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Lücken in der Zeiterfassung genutzt

"Dann soll noch mal einer sagen, die Technik wäre ein Segen für die Arbeitswelt." Stoßseufzer von Arbeitsrichter Ulrich Nierhoff, nachdem er und seine beiden ehrenamtlichen Richterkollegen Schnabel und Steckel mit Hilfe von Stadtjustiziar Maykemper und Abteilungsleiter Riedel von Stadtgrün sich in die Tiefen der verschiedenen Zeiterfassungs-Systeme bei der Stadtverwaltung Herne eingearbeitet hatten. Das Ganze im Rahmen eines Verfahrens gegen die Stadt, das ein heute 32 Jahre alter Gärtner und Spielplatzkontrolleur mit Rechtsanwältin Dr. Hüsken gegen seinen Dienstherrn angestrengt hatte.

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Mindestens seit 2013 soll sich der seit 2004 nach seiner Ausbildung beschäftigte Stadtgrün-Mitarbeiter nach Darstellung der Stadt durch die Nutzung von zwei der drei verschiedenen Zeiterfassungssysteme enorme Vorteile bei der eigenen Arbeitszeit von täglich siebeneinhalb Stunden verschafft haben. Irgendwann fielen der Gleitzeitbeauftragten im Fachbereich 12 (Personal) Ungereimtheiten auf, die zur Überprüfung der Zeiterfassung des Mannes führten. Mit erstaunlichem Ergebnis: Der Mann benutzte nicht nur die ausschließlich im gewerblichen Bereich von Stadtgrün verwendete Gleitzeitkarte mit monatlicher Auswertung sondern nahm auch über einen sogenannten H-Schlüssel und seinen persönlichen Zugangscode Zugriff auf die über den Computer mit seinem Passwort zugängliche und von ihm auch zu verändernde Zeiterfassung.

"Ein Bereich, in dem er nichts zu suchen hatte," so sein Chef Riedel schon im ersten Gerichtstermin Mitte August nach "fristloser, verhaltensbedingter Tatkündigung" vom 18. Juli. Durch die Nutzung der verschiedenen Zeiterfassungssysteme mit unterschiedlichen Angaben zu Urlaub, Arbeitszeit oder Krankheitstagen kam der Mann nach Berechnungen des Personalamts auf eine tägliche Arbeitszeit von nur noch fünfeinhalb bis sechs Stunden. Da tauchten im einen System Arbeitstage auf, die im anderen System als Krankheitstage gemeldet wurden, oder da kam es auch mal zur Doppelbuchung von über 70 Arbeitsstunden.

Leutselig erklärte der von Rechtsanwältin Dr. Hüsken vertretene Kläger, er habe die beiden Erfassungssysteme "aus Gründen der eigenen Arbeitszeitsicherheit genutzt," wobei ihm die erheblichen Unterschreitungen der eigenen Arbeitszeit "nicht so aufgefallen" seien. Er habe geglaubt, "dass alle Daten am Monatsende sowieso an einer Stelle zusammenlaufen." Spätestens an dieser Stelle sprach das Gericht "von Schutzbehauptungen." Das "ständige Unterschreiten der Sollarbeitszeit hätte Ihnen auffallen müssen," so das Gericht weiter, um dann aber auch den Fachbereich Personal aufs Korn zu nehmen. "Die Kammer kann nur mit dem Kopf schütteln," kommentierte Richter Nierhoff, dass sowas überhaupt möglich war und auch erst so spät auffiel.

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Deshalb auch sein Vorschlag, die fristlose Kündigung zumindest in eine fristgerechte zum 31. März 2015 abzuändern. So geschah's denn auch auf dem Vergleichsweg. Der jetzt bis Ende März mit einem Monatsgehalt von rund 2.500 Euro brutto freigestellte Mitarbeiter, dessen Jobsuche nach Angabe seiner Anwältin bisher erfolglos war, muss sich zumindest bis dahin über seinen Lebensunterhalt nicht mehr ganz soviel Sorgen machen. Das städtische Zeiterfassungssystem wurde mittlerweile auch so geändert, dass solche Doppelerfassungen nicht mehr möglich sind. (AZ 5 Ca 1886/14)

Donnerstag, 18. Dezember 2014 | Autor: Helge Kondring