Familienstück am Schauspielhaus Bochum
Selma Lagerlöfs „Nils Holgersson“
Drei neue Ensemblemitglieder und jede Menge Debüts auf und hinter der Bühne: Bochums vorweihnachtliches Familienstück „Nils Holgersson“ für alle Menschen ab sechs Jahren nach Selma Lagerlöfs gleichnamigem Welterfolg riss am Premierenabend im ausverkauften Schauspielhaus Jung und Alt von den Sitzen. Bis Jahresende stehen noch sechs Familienaufführungen an, da ist rechtzeitiges Sichern der Karten angesagt.
„Ich war einmal ein Junge mit struppigem Haar“ erzählt der an der Rampe aus dem Bühnenorkus springende Nils (mitreißendes körperbetontes Debüt des neuen Ensemblemitglieds Jakob Schmidt, 1999 in Bochum geborener Ernst Busch-Absolvent). Der seinen Ärger mit den Eltern, die nicht nur sein Haar glätten, sondern den ganzen Kerl zähmen wollen, leider an den Tieren auf dem Bauernhof daheim auslässt. Weshalb die ihm auch nicht beispringen, als der „Nichtsnutz“, ‘mal wieder mit dem Karussell in seinem Kopf kämpfend, seinen Frust an einem Wichtelwesen auslässt, das ihn prompt zum Däumling schrumpfen lässt.
Überhebliche Wildgänse
Als ein Schwarm grauer Wildgänse auf dem Weg zu den Brutstätten in Lappland vorbeikommt, will sich die weiße Hausgans Martin (nicht minder gelungener Einstand des aus Jena gekommenen neuen, 1998 in den Niederlanden geborenen Ensemblemitglieds Linde Dercon) ihnen anschließen. Es braucht einige Überzeugungsarbeit, bis das überhebliche Trio aus der strengen Leitgans Akka (Danai Chatzipetrou), der jüngeren Yksi (Meret König, frischgebackene Physical Theatre-Absolventin der Folkwang Universität) und der ganz jungen Kolme (die Bochumer Performerin Marlene Helling) das Duo aus Martin und dem huckepack genommenen Nils akzeptiert.
Stetig verfolgt vom stets hungrigen, schlau in verschiedene Rollen schlüpfenden Fuchs Smirre (das nächste, hier vor allem durch Spielwitz überzeugende Debüt eines neuen Ensemblemitglieds: Nina Steils ist vom Volkstheater München gekommen) erlebt Nils an der Seite der Gänse und anderer Tiere vom Hasen bis zum Braunbär (Schuhplattler im hohen Norden!), was es bedeutet, Teil einer durch den Menschen gefährdeten Natur zu sein. In Vielfalt ganz selbstverständlich gelebt wird etwa mit der Freundschaft zwischen Hund und Elch.
Die Sonne geht auf
Doch nun genug gespoilert, nur noch soviel: In der klugen Bochumer Fassung von Regisseur Nils Zapfe und Dramaturgin Cathrin Rose ist das turbulent inszenierte Geschehen mit einer kleinen Rahmengeschichte mit der Buchautorin Selma Lagerlöf (das Energiebündel kann auch Matrone: bei Johanna Wieking geht buchstäblich die Sonne auf) versehen. Gestrichen sind dagegen nicht nur die Eltern von Nils, sondern auch die Parallelgeschichte seiner Freunde Åsa und ihres jüngeren Bruders Mats. Die rund neunzigminütige Bochumer Adaption konzentriert sich ganz auf den Gänse-Flug des Titelhelden nach Lappland und lässt die landeskundlichen Episoden der Vorlage ebenso unter den Tisch fallen wie die damit verbundenen Reisegefährten des 14-Jährigen vom Adler über den Storch bis hin zu Krähen und Raben.
Selma Lagerlöf, die 1909 als erste Frau den Literatur-Nobelpreis erhielt, hat in ihrem drei Jahre zuvor erschienenen Schul-Lesebuch „Nils Holgerssons underbara resa genom Sverige“ („Nils Holgerssons wunderbare Reise durch Schweden“), das den Kindern die Heimatkunde ihres Landes nahebringen sollte, eine wahre Begebenheit geschildert: Zur Zeit ihres Urgroßvaters, Pastor Wennerwik, hatte sich ein zahmer weißer Gänserich den ziehenden Wildgänsen angeschlossen und war im Herbst mit „Frau“ und sieben „Kindern“ wieder auf den Hof zurückgekehrt.
Begeistertes Publikum
„Nils Holgersson“ hat das begeisterte Premierenpublikum zwischen sechs und weit über sechzig Jahren mit einer atemberaubenden Mischung aus furiosem Schauspiel (der Berliner Regisseur Nils Zapfe ist Absolvent der Bochumer Folkwang-Hochschule), ungewöhnlicher Live-Musik (der Berliner Komponist, Musiker, und Performer Christoph Hamann) und flotter Choreografie (Dominika Knapik) in der phantasievollen Wolken-Landschaft der Dresdener Ausstatterin Grit Dora von Zeschau zum erstaunten Verstummen gebracht: so leise habe ich das ausverkaufte Bochumer Theaterschiff bei einer Familienvorstellung noch nicht erlebt!
Karten
Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33 33 55 55.
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