
Hip-Hop-Operette begeistert tänzerisch und musikalisch
'MC Messer' im Theater Oberhausen
„Ich verlange ja keine Oper hier. Aber irgendwas, was nicht bloß in Fressen und Zotenreißen besteht, hättet ihr schließlich auch vorbereiten können“: Was Mackie Messer in der „Dreigroschenoper“ von Bertolt Brecht und Kurt Weill, mit der Erich Engel am 31. August 1928 das Berliner Theater am Schiffbauerdamm eröffnete, von seinen Spießgesellen einforderte, hätte ich vom Ko-Autor und Regisseur Neco Çelik auch erwartet.
Oder doch zumindest erhofft, ist er doch für seine erste Opern-Regie 2011, der Adaption des Spielfilms „Gegen die Wand“ von Fatih Akin in Stuttgart, mit dem deutschen Bühnen-Oscar „Der Faust“ ausgezeichnet worden. Für „MC Messer“, der zweiten Produktion des Herner Urban Dance-Kollektivs Pottporus am Theater Oberhausen, ist solches nicht zu erwarten. Çelik, der sich mit seinen beiden Koautoren Matthias Faltz und Marc Becker, warum auch immer, auf Brechts Vorlage, John Gays 1728 in London aufgeführte „The Beggar’s Opera“, beruft, hat den Stoff kräftig entschlackt und sich auf das hier fremdenfeindlich interpretierte Duell zwischen Macheath alias Mackie Messer, hier: MC Messer (Shrimp Cake), und Jonathan Peachum, hier: Herr Springmann (Claudio Schulz-Keune), konzentriert.

Bei Brecht, dessen fiktionsbrechenden Zwischenüberschriften nun entsprechend abgewandelt werden („Der Rap des Verratenen“, „Der Rap vom angenehmen Leben“), betreibt der Kapitalist ein Geschäft, dessen Clou darin besteht, gesunde Menschen als Krüppel erscheinen zu lassen: Das bringt beim Betteln auf der Straße mehr, weil es die Herzen der zunehmend verstockten Menschen rührt. Als der Weiberheld Mackie Messer seine Tochter Polly verführt und diese mit dem Segen des korrupten Polizeichefs „Tiger“ Brown auch noch ehelicht, gibt es für Peachum kein Halten mehr: Macheath muss der Justiz ans Messer geliefert werden. Schon wird der Galgen gezimmert...
Schon bevor die neunzigminütige „Hip-Hop-Operette“ beginnt, werden dem Haifisch sämtliche Zähne gezogen: In einer zum Fremdschämen billigen Klamotte gibt sich die biodeutsche Familie Springmann, Gattin Jennifer Ewert muss mit gepolstertem Hintern herumstolzieren, Tochter Bush.ida als freche Göre aus den 1970er Jahren herumnölen, im Foyer die Ehre, fläzt sich dann in die zweite Parkettreihe und quasselt dauernd dazwischen. Später auf der Bühne wird das Elternpaar Springmann alles dafür tun, ihre Tochter Polly auf den richtigen, also spießig-bürgerlichen Weg zurückzuholen. Wofür auch Papas Spezi, Inspektor Braun (Harun Raşit Çiftçi), eingespannt wird.
Da hat sich MC Messer freilich längst selbst als Fremder, als Kanake eingeführt mit Affenlauten und Tarzan-Geschrei. Von Ironie kann da keine Rede sein, von der Behauptung im Programmheft, mit solchen Klischees wurden immer wiederkehrende Narrative gegenüber Migranten etwa als gefährliche Clanmitglieder entlarvt, ganz zu schweigen. Shrimp Cake überzeugt immerhin als Tänzer wie seine Kollegen des in Wanne-Eickel beheimaten Urban Arts Ensembles, doch die anfangs noch begeisternde Choreographie von Eva Pageix versandet bald als inhaltslose Staffage.
Dass die bisher aufwändigste Pottporus-Produktion kein völliger Rohrkrepierer ist, liegt an intelligenten, wenn auch nicht klischeefreien Rap-Texten und der immer wieder auf Kurt Weill bezogenen Live-Musik einer fünfköpfigen Band unter der Leitung Michael Lohmanns, der neben kurzen Anspielungen und höchst akzentuierten Arrangements auch zahlreiche eigene Kompositionen beigesteuert hat.
Die nächsten Aufführungen von „MC Messer“ im Theater Oberhausen
- Freitag, 26. April 2024, 19:30 Uhr
- Dienstag, 7. Mai 2024, 19:30 Uhr
- Mittwoch, 8. Mai 2024, 19:30 Uhr
- Freitag, 28. Juni 2024, 19:30 Uhr
Karten gibt es unter theater-oberhausen.de oder an der Theaterkasse unter Tel 0208 – 85 78 184.
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- Freitag, 26. April 2024, um 19:30 Uhr
- Dienstag, 7. Mai 2024, um 19:30 Uhr
- Mittwoch, 8. Mai 2024, um 19:30 Uhr
- Freitag, 28. Juni 2024, um 19:30 Uhr