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Schönheit und Vergänglichkeit der Kirschblüte: Sidonie (Isabelle Huppert) und Kenzo (Tsuyoshi Ihara) verlieben sich.

Eine Hymne an das Leben

Madame Sidonie in Japan

Update, Donnerstag (25.7.2024)

Läuft weiterhin im Casablanca Bochum, in der Schauburg Dortmund, im Essener Luna im Astra und im Bambi Düsseldorf.

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Der Film-Text

Mit langen Kamerafahrten und ungewöhnlichen Perspektiven der Bildgestalterin Céline Bozon wie der Blick durch einen schmalen Türrahmen auf die raumhohen Bücherregale in der Wohnung der etablierten französischen Schriftstellerin und Dramatikerin Sidonie Perceval (Isabelle Huppert), beginnt ein universeller Film über das Gefühlsleben von Menschen in ihren besten Jahren, die skeptisch auf ihr bisheriges Leben zurückblicken und vielfach den Mut zur Veränderung verloren haben.

Sidonie hat von ihrem japanischen Verleger die Einladung zu einer Lesereise erhalten, nachdem ihr vor vierzig Jahren erschienenes Erstlingswerk in Japan neu aufgelegt worden ist. Noch auf dem Pariser Flughafen zögert sie, die Einladung anzunehmen. Denn sie trauert noch immer um ihren nach einem Autounfall verstorbenen Mann Antoine (August Diehl). „Ich bin ihr Verlag“: In Osaka wird sie von Kenzo Mizoguchi (Tsuyoshi Ihara) begrüßt. Sie muss als erstes lernen, dass das Verbeugen vor anderen Personen geübt sein will – und wer wann und wie zu grüßen ist, etwa im Luxushotel in Osaka wie in allen späteren Herbergen.

Der zunächst arg wortkarge Kenzo, der einst französische Literatur an der Sorbonne studiert hat, übernimmt sogleich die Regie der gemeinsamen Tour und hilft Sidonie, so manche Klippe im japanischen Alltag zu umschiffen. Ihre Handtasche darf sie nicht selbst tragen, was im späteren Verlauf des Geschehens zu einem Running gag mutiert. Und Hotelfenster lassen sich aus Sicherheitsgründen generell nicht öffnen. Auf langen Taxifahrten durch Japan kommen sich beide allmählich näher. Es stellt sich eine gewisse Wesensverwandtschaft heraus: Nach seiner gescheiterten Ehe und der Trennung von seiner Frau ist auch Kenzo von einer tiefen Melancholie befallen.

Sidonie gerät aus der Fassung

Als Sidonie sich plötzlich mit Antoines Geist konfrontiert sieht, der, scheinbar quicklebendig, erst in der Hotel-Lobby auf einem Kofferkuli sitzt und dann in ihrem Zimmer auf sie wartet, gerät sie vollkommen aus der Fassung. Weil sie nicht schlafen kann, nimmt sie einen Whiskey an der Bar – und trifft dort auf Kenzo. Der ihr erklärt, dass in Japan die Geister der Verstorbenen überall um die Lebenden herum existieren.

Was Sidonie eine ganz neue Perspektive eröffnet: Sie lässt sich, auf einem Friedhof in Kyoto und sogar beim Kartenspiel in ihrem Hotelzimmer, mit dem verstorbenen Antoine ein und findet so einen Weg, ihre Trauer zu überwinden und den Verstorbenen endlich gehen zu lassen. Regisseurin Élise Girard im Majestic-Presseheft: „Antoines Geist ist letztlich eine ganz normale Person, was auch an einer tiefen Grundüberzeugung von mir liegt: der Tod ändert nicht wirklich etwas daran, was wir für einen geliebten Menschen empfinden oder wie wir an ihn denken.“

Während ihrer Lesereise durch Japan erscheint Sidonie (Isabelle Huppert) der Geist ihres verstorbenen Mannes Antoine (August Diehl).

Die beiden nicht mehr so einsamen Menschen fahren durch das frühlingshafte Japan: einer ersten Umarmung auf einer Schiffspassage folgt der erste Kuss unter blühenden Kirschbäumen. Und Sidonie wagt sich erstmals auch allein ins Gewimmel der Einkaufsstraßen. Als sie ihren Rückflug nach Orly antritt, hat Kenzo noch ihre Handtasche umhängen…

Entstanden ist eine poetische Liebesgeschichte

Das Drehbuch für Élise Girards dritten Spielfilm nach „Belleville-Tokio“ und „Schräge Vögel“ entstand bei einem Stipendium-Aufenthalt des Institut Français in Kyoto. Die poetische Liebesgeschichte, mit Isabelle Huppert, Tsuyoshi Ihara und August Diehl hochkarätig besetzt, zeigt neben dem hektischen, lauten modernen Japan auch ein kontemplatives, geschichtsbewusstes, ganz selbstverständlich mit Traditionen lebendes Land. Und ist daher alles andere als eine Culture-Clash-Komödie, wie sogar im Majestic-Presseheft zu lesen ist.

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Sondern ein immer wieder auf langen Taxifahrten spielendes subtiles Road-Movie über Verlustängste und Gefühle, welche sich die Protagonisten lange Zeit selbst nicht eingestehen wollen. Am 1. September 2023 auf der 80. Biennale in Venedig uraufgeführt und am 30. Juni 2024 beim 41. Filmfest München erstmals in Deutschland gezeigt, ist die 92-minütige Hymne an das Leben, „Madame Sidonie in Japan“, zum Kinostart am 11. Juli 2024 in den beiden Bochumer Kinos Casablanca und Union, im Eulenspiegel Essen und im Bambi Düsseldorf zu sehen

Donnerstag, 11. Juli 2024 | Autor: Pitt Herrmann