Selbständige im Rat pochen auf Verdienstausfall
Herten/Recklinghausen/Gelsenkirchen. Die Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen regelt in § 45 die Entschädigung für Ratsmitglieder. Nicht ganz einfach, gibt es doch in den Kommunalparlamenten nicht nur "abhängige Erwerbstätige" die bei Ausübung ihres Mandats einen in der Hauptsatzung festgesetzten Regelsatz oder auf Antrag "den tatsächlich entstandenen und nachgewiesenen Verdienstausfall" erstattet bekommen. Schwieriger gestaltet sich diese Entschädigung bei Selbständigen. Die "erhalten auf Antrag anstelle des Regelstundensatzes eine Verdienstausfallpauschale je Stunde, die im Einzelfall auf der Grundlage des glaubhaft gemachten Einkommens nach billigem Ermessen festgesetzt wird." Das war nicht immer so und wurde vom Landesgesetztgeber im Dezember 2012 neu gefasst, nachdem das Oberverwaltungsgericht Münster die alte Rechtslage in NRW besonders bei der Erstattung von Verdienstausfall bei häuslicher Arbeit für "rechtswidrig" erklärt hatte.
Der aktuelle Regelsatz pro Stunde beträgt zur Zeit in Recklinghausen 18 Euro für Selbständige und acht Euro für "abhängig Erwerbstätige" neben der ansonsten noch gewährten Aufwandspauschale für Ratsmitglieder. Vor der Änderung mussten selbständige Ratsmitglieder den konkreten Nachweis führen, wenn ihnen während der Ausübung ihres Mandats im politischen Ehrenamt Verdienstausfall entstanden war. Dabei ging der Landesgesetzgeber aber auch die Rechtsprechung von einer "freien Gestaltung der Arbeitszeit und Terminvergabe aus," wobei die Tätigkeit in Rat, Fraktion, Ausschüssen oder anderen Anlässen wie Repräsentation der Gemeinde bei Selbständigen durch Vor- oder Nacharbeit ausgeglichen werden konnte.
Die Hertener CDU-Ratsmitglieder Holger Lenz (Immobilinenverwalter) und Ingrid Buttler (Heilpraktikerin) und Recklinghausens dritte Bürgermeisterin Christel Dymke (Mitglied einer dreiköpfigen Anwaltssozietät in Marl) von den Grünen hatten 2011 mehrere Termine zum Anlass genommen, bei der Stadt für ihre kommunalpolitische Ratsarbeit Verdienstausfall zu beantragen, waren aber im Mai 2012 (Herten) und im Januar 2012 (Recklinghausen) abgelehnt worden. Die Antragsteller konnten zwar in allen Fällen die Wahrnehmung ihres Mandats unbestritten nachweisen, den Nachweis über konkreten Verdienstausfall genau während dieser Zeiten aber nicht in einem einzigen Fall belegen und damit den nach der Rechtsprechung geforderten "Tabestand der konkreten Ermittlung" erfüllen.
So jetzt das von den drei Kommunalpolitikern angerufene Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Dessen Kammer für Kommunal- Verfassungsrecht unter Vorsitz von Richter Lohmann teilte in vielen Punkten die Auffassung der selbständigen Kläger, sah sich aber gleichwohl außerstande, die Klagen auf Erstattung von 860 Euro (Ingrid Buttler), 661,66 Euro (Holger Lenz) und 81 Euro (Christel Dymke) im Sinne der Kläger zu entscheiden. Die richtige Adresse zur Darlegung dieser in der Tat auch nach den Buchstaben der neuen Gemeindeordnung unbefriedigenden Situation selbständiger Mandatsträger sei nicht das Gericht sondern der Landesgesetzgeber, der beispielsweise für eine Mindestpauschale mit der Option sorgen könnte, dass im Einzelfall ein überschrittener Mindestsatz bei Verdienstausfall konkret zu belegen ist.
Und diese Situation ist beispielsweise in Herten in der Bewertung immer noch so offen, dass es bei den Selbständigen nach wie vor keinen festgesetzten Regelsatz für Selbständige gibt, wie Rechtsdirektorin Sickers erst in der Verhandlung von der von Rechtsanwalt Buttler vertretenen Klägerseite erfuhr. Der Anwalt nahm seine Klagen schließlich zurück, weil es sich um Fälle nach altem Recht vor 2012 handelte. Die sich als Anwältin selbst vertretende Bürgernmeisterin der Grünen bestand allerdings auf einem Urteil. Und das, obwohl ihr die Kammer vor Abweisung ihrer Klage noch sagen musste, dass eine Berufung nicht möglich sei, weil sich das Oberverwaltungsricht mit "ausgelaufenem Recht" nicht mehr beschäftigen werde. (AZ 15 K 2615, 2744 und 716/12).