halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Lina Beckmann reist mit ihrem fulminanten Hamburger Solo „Laios“ zum Berliner Theatergipfel.

Auch Bochums „Macbeth“ fährt nach Berlin

Lina Beckmann beim Theatertreffen

Die Hernerin Lina Beckmann ist zum 61. Berliner Theatertreffen eingeladen worden mit ihrem Solo „Laios“ im Rahmen des Antiken-Projektes „Anthropolis“ von Roland Schimmelpfennig am Deutschen Schauspielhaus Hamburg. Zum Festival, das heuer vom 2. bis 19. Mai 2024 in der Hauptstadt an zahlreichen Orten veranstaltet wird, hat die aus Kritikern besetzte Jury auch Johan Simons‘ Bochumer Shakespeare-Inszenierung „Macbeth“ eingeladen.

Anzeige: Sparkasse - S Vorteilswelt

Lina Beckmanns phantastisches Solo

In Theben hebt nach der Machtübernahme durch Labdakos eine Zeit voller Gewaltexzesse an. Schließlich wird Laios, der Sohn des Labdakos, aus dem Exil zurückgeholt und inthronisiert. Doch kommt er nicht allein, der junge Chrysippos aus Pisa begleitet ihn. Ist er der Grund für die Kinderlosigkeit des neuen Königspaares Laios und Iokaste oder ist es doch der Orakelspruch der Seherin Pythia? Schon taucht die nächste Kreatur vor den Toren der Stadt auf: die Sphinx, ein Tierwesen aus Löwe, Frau und Vogel, das die Stadt singend und rätselhaft in den mörderischen Wahnsinn treibt…

In einem hochpoetischen und multiperspektivischen Monolog, der die verschiedenen Charaktere und Mythenvarianten über den Vater des Ödipus zu Wort kommen lässt, geht die Inszenierung Karin Beiers der Frage nach, was das Paar Laios und Iokaste trotz des religiösen Verbotes dazu bewogen haben könnte, einen Nachkommen zu zeugen. Wie viel Verantwortung tragen die Eltern am Schicksal ihres Kindes Ödipus, das sie gleich nach der Geburt im Gebirge verschwinden lassen wollten? Wie viel Schuld wird von Generation zu Generation weitervererbt und wie viel Freiheit bleibt dem Einzelnen, sich daraus wieder zu befreien?

Die FAZ lobte die Jury-Auswahl der zehn „bemerkenswerten“ Inszenierungen des vergangenen Jahres in den höchsten Tönen: „Insbesondere freuen kann man sich über die Einladung des Bochumer ‚Macbeth‘ mit Jens Harzer und des Hamburger ‚Laios‘ mit Lina Beckmann – zwei wirkliche Theaterereignisse.“

Johan Simons‘ „Macbeth“

Marina Galic, Stefan Hunstein und Jens Harzer (v. li.) im Bochumer „Macbeth“.

Fast zeitgleich mit Roger Vontobels sehr musikalischem Ruhrfestspiel-„Macbeth“ mit Werner Wölbern in der Titelrolle, einer Koproduktion mit dem Stadttheater Bern, brachte Bochums Intendant Johan Simons am 12. Mai 2023 den Shakespeare-Klassiker im Schauspielhaus heraus: Ein blutiger Reigen als beckettsche Farce der Sinnlosigkeit. In Nadja Sofie Ellers kühler Bühne, ein gekachelter Baderaum mit einem Bett wie ein Sarkophag, treten die drei Darsteller Marina Galic, Jens Harzer und Stefan Hunstein zunächst als Hexen im großen Schwarzen mit Lackschuh und Fliege auf. Letzterer gibt die Parole aus: „Schön ist schlimm und schlimm ist schön.“

Der ständige Rollenwechsel, Jens Harzer gibt nicht nur Macbeth, sondern auch Duncan (muss sich sozusagen selbst ermorden) und Malcolm, während Marina Galic nicht nur Lady Macbeth verkörpert, sondern auch Banquo und Macduff samt seiner Lady, irritiert die wachsende Zahl mit der Handlung nicht so vertrauter Zuschauer. Weils aus seiner Sicht eine Komödie ist, wenn auch eine blutige, gibt’s die bekannten Simons-Gags (Tempo-Taschentücher) und das ständige Aus-der-Rolle-Fallen der Protagonisten.

Zum übertriebenen Zeige-Theater gesellt sich das vom Publikum goutierte exaltierte Spiel Jens Harzers. Und ich frage mich, was aus der Sicht der Zuschauer gewonnen ist durch den fliegenden Rollenwechsel und die stark komprimierte Form? Als Banqo auf eine höchst theatralische Weise die Augen ausgestochen werden, gibt’s Gelächter im offenbar durch die tägliche Kriegsberichterstattung in der „Tagesschau“ und das Splatter-Horror-Streaming im Wohnzimmer gestählte Publikum.

Dem Figurenarsenal fehlt jede Tiefe, dennoch ist der kurzweilige Abend großes Schauspielertheater. Vom schluffigen Hippie Stefan Hunstein als „Hexe 1“, der sich dauernd zwischen die beiden anderen drängt, über die chaplineske Marina Galic, die an Bochums „heilige Johanna“ Therese Affolter erinnert, bis hin zu Jens Harzers traurigem Clown mit roter Nase als schließlich kannibalistisch ermordeter Macbeth. Bochum stand am Premierenabend Kopf.

Riesenerfolg für Johan Simons

Für das Schauspielhaus Bochum ist es bereits die fünfte Einladung in der bislang fünfjährigen Intendanz von Johan Simons, für den es bereits die achte Berlin-Nominierung als Regisseur ist. Insgesamt sind in der Geschichte des Festivals mittlerweile 33 Produktionen von der Königsallee nach Berlin gereist. Johan Simons: „Immer wieder haben wir uns gefragt, was die Essenz dieses blutigen Dramas ist. Immer wieder sind wir bei den Proben zum Ausgangspunkt zurückgekehrt, setzten neu an, um den Stoff zu durchdenken, bis wir dort landeten: bei den drei Schicksalsschwestern, den Hexen des Stückes, die das Ende der Moral feiern, in einem Spektakel der Grausamkeit – das scheint uns erschreckend aktuell. Ich bin glücklich, dass das Ergebnis dieser Arbeit so viel positive Resonanz erfährt und dem Publikum etwas zu bedeuten scheint.“

Anzeige: Herne: Gemeinsam für eine saubere Stadt

Die beiden nächsten, gut dreistündigen Vorstellungen von „Macbeth“ in Bochum findet am Samstag, 3. Februar 2024, um 19:30 Uhr (Einführung um 19 Uhr) sowie am Sonntag, 10. März 2024, um 19 Uhr (Einführung um 18.30 Uhr, anschließend Publikumsgespräch) statt. Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33 33 55 55.

Vergangene Termine (1) anzeigen...
  • Samstag, 3. Februar 2024, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann
Stellenanzeigen: Jobs in Herne