
Fotografien von 1968 bis heute
Manfred Vollmer – ausgelöst
„Mein Revier ist das Revier“ lautet das Motto des 1944 in Torgau an der Elbe geborenen, im südbadischen Emmendingen aufgewachsenen und seit seiner Ausbildung in Essen lebenden Fotografen Manfred Vollmer. Und doch geht sein Interesse und seine fotografische Arbeit sehr viel weiter. Bereits das erste große Projekt, seine Abschlussarbeit an der Folkwangschule zum Thema „Kirchenfeste in Italien“, führt ihn Ende der 1960er Jahre in das Sehnsuchtsland der Deutschen – und seither immer wieder vor allem nach Süditalien.
Seit 1970, nachdem er das Examen mit dem Folkwangpreis abschloss, arbeitet er stets als freier und damit als unabhängiger Fotograf vor allem für Wochen- und Tageszeitungen, für Verlage und Gewerkschaften, besonders für die IG Metall. Und baut sich systematisch ein Archiv mit einem großen Themenspektrum auf. Das, bezogen auf die analoge (Schwarzweiß-) Fotografie, inzwischen die Sammlung des Essener Ruhrmuseums bereichert.

Beim Presserundgang durch die Ausstellung „Manfred Vollmer – ausgelöst“, die pandemiebedingt ohne Vernissage vom 6. Februar bis zum 15. Mai 2022 in der Ludwig Galerie Schloss Oberhausen gezeigt wird, schwärmte der Essener von der „Goldenen Zeit“ der analogen Fotografie, worunter er die 1970er und 1980er Jahre versteht. Als er etwa 1978 in die Bretagne reiste, um als Bildreporter über die Ölpest zu berichten, die die Havarie des amerikanischen Tankers „Amoco Cadiz“ verursacht hat. Dafür erhielt er den ersten Preis beim World Press Photowettbewerb in der Kategorie „News Picture Stories“.
Per Intercity-Kurier oder gar Luftfracht mussten seinerzeit die im eigenen Labor entwickelten Abzüge zu den Auftraggebern gebracht werden, wenn es sich um eilige Terminsachen handelte. Das ist heute in der digitalen Welt, an die er sich zu Beginn der Nullerjahre erst mit innerem Widerstand und erheblichen Schwierigkeiten gewöhnte, einfacher. Dafür sind die Honorare schlechter, was sich besonders im Print-Bereich tagesaktueller Medien bemerkbar macht.
Das wohl prägendste Element seines Werkes sind seine die eigene Empathie für den Bildgegenstand nicht verheimlichenden Fotografien aus dem Ruhrgebiet, ob es sich um Reportagen über die Arbeitskämpfe in den 1980er Jahren, seine Begleitung von Arbeitern unterschiedlicher Branchen oder die Anteilnahme an den Lebensbedingungen der damals so genannten „Gastarbeiter“ handelt. In den 1970er Jahren reist Vollmer wiederholt in die DDR, wo er als Besucher Alltagsszenen und Städteansichten fotografiert – und das riskanterweise ohne offizielle Akkreditierung. Die Fotoserie über die Wiedervereinigungsfeier in Berlin Anfang Oktober 1990 ist ihm ein besonderes Anliegen.

In den 1990er Jahren arbeitet er für die Internationale Bauausstellung Emscher Park und begleitet zahlreiche der Strukturwandelprojekte. Zur Kulturhauptstadt Ruhr 2010 trägt Vollmer mit seinen zum Teil monumentalen Bildern zu einem neuen Image des Ruhrgebietes bei und schafft Ikonen, die bis heute für den Struktur- und Kulturwandel unserer Region stehen, vom „Still-Leben Ruhrschnellweg“ mit der Sperrung der A 40 über die auch über Herne schwebenden gelben Ballons der „Schachtzeichen“ bis hin zum „Day of Song“ mit den tausenden singenden Menschen.
In der Panorama-Galerie vis-a-vis des Schlosses sowie im benachbarten Kabinett ergeben knapp 80 programmatische Aufnahmen in elf thematisch gegliederten Gruppen, darunter ein 1970 im Revierpark Gysenberg entstandenes Foto über sportliche Freiluft-Aktivitäten, eine überblickende Werkschau. Der für 29,80 Euro an der Museumskasse erhältliche Katalog stellt Manfred Vollmers fotografisches Werk erstmals monografisch ausführlich vor.
Aufgrund der aktuellen Corona-Lage mussten alle Februar-Termine des Begleitprogramms gestrichen werden. Führungen mit der Direktorin Dr. Christine Vogt finden am 6. März und 15. Mai 2022 jeweils um 15 Uhr statt. Dr. Susanne Sommer, Direktorin des Kultur- und Stadthistorischen Museums Duisburg, hält am 20. März 2022 um 15 Uhr den Vortrag „Manfred Vollmer – Fotografien aus dem Ruhrgebiet“.
Die Ludwig Galerie Schloss Oberhausen hat folgende Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr; montags geschlossen, feiertags sowie Oster- und Pfingstmontag geöffnet. Der Eintritt zur Vollmer-Retrospektive ist frei. Weitere Informationen im Netz unter ludwiggalerie.de