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Setzen sich für die Rechte von Frauen und Mädchen ein: (v.li.) Antonie Brieske und Annelie Gogolla.

Serie 'Frauen ins Scheinwerferlicht' über Antonie Brieske und Annelie Gogolla

Schattenlicht: Anlaufstelle für Frauen und Mädchen

Was als Serie zum Weltfrauentag begann, geht weiter. halloherne-Redakteurin Julia Blesgen spricht mit verschiedenen Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen. Dabei geht es unter anderem um ihre persönlichen Werdegänge, die Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten oder was sie ihrem jüngeren Ich oder anderen jungen Mädchen nun mit auf den Weg geben würden. Alle weiteren Teile der Serie sind auf halloherne zu finden.

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Dieses Mal sprechen Antonie Brieske und Annelie Gogolla über die Anfänge der Frauen- und Mädchenberatungsstelle Schattenlicht und berichten darüber, wie wichtig es ist, Gewaltschutz für Betroffene konsequent durchzusetzen.

Die Eröffnung der Beratungsstelle Schattenlicht geht ins Jahr 1992 zurück. Damals gehörte sie noch als eine vom Verein zur Förderung des Frauenhauses getragene Einrichtung. „Die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses erlebten immer häufiger Fälle, in denen es um sexualisierte Gewalt ging. Vielfach waren auch Kinder betroffen. Doch sie konnten die Vielzahl von Fällen nicht mit ihren begrenzten Mitteln stemmen“, berichtet Antonie Brieske im Gespräch mit halloherne.

'Sowas gibt es bei uns nicht'

Somit wurde überlegt, eine Beratungsstelle für Betroffene und Kinder einzurichten. Das stellte sich jedoch als schwierig heraus. „Es gab in Herne damals nichts Vergleichbares. Die Suche nach Räumen und Geldern gestaltete sich auch als schwierig, denn von der Politik kam damals eher der Tenor: So was gibt es in Herne nicht“, erläutert Brieske die komplizierten Anfänge der Beratungsstelle.

Doch durch viel Engagement gelingt es dann, dass zwei Mitarbeiterinnen – gefördert durch eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme des Arbeitsamtes – ihre Arbeit in den AWO-Räumen am Sportpark aufnehmen konnten.

'Sprung ins kalte Wasser'

Eine dieser Frauen war Antonie Brieske, die gerade ihr Anerkennungsjahr nach ihrem Studium der Sozialen Arbeit abgeschlossen hatte. Gemeinsam mit Brigitte Benthaus, Mitglied des Vereins zur Förderung des Frauenhauses Herne, leitete sie eine vhs-Gruppe für Frauen, die sexualisierte Gewalt als Kind erlebten. Als Benthaus sie dann fragte, ob sie sich vorstellen könnte, die Beratungsstelle mit aufzubauen und dort zu arbeiten, zögerte Brieske nicht. „Es war aber schon ein Sprung ins kalte Wasser“, erzählt sie von ihrer Entscheidung.

Entgegen der anfänglichen Vorbehalte aus Politik und Stadtgesellschaft wurde der Zulauf zur Beratungsstelle schnell größer. Immer mehr Frauen und Kinder benötigten die Unterstützung von Schattenlicht. Doch die Finanzierungsicherheit bleibt für die Einrichtung in den folgenden Jahren unsicher.

Sind die Ansprechpartnerinnen für Mädchen und Frauen: (v.li.) Antonie Brieske und Annelie Gogolla.

Finanzierungsicherheit dauerhaft ein Thema

Damals gab es keine dauerhafte Finanzierung für eine Beratungsstelle mit der Ausrichtung von Schattenlicht. Jedoch gab es einen Fördertopf für Frauen- und Mädchenberatungsstellen. Da dies zum Konzept für Schattenlicht passte, entschieden die Verantwortlichen, sich auf den Gewaltschutz von Frauen und Mädchen zu konzentrieren.

Beratungsstellen haben einen „Projektstatus“

Obwohl Schattenlicht nach längerer Vorarbeit im Jahr 2002 ein eigenständiger gemeinnütziger eingetragener Verein wurde und zum Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen NRWs gehörte, bleibt die Finanzierungsicherheit dauerhaft ein Thema. Etwas, was Annelie Gogolla, die seit 2017 mit einer halben Stelle als Fachkraft für sexualisierte Gewalt und Prävention das Team verstärkt, ärgert.

„In der Istanbul Konvention ist der Gewaltschutz von Frauen festgeschrieben. Die Vertragsstaaten haben sich dazu verpflichtet. Deshalb muss mehr getan werden, um zum Einem die Finanzierungsicherheit von entsprechenden Beratungsstellen und zum Anderen weitere Maßnahmen zu gewährleisten“, fordert Annelie Gogolla „ Wenn Gewaltschutz von Frauen und Kindern politisch eine hohe Priorität besitzen und entsprechend umgesetzt würde, könnte das Betroffenen viel Leid ersparen. Auch die Gesellschaft würde davon profitieren, nicht nur finanziell, sondern auch in vielen anderen Bereichen.“

Autonome Hilfesysteme, wie die Beratungsstelle, haben nämlich noch immer einen „Projektstatus“ und müssen Fördermittel in regelmäßigen Abständen beantragen. Diese Fördermittel decken aber nur einen Teil der Kosten. Die Förderung des Landes läge bei 60 Prozent der jährlichen Kosten, dazu käme ein Zuschuss der Stadt Herne von circa 21 Prozent. Die restlichen Kosten liegen derzeit bei 19 Prozent, was circa 51.000 Euro ausmacht. Diese weiteren Kosten wie Miete, Versicherung, Strom oder auch Personalkosten müssen von den gemeinnützigen Einrichtungen selbst bezahlt werden.

Einfluss von sozialen Medien

Dies stellt die Beratungsstelle immer wieder vor große Herausforderungen. Dabei habe die Wichtigkeit von Beratungsstellen und Präventionsarbeit eher noch zugenommen. „Gerade die sozialen Medien nehmen Raum bei meiner Arbeit ein. Viele Mädchen sitzen bis in die frühen Morgenstunden am Handy und konsumieren durchaus kritische Inhalte auf TikTok, wo beispielsweise sehr 'gruselige' Frauenbilder dargestellt werden“, resümiert Gogolla.

Ferner sei es aber immer noch ein Problem, dass Frauen nicht geglaubt werde. Dies hat sich in den vergangenen Jahren nicht groß verändert. „Es ist leider immer noch so, dass je näher ein Täter der Familie und den Freunden einer Betroffenen steht und sich nach außen gut präsentiert, je mehr muss die Betroffene darum kämpfen, dass man ihr glaubt“, berichtet Antonie Brieske.

'Mach dein Glück nicht von anderen abhängig'

Brieske und Gogolla wünschen sich mehr Sensibilität mit Betroffenen. Ihnen ist es wichtig, dass junge Mädchen und Frauen ihren Wert kennen und selbstbestimmt leben. „Geh den Weg, den du gehen willst“, rät Annelie Gogolla jungen Mädchen. Ihre Kollegin Antonie Brieske ergänzt abschließend: „Mach dein Glück nicht von anderen abhängig. Du darfst dein Leben selbstbestimmt leben.“

Montag, 21. Oktober 2024 | Autor: Julia Blesgen
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