
Umjubelte Wiederaufnahme in Essen
„Nabucco“ im Aalto-Theater
In Giuseppe Verdis dritter Oper „Nabucco“, am 9. März 1842 in der Mailänder Scala uraufgeführt, sind die Israeliten von den Soldaten des babylonisch-assyrischen Königs Nabucco (ein Bariton der Extraklasse: Heiko Trinsinger) eingeschlossen. Hoffnung besteht, als Ismaele (Alejandro Del Angel), Neffe des hebräischen Königs, der von beiden Königstöchtern, der umtriebigen Abigaille (püppchenhafte Amazone mit Schnellfeuerwaffe und Saluto romano: Astrik Khanamiryan) und der eher zurückhaltenden Fenena (Liliana De Sousa), geliebt wird, Letztere dazu gewinnen kann, mit ihm zu fliehen – und später sogar zum jüdischen Glauben zu konvertieren.
Feuerrote Haare
Zaccaria (Almas Svilpa), der jüdische Hohepriester, nimmt Nabuccos Lieblingstochter Fenena sogleich als Geisel. In Andreas Baeslers Inszenierung ist er ein Fundamentalist im Vergleich zu seinem muslimischen Gegenüber, dem Oberpriester des Baal (Andrei Nicoara). Abigaille, deren feuerroten Haare vor 16 Jahren offenbar als Symbol einer emanzipierten Femme fatale galten, hat erfahren, nicht die leibliche Tochter Nabuccos zu sein, sondern von Sklaven abzustammen. Sie lässt sich als Gallionsfigur eines Aufstands gegen den König, der als Gott verehrt werden will, gewinnen. Nabucco unterzeichnet in geistiger Verwirrung das Todesurteil gegen die Israeliten und damit auch gegen Fenena.
Erst als ihm durch schreckliche Wahnvorstellungen der bevorstehende Tod seiner Tochter klar wird, kehrt sein Verstand zurück und Abdallo (Jongyoung Kim vom Opernstudio NRW) kann ihn wieder auf den Thron zurückführen. Der strafende Gott Zebaoth bekehrt die Ungläubigen einschließlich des Titelhelden, der die hinter Stacheldraht zusammengepferchten Hebräer heim zu des Jordans Ufern kehren lässt und der sterbenden Abigaille, die sich aus Verzweiflung vergiftet hat, verzeiht.
Nationaloper Italiens
Giuseppe Verdis Dramma lirico, dessen vier Teilen programmatisch Motti nach dem Buch Jeremias aus dem Alten Testament vorangestellt sind, gilt seit der zum Fanal mutierten Uraufführung als Risorgimento-Nationaloper. 1842 war Italien noch in die habsburgischen Staaten im Norden und die bourbonischen im Süden geteilt. Das Mailänder Publikum nahm den Gefangenenchor „Va, pensiero, sull' ali dorate“ aus dem dritten Teil der Oper, bis heute die inoffizielle italienische Nationalhymne, als Aufforderung, endlich die nationale Einheit zu verwirklichen unter Einschluss Savoyens, der Toskana und des Rom und das Latium umfassenden Kirchenstaates. Sie wurde erst zwischen 1860 und 1870 erreicht.
In Andreas Baeslers dreistündiger Inszenierung, die erstmals am 11. April 2009 herausgekommen war und seitdem mehrfach wiederaufgenommen wurde, steht naturgemäß nicht mehr die Hoffnung auf nationale Einigung Italiens im Mittelpunkt, sondern werden die leidenschaftlich geführten inneren und äußeren Konflikte der Protagonisten um Glaube, Liebe, Hoffnung, um Eifersucht, Verblendung und (selbst-) zerstörerisches Machtstreben thematisiert in der zeitlosen Ausstattung von Harald B. Thor (Bühnen-Architektur) und Alfred Mayerhofer (Kostüme in gewöhnungsbedürftiger Buntheit).
Aus der Zeit gefallen
Das kann man, etwa im Vergleich zu Jens-Daniel Herzogs hochpolitischer Abschieds-Inszenierung 2018 nach siebenjähriger Intendanz in Dortmund – mit der holländischen Sopranistin Gabrielle Mouhlen als mit Ovationen gefeiertem Gast vom Essener Aalto-Theater – als aus der Zeit gefallen kritisieren angesichts der Renaissance unerbittlicher autoritärer Regime weltweit. Andererseits sind gerade der einmal mehr stark geforderte Opernchor und die nun von Andrea Sanguineti geleiteten Essener Philharmoniker „die“ Verdi-Spezialisten im Revier, was sich auch darin zeigt, dass alle Partien mit Ensemblemitgliedern besetzt werden konnten. Ja, es wird einmal mehr zu viel an der Rampe agiert, was freilich auch daran liegt, dass Chor und Statisterie die Drehbühnen-Architektur zwischen antikem Pantheon und faschistischem Brutalismus gänzlich in Beschlag nehmen.
Karten
Karten unter theater-essen.de oder unter Tel 0201 81 22-200.
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