Frauenhaus stellt ein Konzept zum Kindeswohl vor
Schutz von Kindern im Fokus
Wenn es Frauen gelingt, sich aus ihren von Gewalt geprägten Beziehungen zu lösen, kommen sie zunächst meist in einem Frauenhaus unter. Jedoch kommen sie oft nicht allein. Viele Frauen suchen mit ihren Kindern Schutz vor dem gewalttätigen Partner in diesen Einrichtungen. Das ist im Herner Frauenhaus nicht anders. Damit die Kinder einen bestmöglichen Start in das neue gewaltfreie Leben haben, haben die Mitarbeiterinnen des Herner Frauenhauses seit 2021 ein Konzept zum Schutz der Kinder ausgearbeitet.
Die Frauen stellten dieses am Dienstag (3.9.2024) vor. „Wenn die Kinder zu uns ins Frauenhaus kommen, ist es ein Riss aus dem sozialen Umfeld. Es ist für die Kinder Überforderung und Überraschung zugleich“, erläutert Mitarbeiterin Carolin Fuhrmann die Situation des Nachwuchses.
'Tägliche Gewalt hat Auswirkungen'
Die Kinder haben die tägliche Gewalt im Elternhaus miterlebt und dies habe natürlich Auswirkungen auf deren Entwicklung. „Die Atmosphäre von Angst, Druck und Demütigung macht etwas mit ihnen“, berichtet Fuhrmann weiter.
Brigitte Benthaus aus dem Vorstand des Vereins zur Förderung des Frauenhauses Herne ergänzt: „In der Vergangenheit waren das Jugendamt und die Polizei noch nicht so geschult wie heute, da waren die Kinder nicht so im Fokus, wenn sie die Gewalt nicht direkt miterlebt haben. Heute ist das zum Glück anders.“
Sie macht deutlich, dass auch wenn die Sprösslinge nicht direkt Zeuge der Gewalt waren, sie dennoch durch die Situation zu Hause traumatisiert sind. „Viele Kinder erleben erstmals im Frauenhaus ein Gefühl der Sicherheit und Entspannung“, so Benthaus weiter.
40 Kinder leben jährlich mit ihren Müttern im Frauenhaus
Bis zu 40 Kinder leben auf das Jahr verteilt mit ihren Müttern in der Einrichtung. Platz sei für bis zu zehn der Söhne und Töchter gleichzeitig. Obwohl Kinder und Jugendliche bis 18 Jahren im Frauenhaus unterkommen können, erscheinen meist Mütter mit Kleinkindern.
Damit sich neben den Müttern auch der Nachwuchs gut im Frauenhaus aufgenommen fühlt, setzen die Mitarbeiterinnen auf mehrere wichtige Bausteine zum Kinderschutzkonzept.
Die Bausteine des Kindeswohlkonzeptes
Da gibt es zunächst den Aufnahmebogen, indem gemeinsam mit der Mutter die erste Einschätzung der Situation erfolgt. Es wird beispielsweise besprochen, wie die Sorgerechtsregelungen erfolgen und wie die erlebte Gewaltgeschichte des Kindes aussieht.
„Bei einigen Kindern liegt auch ein Besuchsrecht des Vaters vor. Wir bereiten sie und die Mütter in Kooperation mit dem Jugendamt auf solche Besuche vor. Wichtig ist uns dabei besonders die Gefühlswelt des Kindes“, sagt Carolin Fuhrmann gegenüber halloherne.
Weiter führt sie aus: „Wir machen den Kindern deutlich, dass alles, was sie fühlen, okay ist. Denn vielfach sind es sehr ambivalente Gefühle. Es kann Gefühle der Angst oder Wut geben, aber auch Sehnsucht, weil sie auch gute Erinnerungen an ihren Vater haben.“
Weitere Bausteine des Konzeptes sind der Schulkinderbogen und das Infoheft. Der Schulkinderbogen ähnelt einem Freundebuch. Die Jungen und Mädchen können sich hier selbst beschreiben, aber auch Sorgen und Wünsche für die Zukunft werden hier thematisiert. Das Infoheft dient als Wegweiser für das Leben im Frauenhaus, hier lernen Kinder die Regeln und mögliche Aktivitäten kennen.
Die Gefahrenanalyse
Einer der wichtigsten Bausteine des Konzeptes ist die Gefahrenanalyse. Mithilfe eines Ampelsystems wird die Einschätzung einer Kindeswohlgefährdung nach Paragraph 8a SGB VIII vorgenommen. Hierbei werden bestimmte Fragen über das Verhalten und Erscheinungsbild des Kindes beantwortet. Liegt eine Gefährdung vor, wird der Fall ans Jugendamt weitergeleitet.
Seit 2022 arbeite das Frauenhaus nun schon mit diesem Konzept. Zehn Mal lag ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung vor, jedoch konnte die Mutter, die von Anfang an in die Gefahrenanalyse eingebunden wird, oftmals durch Unterstützungsangebote eine Gefährdung abwenden, erzählen die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses.
Für Ronja Dietrich, die seit August 2024 im Haus arbeitet, ist das Konzept ein guter Indikator. „Ich habe so gelernt, wie das Frauenhaus in Bezug auf Kindeswohlgefährdung arbeitet. Aber bisher gab es keinen Fall einer solchen Gefährdung“, sagt die junge Frau auf Nachfrage von halloherne.
Weiterhin akuter Wohnungsmangel
Mittlerweile bleiben die Frauen rund sechs Monate im Frauenhaus, obwohl sie es schon längst verlassen könnten. Auch derzeit sei das einzige freie Zimmer bereits wieder reserviert. Die Damen im Frauenhaus suchen immer noch händeringend nach Wohnungen (halloherne berichtete). Auf zahlreiche Bewerbungen kommen immer wieder Absagen.
„Wir haben leider nach wie vor Schwierigkeiten für unsere Frauen und ihre Kinder nach ihrem Aufenthalt hier Wohnungen zu finden. Das führt immer öfter dazu, dass Plätze bei uns im Frauenhaus länger besetzt als nötig bleiben und wir anderen Frauen, die akut Schutz benötigen, keine Plätze zur Verfügung stellen können", zeigt sich Carolin Fuhrmann nachdenklich.
Deshalb würden sich die Mitarbeiterinnen wünschen, dass sich vielleicht private Vermieter oder Wohnungsgenossenschaften bei ihnen melden würden, wenn sie bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung stellen könnten.