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Kinofilm: 'Freibad'. Ein Herz und eine Seele: Frauenbad-Leiterin Rocky (Lisa Wagner), ihr „Strandperlen“-Pächter Kim (Comedian Nico Stank) und ihre Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina).

Sommerkomödie von Doris Dörrie

Neu im Kino: 'Freibad'

Es ist Sommer und sehr heiß bei Rocky (Lisa Wagner), die irgendwo im Bayerischen das einzige Frauenfreibad Deutschlands leitet (gedreht wurde im August und September 2021 unweit von München). Als glühende, selbst aber eher grazile Sylvester-Stallone-Anhängerin sitzt sie an der Kasse und ist ständig damit beschäftigt, ihre Muskeln zu stählen. Arbeit hält Rocky von sich fern, halst vielmehr der natürlich weiblichen Bademeisterin Steffi (Melodie Wakivuamina), welche unüberhörbar aus der Schweiz kommt, neben der Verantwortung für die Schwimmer- und Nichtschwimmerbecken auch noch die Liegewiese auf.

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Ein Kerl auf dem einem Tennis-Schiedsrichterstuhl gleichenden sonnenbeschirmten Hochsitz, der einen Überblick auf das ganze Freibad ermöglicht, wäre den Stammkundinnen auch nicht zuzumuten. Vor allem nicht dem emanzipatorischen duo infernale zweier Freundinnen, die sich seit alten frauenbewegten Demozeiten kennen und stets die gleichen Liegen unter einem Sonnenschirm für sich beanspruchen: die gutsituierte Lehrerin Gabi (Maria Happel) und die nur „Kaiserin“ genannte Schlagersängerin Eva (Andrea Sawatzki), die nach Hörproblemen ihren Beruf an den Nagel hängen musste und nun ein eher bescheidenes Dasein fristet.

Gabi ruft nach einem unter einer türkischen Großfamilie ausgebrochenen handfesten Streit auf der Liegewiese die Polizei, was sich aber rasch als Fehlalarm herausstellt. Geht es doch lediglich um die Auseinandersetzung der säkularen Mutter Emine (Ilknur Boyraz) und weiterer liberal eingestellter Angehöriger wie Sema (Sema Poyraz) und Melek (Arzu Ermen) um den Burkini, mit dem Emines Tochter Yasemin (Nilam Farooq) plötzlich im Bad aufgetaucht ist. Sie empfinden den hauteng anliegenden Ganzkörper-Badeanzug, der die Kurven der attraktiven Germanistik-Studentin unterstreicht, als Provokation. Weil ihn Yasemin, die von ihrer Kommilitonin Paula (Julia Jendroßek) geradezu gestalkt wird, keineswegs aus religiösen Gründen trägt.

Kinofilm: 'Freibad'. Die besten Freibad-Freundinnen Gabi (Maria Happel) und Eva (Andrea Sawatzki).

Racial Profiling? Das sehen der herbeigerufene Polizeibeamte Henner (Simon Pearce) und seine Kollegen naturgemäß anders und decken sich bei Kim (Comedian Nico Stank), als Betreiber der „Strandperle“ der einzige im Bad geduldete, weil offenbar schwule Mann, mit Bratwürsten ein. Vorurteile gibt’s schließlich auch unter Frauen, auch unter solchen wie Gabi und Eva, die sich als Vorkämpferinnen für die Gleichberechtigung der Geschlechter verstehen: Als eine von Woche zu Woche größere Gruppe verschleierter Niqab-Trägerinnen um die elegante Syrerin Kamila (Sabrina Amali) die Liegewiese bevölkert und Kim der Nachfrage entsprechend beim Grillen von Schweinswürstel auf Lamm umstellt, ist es mit der demonstrativen Multikulti-Begeisterung der beiden schlagartig vorbei.

Bikini, Badeanzug, Burkini oder Toppless: Wem gehört das Bad und wer bestimmt die Regeln? Steffi ist die ständigen Reibereien leid und schmeißt hin. Rocky bleibt keine andere Wahl, als mit Evas neuem Untermieter, dem Studenten Nils (Samuel Schneider), einen männlichen Bademeister einzustellen. Was zu neuen Problemen führt: während die Araberinnen, Bade-Flüchtlinge aus der Schweiz, die dort nicht nach ihren Regeln schwimmen gehen dürfen, ausbleiben, erfreuen sich immer mehr Stammgäste am äußeren Erscheinungsbild des selbsternannten aquatischen Menschen – nicht zuletzt die „Uschi Obermaier von Giesing“ (zur Erklärung der Jüngeren: Fotomodell, 1968er Sex-Symbol und als Freundin von Rainer Langhans Mitglied der Berliner Kommune I).

Bis es zum nächtlichen Happy End im geschlossenen Bad kommt, nähere Einzelheiten werden hier nicht gespoilert, vergehen rund einhundert zumeist turbulente Minuten. Die mit wortwitzigen Dialogen des Autorinnen-Trios Karin Kaçi, Madeleine Fricke und Doris Dörrie, einer tollen Besetzung, herausragend das in vielerlei Hinsicht mutige Protagonistinnen-Duo Maria Happel und Andrea Sawatzki, erfrischenden Bildern (Kamera: Hanno Lentz) und einer flotten Mucke (Musik: Anna Kühlein) von „Sweet Dreams“ (Eurythmics) bis „Kiss Me“ (Sixpence None The Richer) punktet.

„Freibad“, am 25. Juni 2022 beim Filmfest München uraufgeführt, hat das Zeug zu einer richtigen Sommerkomödie mit durchaus diskussionswürdigem Hintergrund. Der Sommer ist schon fast vorbei, wenn sie am 1. September 2022 in unsere Kinos kommt - bei uns zu sehen im Casablanca Bochum, im Astra Essen sowie im Cinema Düsseldorf.

Mittwoch, 31. August 2022