Anna Schwabe (Grüne) über ihren Weg zur Lokalpolitikerin
Serie zum Weltfrauentag: „Frauen ins Scheinwerferlicht“
Anlässlich des nahenden Weltfrauentages am Freitag, 8. März 2024, hat halloherne-Redakteurin Julia Blesgen mit verschiedenen Frauen aus den unterschiedlichsten Bereichen gesprochen. Dabei ging es unter anderem über ihren Werdegang, Herausforderungen, denen sie sich stellen mussten und was sie ihrem jüngeren Ich oder anderen jungen Mädchen nun mit auf den Weg geben würden. Alle weiteren Teile der Serie sind auf halloherne zu finden.
Dieses Mal geht es um Lokalpolitikerin Anna Schwabe von den Herner Grünen. Sie sei schon immer politisch interessiert gewesen, verrät sie im Gespräch mit halloherne. Den Ausschlag für ihren Weg in die Lokalpolitik habe aber die Politik des damaligen Verkehrsministers Andreas Scheuer (CSU) gegeben. „Ich fand es einfach so schlimm, wie ein Mann mit Nichtstun so strahlen konnte. Darüber habe ich mich immer so aufgeregt“, berichtet Anna Schwabe.
Vom Meckern allein wird´s nicht besser
Doch sie weiß, vom Meckern allein wird's nicht besser. Deshalb schaute sie, wie sie sich politisch in ihrer Stadt einbringen kann und landete dann bei den Herner Grünen. „Da mir die Themen Umwelt und Feminismus sehr wichtig sind, habe ich eine Mail an den Jugendbereich der Partei geschickt. Kurze Zeit später wurde ich zu einem Gruppenabend eingeladen und habe schnell gemerkt, dass es für mich passt“, so Schwabe.
Paritätischer Ansatz gefiel
Besonders schön fand Schwabe auch, dass alle Posten bei den Grünen paritätisch - also gleichermaßen von Männern und Frauen - besetzt werden. Da es zu diesem Zeitpunkt nur noch eine weitere Frau bei der Grünen Jugend gab, bekam Anna Schwabe gleich die Chance, sich zu beweisen. „Ich wurde gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, die Sprecherin zu werden. Ich hab zugesagt, obwohl ich zu diesem Zeitpunkt noch keine wirkliche Ahnung hatte, was mich erwartet. Ich glaube, dass ich mich ohne diese Frauenquote nicht getraut hätte, das von alleine zu machen, somit hat sie mir in diesem Punkt geholfen“, erzählt die Jurastudentin.
Ähnlich verhielt es sich auch bei ihrer Kandidatur für den Stadtrat. „Auch hier ist es so, dass wir die Plätze mit 50 Prozent Frauen besetzen und so wurde ich gefragt, ob ich nicht auch kandidieren möchte", berichtet Schwabe.
Diversität bringt uns voran
Gesagt, getan. So Schwabe Herner Stadtverordnete. „Ich habe intern super viel Unterstützung und positives Feedback erhalten. Bei uns ist es ja so, dass es gerne gesehen wird, wenn man jung und weiblich ist. Denn gerade diese Diversität ist es ja, die uns mehr voranbringt.“
Jedoch weiß Schwabe auch, dass generell ein ehrenamtliches Engagement für Frauen schwieriger ist, als für Männer. „Viele Veranstaltungen oder Sitzungen finden im Nachmittagsbereich statt, da hat eine Frau mit Kindern wieder das Nachsehen. Hier würde ich mir wünschen, dass Frauen mehr mitgedacht würden und es vielleicht Betreuungsangebote geben könnte“, sagt die Hernerin.
In neue Rolle hineinwachen
Ebenso musste die heute 24-Jährige in ihre neue Rolle als Lokalpolitikerin hineinwachsen. „Ich bin ja auch im Ausschuss für Kinder, Jugend und Familie, da haben wir ganz viele Veranstaltungen mit Jugendlichen und oftmals werde ich dann für eine Jugendliche gehalten und nicht für eine Lokalpolitikerin. Mir selbst fiel es am Anfang auch noch schwer, mich als Lokalpolitikerin vorzustellen und so zu sehen“, sagt die junge Frau. „Mittlerweile fühle ich mich aber viel mehr angekommen und kann die Rolle vielmehr ausleben.“
Lernen sich durchzusetzen
Auch musste sie lernen, sich im noch immer männlich dominierten Stadtrat zu behaupten. „Ich glaube, es spielt auch eine Rolle, für welche politischen Dinge man sich einsetzt. Meine Themen wie Feminismus und Jugendarbeit sind ja eher so Themen, die bei dem ein oder anderen Mann ein Augenrollen verursacht“, erzählt sie lachend.
