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Die Panda-Pand mit (v.l.) Silvia Schmidt, Nina Holtvoeth und Philipp Kiefer, gepowert von der musikalischen Schrecke ( Christian Zell).

'Wenn Pandas flöten'

Nach Saša Stanišićs Kinderbuch

Es war einmal in China ein Pandabär namens Nicht-Peter (überzeugt bereits in ihrer vierten Rolle am WLT: die Kölnerin Nina Holtvoeth), denn welcher Panda heißt schon Peter? Nicht-Peters Hobbys sind Schlafen und Essen - Bambus vor allem. Um an die leckeren Knabberstangen heranzukommen, muss er schon ‘mal auf einen Baum klettern. Aber nur kurz, versteht sich. Denn Nicht-Peter, der sich allen Ernstes als „bedächtigen Bodenturner“ bezeichnet, ist nicht nur verschlafen und verfressen, sondern vor allem faul.

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Aber durchaus allem Neuen aufgeschlossen: Als er rein zufällig in ein solches Bambusrohr hineinbläst kurz vorm Abbeißen, kommt ein leiser Ton dabei heraus. Was Nicht-Peter zunächst ganz schön erschreckt. Aber der grüne Kerl von (Heu-) Schreck (glänzt auch als Erzähler: Christian Zell im vierten Jahr eine Bank in Castrop) weiß Rat: Er zaubert sechs Löcher in das Bambusrohr und schon kann man auf diesem eine Melodie erpusten. Aus leisen und lauten Tönen, aus schrägen und nicht so schrägen.

Bambus nicht nur knabbern

Seine beiden Freunde, Nicht-Gerhard (David Kiefer), der Panda mit dem blauen Auge, der ständig raufen möchte, und die rotbeschopfte Nicht-Olivia (Silvia Schmidt), das laute und gesellige Pandamädchen, das vor nichts und niemandem Angst hat, sind sogleich dabei und gründen ein Panda-Pand genanntes Trio. Letztere musste freilich erst lernen, das Bambusrohre nur bespielt werden können, wenn man sie nicht zuvor angeknabbert hat.

Bald dringen furchterregende Geräusche durch den Wald. Von Motorsägen und großen Baggern: dem Bambuswald, einziges Rückzugsrefugium der schwarz-weißen Säugetiere, die in ihrer chinesischen Heimat „Bären-Katzen“ genannt werden und bis zu 160 Kilo schwer werden können, geht es an den Kragen. Dabei verdrücken die weltweit wahrscheinlich beliebtesten „Teddies“ bis zu 40 Kilogramm Bambus täglich.

Christian Zell als (Heu-) Schrecke ist so etwas wie der Spiritus Rector der dreiköpfigen Panda-Pand.

Musik im Mittelpunkt

Diesen Aspekt thematisiert die WLT-Dramaturgin Sabrina Klose, welche das 2021 im Hamburger Carlsen-Verlag erschienene Kinderbuch „Panda-Pand“ des 1978 im bosnischen Višegrad geborenen und seit 1992 in Deutschland lebenden Schriftstellers Saša Stanišić für die Bühne bearbeitete, jedoch nur am Rand. Ganz im Mittelpunkt der rund 40-minütigen Inszenierung von Marvin Moers steht die Musik der Panda-Pand.

Wobei die drei Musiker nicht nur Bambusrohre als Klangkörper nutzen, die in China übrigens Di-Zi genannt werden: diese Querflöten aus Bitterbambus haben den vielfach ausgezeichneten Hamburger Autor Saša Stanišić, dessen Erzählungen und Romane bisher in über 30 Sprachen übersetzt worden sind, zu seiner Geschichte inspiriert. Die Panda-Pand formt im Bambuswald gefundenen Müll als Instrumente, was man durchaus als zwiespältig sehen kann.

Frankophile Bambusratte

Nachdem Christian Zells Schrecke zur frankophilen nachtaktiven Bambusratte Watte als Dirigent mutiert ist, geht die Post so richtig ab – auf der Bühne wie im Parkett mit neu betexteten Cover-Versionen solch immergrüner Hits wie „Marmor, Stein und Bambus bricht“ über „Die Bären rasen durch den Wald“ bis hin zu „Born to Be Wild“ und neuen, extra für diese Produktionen entstandenen Liedern von Sabrina Klose (Text) und Tankred Schleinschock (Musik). Nach einer tollen Schulstunde heißt es leider schon: „Weine nicht, wenn der Vorhang fällt…“

In der um drei Höhlen ergänzten Bambuswald-Bühne von Marc Mahn glänzt in witzig stilisierten Panda- und Heuschreck-Kostümen von Rabea Stadthaus ein bestens aufgelegtes Ensemble mit zwei Neuzugängen, die bereits bei der Vorab-Premiere von „Alice im Wunderland“ zum Ende der vergangenen Saison ihre Feuerprobe bestanden haben mit der aus Bremen nach Castrop-Rauxel gewechselten Silvia Schmidt in der Titelrolle und dem frisch von der Schauspielschule gekommenen David Kiefer als Hutmacher und Humpty Dumty.

Gelungenes Regie-Debüt

Marvin Moers, Regieassistent im Abendtheaterbereich des Westfälischen Landestheater, zeigt in seiner ersten Regie am WLT die in der Vorlage angesprochene Umwelt-Problematik durch ein kindliches Auge, was Raum lässt für Gespräche mit Kita-Erziehern oder den Eltern daheim. Er setzt vor allem auf den Spaß des ganz jungen Publikums, der bei Nicht-Peters demonstriertem Pipi-Pfotenstand grenzwertige Phonstärken erreicht und dem unbändigen Bewegungsdrang der Kids mit dem halben Dutzend toller Songs zum Mitklatschen Rechnung trägt, während sich die begleitenden Erwachsenen an ihre Zeit mit Drafi Deutscher, Steppenwolf oder der Mundorgel am Lagerfeuer erinnern.

Sonntag, 8. Dezember 2024 | Autor: Pitt Herrmann