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Die Blaubärte der MiR Dance Company geben alles in Trikots, die sich sowohl an Yves Kleins Musiktheater-Blau als auch an Schalkes Königsblau orientieren.

'Blaubart 2.0' am Musiktheater im Revier

Lustvoll-virtuoses Spiel mit der Wirklichkeit

Mehr als ein halbes Dutzend Türen begrenzen die leere Bühne des Kleinen Hauses vom Musiktheater im Revier (MiR) am Gelsenkirchener Kennedy-Platz. Aus einer von ihnen ragen Hände und Füße heraus, die einen vor der Tür sitzenden Tänzer berühren. Der bewegt sich zu Mandolinen-Klängen geschmeidig auf das in der Mitte der Rampe stehende Mikrophon zu: „Wir freuen uns, dass Ihr hier seid!“

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Ein Satz, mit dem das Publikum gleich mehrfach begrüßt wird, so auch von einem fast nackten Barttäger, der in kurzer Sporthose einer Rotlicht-Kabine rechterhand entsteigt: die Farbe der höchst unterschiedlichen Kostüme des Choreographen Andrea Costanzo Martini orientiert sich sowohl an Yves Kleins Musiktheater-Blau als auch an Schalkes Königsblau.

Alles Blaubärte oder was?

Zu Binyas flottem Sound ein allein der sich von sportlich bis seriös-businessmäßig geradezu widersprechenden Klamotten wegen lustiger Pas de trois erweitert sich zu einem großen Ensemblestück der 14-köpfigen Spota-Compagnie: alles Blaubärte einschließlich des Schottenrock-Trägers. Oder ist es eine Trägerin? Lässt sich nicht ausmachen, und auf den ersten Blick schon gar nicht.

Der italienische Choreograf Andrea Costanzo Martini spielt in seiner gut einstündigen Choreographie „Blaubart 2.0“ mit den Realitätsebenen und der Wahrnehmung der Theaterbesucher – und das in einer immer wieder verblüffenden, am Ende wahre Jubelstürme auslösenden Virtuosität. Sind es wirklich sämtlich Männer, die sich in einer Gruppenchoreographie mit einschlägig bekannten Gesten der Selbstgewissheit exponieren?

Absurd-virtuose Slapstick

Um danach zu bekennen, kein Stück über Blaubart, den vielfachen Frauenmörder mit der charakteristischen Bartfarbe, aufführen zu wollen. Die mahnende Schauergeschichte des Franzosen Charles Perrault an das weibliche Geschlecht, ihre Neugierde zumal auf durch Türen verschlossene Räume tunlichst im Zaum zu halten, wäre heute auch allzu sehr aus der Zeit gefallen.

Streckt Pablo Navarro Muñoz dem Publikum gar die Zunge ‘raus? Andrea Constanzo Martini spielt in „Blaubart 2.0“ mit den Realitätsebenen und der Wahrnehmung der Theaterbesucher.

Martini hat vielmehr ein jetzt in Gelsenkirchen uraufgeführtes absurdes, virtuos-slapstickhaftes Tanztheaterstück entwickelt, das mit allen Erwartungen bricht und lustvoll scheinbare Wahrheiten hinterfragt. „Wir wollen Spaß haben, albern und verrückt sein, der Phantasie freien Lauf lassen“: Sprechen die Tänzer die Texte tatsächlich ins bereit gestellte Standmikrophon oder bewegen sie nur synchron zum aus dem Off kommenden Satz die Lippen? Dazu klopfen unsichtbare Geister heftig an den Gelsenkirchener Türen.

Lügen und andere Wahrheiten

Lügen und andere Wahrheiten, frei nach Vanessa Jopps für den Deutschen Filmpreis nominierter und mit dem Deutscher Filmmusikpreis 2015 ausgezeichneter Komödie, erschaffen keine durchgängige Erzählung, „Blaubart 2.0“ ist kein Handlungsballett. Aber doch eine Aneinanderreihung kleiner szenischer Schnipsel, die mit biographischen Bruchstücken aus dem Off ergänzt oder gar verifiziert werden. Was ist Wahrheit, was ist Fake?

Nur noch drei Vorstellungen

Ein stummer Pas de deux als Ringen ohne Kampf, aber mit brutalem Ende, ein martialischer Wrestling-Auftritt mit Entsorgungs-Klappe in die blutrote Hölle, varietéreife Körperakrobatik – dem Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt. Ein wenig Blaubart 1.0 dann doch noch, bühnennebelumhüllt und ergänzt um muttersprachliche Märchenerzählungen der Compagniemitglieder aus ihren Kulturkreisen. Der an überraschenden Wendungen reiche Abend, der auch der Frage nachgeht, wieviel Blaubart in uns selber steckt, ist ein äußerst kurzweiliges, die Fantasie des Publikums anregendes Virtuosenstück, das nur noch dreimal auf dem Spielplan steht.

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Karten ab 15 Euro unter musiktheater-im-revier.de sowie an der Theaterkasse (Montag und Samstag von 10 bis 14 Uhr, Dienstag bis Freitag von 10 bis 18.30 Uhr) unter Tel. 0209 – 4097200. Die weiteren Vorstellungen im Kleinen Haus des MiR:

  • Sonntag, 6. April 2025, 18 Uhr
  • Donnerstag, 17. April 2025, 19.30 Uhr
  • Sonntag, 27. April 2025, 18 Uhr
April
6
Sonntag
Sonntag, 6. April 2025, um 18 Uhr MIR - Musiktheater im Revier, Kennedyplatz 1, 45881 Gelsenkirchen Karten ab 15 Euro unter musiktheater-im-revier.de sowie an der Theaterkasse (Montag und Samstag von 10 bis 14 Uhr, Dienstag bis Freitag von 10 bis 18.30 Uhr) unter Tel. 0209 – 4097200.
Weitere Termine (2) anzeigen...
  • Donnerstag, 17. April 2025, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 27. April 2025, um 18 Uhr
Donnerstag, 20. März 2025 | Autor: Pitt Herrmann