren Corona-Erfahrungen weitgehend von der Politik vernachlässigte Berufsgruppe. Der Spielfilm zeigt auf, wie wichtig eine gute Betreuung im Krankheitsfall für uns alle wäre – und wie sie derzeit aus personellen und letztlich finanziellen Gründen nicht möglich ist.

Anzeige: Herner Sparkasse Solit 2025

Der 92-minütige Film ist vom 23. Januar bis 20. Februar 2025 im leerstehenden See-Spital in Kilchberg gedreht worden, die Außenaufnahmen entstanden am Kantonsspital Baselland in Bruderholz. Uraufgeführt am 17. Februar 2025 in der Reihe Special Gala der 75. Berlinale, zum Kinostart am 27. Februar 2025 bei uns zu sehen im Casablanca Bochum, in der Schauburg Gelsenkirchen, im Eulenspiegel Essen sowie im Cinema Düsseldorf.

Donnerstag, 27. Februar 2025 | Quelle: Pitt Herrmann