Das bisschen Haushalt im Aalto-Theater
Rossinis 'La Cenerentola'
Als der Philosoph und Magier Alidoro (Baurzhan Anderzhanov, umjubelter Bass aus dem eigenen Ensemble), der hier als Bettler im Müllsack-Outfit (Kostüme: Tanja Liebermann) erscheint, mitbekommt, wie die schmächtige Angelina (die Essener Mezzosopranistin Liliana de Sousa ein wahres Koloraturwunder), die den scheinbar armen Kerl sogleich mit Kaffee und Panini versorgt, von ihrer Familie gemobbt und als Aschenputtel missbraucht wird, verspricht er dieser eine triumphale Rehabilitation.
Neues Ensemblemitglied
Alidoro stiftet den Fürsten Don Ramiro (der junge ukrainische Tenor Mykhailo Kushlyk, gefeierter Gast aus Meiningen, verstärkt ab Januar 2025 das Aalto-Ensemble) zu einer Verwechslungskomödie an, um Angelinas hochmütigen Stiefvater Don Magnifico (der stimmgewaltige italienische Bariton Vincenzo Nizzardo als Gast) zu foppen, der, hochverschuldet, seine beiden leiblichen Töchter Clorinda (Ks. Christina Clark) und Tisbe (Nataliia Kukhar) meistbietend unter die Haube bringen will.
Don Ramiro tauscht kurzerhand mit seinem Diener Dandini (der bulgarische Bariton Alec Avedissian als Gast aus Innsbruck) Kleidung und Rollen - und schaut sich zunehmend zornig an, wie Angelina von Don Magnifico als Hausmädchen ausgenutzt und von ihren Stiefschwestern gedemütigt wird. Als Dandini verliebt sich Don Ramiro sogleich in die ob ihrer Stellung in der Familie zwar verzweifelte, aber stets bescheidene und gütige Angelina, zumal diese, von Alidoro entsprechend ausgestattet, trotz Gesichtsschleier die ganze Hofgesellschaft verzaubert.
Hochmut kommt vor dem Fall
Hochmut kommt – jedenfalls im Märchen - vor dem Fall und so finden am glücklichen Ende der junge Fürst und die graue Maus Angelina, genannt Cenerentola, zueinander. Jedenfalls bei Gioacchino Rossini und seinem Librettisten Jacopo Ferretti, der das Märchen „Cendrillon ou La Petite pantoufle de verre“ („Cendrillon oder der kleine gläserne Pantoffel“) von Charles Perrault als Grundlage nahm.
Kleider machen Leute: Weshalb Bruno Klimek in der ersten „La Cenerentola“-Inszenierung am Essener Aalto-Theater überhaupt, die am 7. Dezember 2024 viel Beifall, aber auch einige Buh-Rufe des längst nicht ausverkauften Hauses erhielt, plötzlich alle, die eben noch auf Jens Kilians leergeräumter Bühne in Alltagsklamotten unserer Tage unterwegs waren, gepuderte Perücken und ausgestellte Kleider des 18. Jahrhunderts tragen lässt, erschließt sich mir nicht.
Brechtsche Verfremdung
Wie auch sonst die dreistündige Inszenierung des Essener Folkwang-Professors, legendären Mannheimer Schauspielchefs und spätberufenen Opernregisseurs („Nacht in Venedig“) eine Menge Fragen aufwirft: Wieso muss auch Don Ramiro verarmt sein und auf eine möglichst reiche Partie spekulieren? Warum verlieben sich Herr und Diener gleichzeitig in dieselbe verschleierte Frau, obwohl sie doch nur ihr güldenes Kleid zu Gesicht bekommen? Was hat im spätbarocken Setting der Hinweis auf eine dritte Tochter Don Magnificos im Personenverzeichnis zu suchen, der einem Brechtschen V-Effekt gleichkommt?
Andere Klimeksche Einfälle wie das Schreibmaschinen-Konzert und die Teller-Choreographie des Herrenchors, der allerdings im späteren Handlungsverlauf folgenlos bleibende Sturzbach goldener Pumps oder das kollektive Ausrollen eines Blumenwiesen-Bodens über das zumeist gähnend leere Parkett unterstreichen die Leichtigkeit und spielerische Anmut dieser im Übrigen in all‘ den Jahrzehnten meiner beruflichen Tätigkeit im Revier stets grell überzeichneten Typenkomödie in der Tradition der Commedia dell'arte. Ein besonders stürmisches Ausrufezeichen setzt der Schauspieler, Performer und Regisseur Francesco Matejcek, Physical-Theatre-Absolvent der Folkwang-Universität, als Alidoro-Double. Die Schlusspointe aber ist Klimeks bester Einfall und soll auch nicht gespoilert werden: Das bisschen Haushalt…
Dienende Funktion des Orchesters
Gioacchino Rossinis Drama giocoso in zwei Akten „La Cenerentola ossia La bonta in trionfo“ („Das Aschenputtel oder: Der Triumph der Güte“), am 25. Januar 1817 am Teatro Valle in Rom uraufgeführt, ist beim musikalischen Leiter Tommaso Turchetta, 1. Koordinierter Kapellmeister des Aalto-Theaters, in guten, wenn auch zunächst nicht in allerbesten Händen. Wie Klimek dem eigenen Anspruch, dass die Inszenierung der Musik zu folgen habe, nicht gerecht wird, so gelingt es Turchetta nicht, die Lautstärke der einmal mehr überzeugenden Essener Philharmoniker dem Vermögen der Gesangssolisten anzupassen – in dienender Funktion versteht sich.
Karten für die Vorstellungen im Aalto-Theater unter theater-essen.de oder Tel. 0201 8122 200. Blaue Stunde am Montag, 31. März 2025, 19:30 Uhr. Die weiteren Vorstellungen:
- Freitag, 13. Dezember 2024, 19.30 Uhr
- Sonntag, 22. Dezember 2024, 16.30 Uhr
- Dienstag, 31. Dezember 2024, 19 Uhr
- Freitag, 3. Januar 2025, 19.30 Uhr
- Donnerstag, 6. Februar 2025, 19.30 Uhr
- Sonntag, 23. Februar 2025, 16.30 Uhr mit Nachgespräch
- Sonntag, 9. März 2025, 16.30 Uhr
- Mittwoch, 23. April 2025, 19.30 Uhr
- Donnerstag, 15. Mai 2025, 19.30 Uhr
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- Freitag, 3. Januar 2025, um 19:30 Uhr
- Donnerstag, 6. Februar 2025, um 19:30 Uhr
- Sonntag, 23. Februar 2025, um 16:30 Uhr
- Sonntag, 9. März 2025, um 16:30 Uhr
- Mittwoch, 23. April 2025, um 19:30 Uhr
- Donnerstag, 15. Mai 2025, um 19:30 Uhr
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- Freitag, 13. Dezember 2024, um 19:30 Uhr
- Sonntag, 22. Dezember 2024, um 16:30 Uhr