So gab es auch Situationen, in denen sie von männlichen Stadtratskollegen ungefragte Ratschläge erhielt. „Zuerst möchte ich sagen, dass ich mich gerade am Anfang sehr über die Unterstützung und das Feedback gefreut habe. Aber manche Ratschläge waren schon ab und an sehr väterlich, was man ja auch nicht immer so möchte“, berichtet die 24-Jährige. Mittlerweile, so Schwabe, habe sich das aber gelegt und man begegne sich auf Augenhöhe.
Ebenso musste die Studentin lernen, dass Männer einen anderen Diskussionsstil als Frauen haben: „Am Anfang habe ich gedacht, ich muss jetzt auch die lauten Reden halten und rumschreien, damit mich alle hören. Dann habe ich mich selbst hinterfragt: Willst du das so machen wie die Männer oder dir selbst treu belieben? Ich habe mich dann für Letzteres entschieden.“
'Social Media verlangt mental viel von einem ab'
Privat ist die Grünen Politikerin übrigens nicht in den sozialen Medien unterwegs. „Es ist eine Rechnung, die man für sich selbst machen muss. Klar, auf der einen Seite generiert es mehr Aufmerksamkeit für die Themen, die man bekannter machen möchte, aber auf der anderen Seite, würde es zu viel mental von mir abverlangen.“
Jedoch sei sie für die offiziellen Seiten der Herner Grünen aktiv, auf denen ihr auch Hass im Netz begegnet. „Es gibt dann schon so Kommentare, die gehen von den einfachen 'Kotz-Smileys' bis zu Kommentaren, die auch weh tun können... gerade wenn sie auf eine Person gerichtet sind, die dann auch überhaupt nicht mehr sachlich sind“, so die Jurastudentin. „Viele Menschen können auch einfach nicht unterscheiden zwischen Bundes-, Landes- und Lokalpolitik.“
Die Erwartungshaltung ist eine andere
Außerdem führt sie aus: „Gerade als 'grüner' Frau wird einem im Netz viel abverlangt, weil die Erwartungshaltung auch eine andere ist. Es wird erwartet, dass man immer alles richtig macht. Man soll klimaneutral leben, immer für andere da sein oder auch immer richtig gendern. Es ist natürlich ein Anspruch, den man an sich selbst hat, aber man kann natürlich nicht immer alles richtig machen.“
Ebenso spricht Schwabe die unterschiedliche Berichterstattung zwischen männlichen und weiblichen Politikern an. „Es ist ja so, dass es auf der großen politischen Bühne immer noch darum geht, was eine Politikerin trägt. Somit wird Frau hier wieder auf ihr Äußeres reduziert, wovon wir vielleicht auch weg kommen müssen“, meint die Stadtverordnete.
Stimme von jungen Mädchen muss gehört werden
Im nun fünften Jahr ist Anna Schwabe in ihrer neuen Rolle angekommen. Rückblickend würde sie ihrem jüngeren Ich raten, nachsichtiger mit sich selbst zu sein. „Ich habe mir das erste Jahr echt einen Kopf gemacht und mich mit der Frage beschäftigt: Bin ich jetzt nur hier, weil es dieses Frauenstatut bei den Grünen gibt? Ich glaube aber, dass viele Frauen mit der Frage hadern, bin ich gut genug? Heute würde ich mir sagen: Du verdienst es hier zu sein und du kannst es auch“, bekräftigt die Hernerin.
Jungen Frauen, die ebenfalls in die Lokalpolitik wollen, rät sie: „Steht für euch ein und seid mutig. Seid euch bewusst, dass gerade ältere weiße Männer die Weisheit nicht mit Löffeln gefressen haben. Es ist superwichtig, dass gerade die Stimmen von jungen Mädchen oder auch Mädchen mit Migrationsgeschichte gehört werden. Wir können alle nur gewinnen, wenn wir Frauen haben, die sich für ihre Stadt einsetzen und sie sowie die Welt ein Stück besser machen wollen.“