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Die elfjährigen Laurì verkörpert den neunjährigen Oskar, der darauf beharrt, ein Mädchen zu sein und sich Lili nennt.

Neu in der Filmwelt Herne

Oskars Kleid

Unscharfe und dazu noch verwackelte Amateurvideos künden von einer glücklichen Vergangenheit der vierköpfigen Familie des Münchner Polizisten Ben Kornmann (Florian David Fitz). Der sich in schlaflosen Nächten in seiner inzwischen zugemüllten Doppelhaus-Hälfte an ihnen nicht sattsehen kann. Er hängt zum Erstaunen seines Streifenwagen-Kollegen Seyit (Kida Khodr Ramadan) auch noch nach anderthalb Jahren so an seiner Ex-Frau Mira (Marie Burchard), dass „Schatz“ im Handy-Display aufleuchtet, wenn sie anruft.

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Die gemeinsamen Kinder Oskar (Laurì) und Erna (Ava Petsch) leben bei der Mutter und ihrem neuen Mann Diego (Juan Carlos Lo Sasso). Als die hochschwangere Mira nach einem Salsa-Kurs vorzeitig in die Klinik muss, ziehen die beiden Kinder für die nächsten zwei Wochen beim Vater ein. Ben staunt über die forsche Erna, die noch in den Kindergarten geht, Fußballerin werden will und stolz darauf ist, im Stehen pinkeln zu können. Noch mehr aber wundert ihn das gelbe Kleid, das er im Koffer seines neunjährigen Sohnes findet: Oskar beharrt darauf, ein Mädchen zu sein, nennt sich Lili und wird auch so in der Schule von Lehrern und Klassenkameraden akzeptiert.

Der vorübergehend Alleinerziehende Ben (Florian David Fitz) erhält überraschend Besuch von Frau Steck (Nora Boeckler) vom Jugendamt.

Ist Transgender die neue Magersucht, wie ein „Experte“ im YouTube-Video behauptet? Also nur eine Modeerscheinung? Ben sträuben sich die Haare, auch Seyit findet Oskars Verhalten höchst befremdlich. Und beider Vorgesetzter Peter (Gustav-Peter Wöhler) zeigt erst recht kein Verständnis: Statt Sonderurlaub für den vorübergehenden, aber hoffnungslos überforderten Alleinerziehenden gibt’s Sondereinsätze. Weil die Kinder nicht in der Wache bleiben dürfen, werden sie kurzerhand im Spieleparadies eines Möbelhauses geparkt.

Nachdem Lili auf der Polizeiwache einer Transfrau (Georgette Dee) begegnet ist und erkannt hat, dass sie nicht die Einzige auf der Welt ist mit Identitätsproblemen, zieht sie wieder ihr gelbes Lieblingskleid an. Was Bens Eltern (Senta Berger und Burghart Klaußner), welche die beiden Kinder nun beherbergen, nicht verstehen, weshalb sie Lili mit in ihre Synagoge zum Rabbi nehmen.

Um ihrem Vater zu gefallen, schneidet sich Lili die Haare ab und geht als Junge zur Schule. Was Ben nicht weiß: Seine „Ex“ hat Oskar dort als Mädchen Lili angemeldet. Was Folgen hat: Plötzlich steht mit Frau Steck (Nora Boeckler) eine Dame vom Jugendamt vor der Tür. Obwohl sich die beiden Kinder alle Mühe geben, ihr heile Familienwelt vorzugaukeln, droht diese mit Pflegefamilie und gerichtlicher Klärung. Kein Wunder, dass Papa jetzt heimlich zum Flachmann greift.

Plötzlich ist Lili verschwunden. Diego und der schwer alkoholisierte Vater suchen verzweifelt nach ihr, in einem Waldstück, im Möbelhaus, überall vergeblich. Als Ben am anderen Morgen auf freiem Feld erwacht, ist Lili an seiner Seite. Sie wollte nicht nur weglaufen: „Ich wollte einfach verschwinden“, um allen nicht weiterhin das Leben schwer zu machen. Hat sich dann aber doch um den hilflosen Papa gekümmert. Der nun endlich begreift, dass Lili geglaubt hat, nur mit der eigenen Auslöschung die Probleme der Erwachsenen mit ihr lösen zu können. Der über sein eigenes Verhalten entsetzte Ben schämt sich für alberne Verbote daheim (nicht im Sitzen pinkeln!) und versichert Lili, dass sie sich für nichts zu schämen braucht und dass er sein Kind immer lieben wird, ob als Oskar oder Lili…

„Oskars Kleid“, wurde am Donnerstag (15.12.2022) im Münchner Arri-Kino uraufgeführt, kommt am Donnerstag, 22. Dezember 2022, in unsere Kinos - auch in die Filmwelt Herne. Der 48-jährige Schauspieler Florian David Fitz, der auch als Regisseur Erfolge feiern konnte („Jesus liebt mich“, „Der geilste Tag“, „100 Dinge“), hat das Drehbuch zu einer der bemerkenswertesten Produktionen des deutschen Kinos im jetzt zu Ende gehenden Jahr 2022 verfasst: eine zu Herzen gehende Komödie (!) zum Thema Transsexualität, ganz aus der Sicht des von ihm selbst verkörperten Vaters geschildert. Der gebürtige Münchner erzählt die Geschichte einer Überforderung mit großem Mut zur Ehrlichkeit: Gesellschaftliche Vorurteile treffen auf persönliche Verletzungen und Eifersucht – Ben gerät mit der Identitätssuche seines Kindes an die eigenen Grenzen der Akzeptanz.

Regisseur Hüseyin Tabak, 1981 in Bad Salzuflen als Kind türkischer Gastarbeiter geboren, absolvierte ein sechsjähriges Studium an der Filmakademie Wien bei Michael Haneke und machte zuletzt mit dem Boxerdrama „Gypsy Queen“ von sich reden. „Oskars Kleid“ ist einmal kein trockenes Befindlichkeitsdrama zu einem hochaktuellen gesellschaftlichen Problem, sondern eine höchst unterhaltsame Familienkomödie mit einigen melodramatischen Ausschlägen bis hin zum märchenhaften Happy End nach gut einhundert Minuten.

Sie lebt wesentlich von der zweiten Debütantin neben Ava Petsch, der elfjährigen Laurì: in Bayern geboren gibt sie die Lili so selbstverständlich cool und gleichzeitig so ausdrucksstark und anrührend. Florian David Fitz im Warner Bros.-Presseheft: „Ich habe alles versucht, damit ,Oskars Kleid‘ ein witziger, charmanter, trauriger, schöner und berührender Film wird, und Hüseyin hat seinen unschätzbaren Teil dazu beitragen. Die Zuschauer werden allein in Laurìs Augen sehen, wie so ein persönliches Thema wie Transgender selbst Kinder beschäftigen kann. Wenn sie einen mit ihrem fragenden Blick anschaut, siehst du darin eine ganze Welt. Dies ist der echte Gewinn unseres Films.“

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  • Donnerstag, 22. Dezember 2022
Mittwoch, 21. Dezember 2022 | Autor: Pitt Herrmann